Gewässer der Alpen: Leben im Extremen
Vierter Teil einer Serie von Schutzgebietsbetreuerin Kathrin Herzer zum Thema Wasser
Die Verhältnisse im gletschergespeisten Gebirgsbach sind an seinen Ursprüngen alles andere als klar. Vor dem Gletschertor sammelt sich von der so genannten Gletschermilch stark getrübtes Wasser. Die Trübe stammt von kleinsten abgeriebenen Gesteinspartikeln, die fast alles Licht schlucken und im Vorbeifließen wie feinstes Schmirgelpapier den Untergrund bearbeiten. Keine guten Bedingungen für Lebewesen, seien es Pflanzen oder Tiere. Eine Ausnahme machen hochspezialisierte Lebewesen wie die Goldalge. Von tierischer Seite hat sich die Larve der Gletscherzuckmücke diesen kargen Lebensraum erobert. Die Wassertemperaturen betragen beim Austritt aus dem Gletscher um die Null Grad, und das fast das ganze Jahr über. Im Gegensatz zu Quellbächen wird ein vom Gletscher gespeister Bach auch in weiterer Entfernung vom Eis kaum über 10 Grad Celsius erreichen. Da die meisten biologischen Prozesse temperaturabhängig sind, hat das Leben auch diesbezüglich keine guten Chancen. Zudem kommt es bei großer Wasserführung zu einer ständigen Umlagerung der Bachsohle. Die wenigen Lebewesen, die sich auf diesen extremen Lebensraum spezialisiert haben, haben Anpassungen entwickelt, um zu überleben. So findet die Entwicklung ihrer Larven in günstigen Zeiten, zum Beispiel nicht gerade, wenn der Bach im Winter austrocknet, statt. Schlechte Zeiten überdauern die Larven in robusten Eiphasen, die meist im Lückenraum der Bachsohle lagern. Sie entwickeln sich oft auch nicht alle gemeinsam, um bei Ausfällen immer wieder „Nachschub“ zu liefern. Manche Steinfliegen-Arten verfolgen diese Strategie. Gegen Kälte sind entsprechende Frostschutz-Mechanismen im Körper mancher Arten entwickelt worden. Um gegen hohe Fließgeschwindigkeiten gefeit zu sein, haben die Larven der Netzflügelmücken starke Saugnäpfe an der Bauchseite entwickelt. So können sie in Ruhe den Algenbelag auch heftig umspülter Steine abweiden. Die Puppen dieser Gruppe können sich am Untergrund festkitten. Eintags- und Steinfliegenlarven bewegen sich eng an Steinoberflächen geduckt, um nicht fortgespült zu werden.
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