BB vor Ort
Leutaschs Bürgermeister Jorgo Chrysochoidis im Interview

Bürgermeister Georgios 'Jorgo' Chrysochoidis steht im BB-Interview Rede und Anwort. | Foto: Lair
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LEUTASCH. Im Rahmen unserer Serie "Bezirksblätter vor Ort" haben wir Leutaschs Bürgermeister Georgios "Jorgo" Chrysochoidis zum Interview gebeten. Der junge Ortschef gibt Einblick in seine "einzigartige" Gemeinde. 

BB: Was zeichnet die Gemeinde Leutasch aus?

Jorgo Chrysochoidis: Die Gemeinde Leutasch zeichnet sich einerseits durch die Großteils unberührte Natur, ihre flächenmäßige Größe und die landschaftliche Schönheit aus. Ich lebe schon mein ganzes Leben hier und bin trotzdem jedes Mal vom Anblick überwältigt, wenn man zum Beispiel von Buchen in die Leutasch fährt und man den freien Blick über die Felder Richtung Wettersteingebirge, Gaistal und Hohe Munde vor sich hat. Die Lebensqualität auf 1.200 m Seehöhe ist schon einzigartig, was Leutasch zu einem beliebten Urlaubsziel und Wohnort macht.

Welches sind die größten Kommunalsteuer-Bringer in Leutasch und wie haben sich die Einnahmen entwickelt?

Leutasch lebt vom Tourismus – das haben uns die letzten beiden Jahre gezeigt. Ohne Tourismus können wir unseren Lebensstandard nicht aufrechterhalten. In den letzten beiden Jahren musste die Gemeinde aufgrund von Reisebeschränkungen u.ä. massive Mindereinnahmen verbuchen. Neben dem Tourismus hat sich aber in den letzten Jahren auch das Gewerbegebiet in Boden-Niederlög gut entwickelt, sodass bis auf weiteres keine Gewerbegründe mehr zur Verfügung stehen – eine entsprechende Erweiterung ist aber bereits in Planung.

Wie steht man bei den Pflicht-/Hausaufgaben da?

In die Wasserversorgung wurde in den letzten Jahren richtig viel investiert und muss aber auch zukünftig viel Geld dafür in die Hand nehmen. Mit ca. 75 Kilometer Wasserleitungen im Gemeindegebiet gibt es immer etwas zu tun, auch wenn die großen Investitionen wie Hochbehälter, Quellfassung und UV-Anlage in Höhe von ca. 3,5 Mio. € seit 2018 bereits getätigt wurden. Außerdem ist Leutasch beim Breitbandausbau ziemlich vorne dabei, im gesamten Gemeindegebiet steht bei Bedarf ein Glasfaseranschluss zur Verfügung. Durch die Größe der Gemeinde können wir bei der Infrastruktur meistens nur reagieren – Asphaltierung, Straßenbeleuchtung, Gehsteige oder Forstwege können nur in Abschnitten gebaut oder saniert werden. Man muss sich finanziell einfach nach der Decke strecken.

Wie ist die Gemeinde bei der Kinderbetreuung aufgestellt?

Bis 2016 gab es in Leutasch „nur“ einen Kindergarten. Durch unsere Initiative wurde 2017 eine Kinderkrippe und ein Kinderhort errichtet. Mittlerweile platzen die Betreuungseinrichtungen aber teilweise aus allen Nähten. Aus diesem Grund wird auch über den Sommer eine zusätzliche Betreuungsgruppe im Kindergarten errichtet, sodass wir wieder ein bisschen Luft haben. Es ist aber jedenfalls absehbar, bis ein Neubau oder einer Komplettsanierung des Kindergartens ansteht – ein Grundstück neben dem derzeitigen Kindergarten wurde hierfür schon erworben.

Gibt es Initiativen zum Thema Wohnen, Siedlungsentwicklung?

Im Frühjahr wurde eine Erhebung zum Wohnbedarf an die Bevölkerung ausgesendet. All jene, die Bedarf angemeldet haben bekommen in den nächsten Wochen einen weiteren Erhebungsbogen, wo weitere Details abgefragt werden (Wohnbauförderung, Miete oder Eigentum, usw.). Je nach Rückmeldung wird die Gemeinde nach Möglichkeit Wohnraum schaffen und zur Verfügung stellen.
In Leutasch werden bereits seit Jahrzehnten Siedlergrundstücke zu einem sozial verträglichen Preis zur Verfügung gestellt, knapp 70 seit 1990. Durch die Preisentwicklung in den vergangenen Jahren wird die Errichtung von Einfamilienwohnhäusern aber bestimmt Rückläufig sein, sodass man sich auch über Wohnbauprojekte Gedanken machen muss. Entsprechende Flächen für die Erweiterung des Siedlungsgebietes sowie für den sozialen Wohnbau wurden im örtlichen Raumordnungskonzept bereits berücksichtigt, Studien zu möglichen Projekten werden gerade erstellt. Das Thema Wohnen sowie auch die Kinderbetreuung ist wie in allen Gemeinden auch in Leutasch ein brennendes. Ländliche Gemeinden werden immer interessanter, viele Menschen ziehen aufs Land weil mittlerweile auch die Verkehrsanbindung und die Infrastruktur immer besser werden. Dies belegt auch die Bevölkerungsentwicklung der Gemeinde Leutasch: von 1991 bis Ende 2018 gab es insgesamt 162 Geburten, die zugewandert sind im gleichen Zeitraum 558 Personen! Die derzeitige Situation in der Welt ist verheerend und macht Angst. Besonders erschreckend ist die Preisentwicklung im täglichen Leben. Ich bin der Meinung, dass die Gemeinde alles Mögliche unternehmen muss um dem entgegenzuwirken, auch wenn wir nicht sehr viele Möglichkeiten haben. Es muss aber jedenfalls weiterhin gewährleistet sein, dass Leutascherinnen und Leutascher sich das Wohnen bei uns weiterhin leisten können. Hier muss die Gemeinde ansetzen und Möglichkeiten schaffen.

An welchen großen Projekten ist man momentan dran?

Das größte Projekt ist derzeit bestimmt der Neubau der Saunalandschaft bei unserem Alpenbad. Knapp 4 Mio. € werden dort investiert, bis Weihnachten 2022 soll alles fertig sein. In diesen unsicheren Zeiten eine besondere Herausforderung, bisher läuft aber gottseidank alles nach Plan. Außerdem wird im Ortsteil Lehner ein Steinschlagschutz zum Schutz der Siedlung errichtet, nach dem Unwetter im vergangenen Juli sind teilweise immer noch die Aufräumarbeiten im Gange, die Kosten hierfür belaufen sich bis jetzt auf ca. 500.000 €.

Welches sind die Initiativen betreffend Klimawandel?

Auf den Dächern der Tennishallen wird derzeit eine Photovoltaikanlage mit 1.200 PV-Modulen und einer Gesamtleistung von über 400 kWp errichtet. Knapp 70% der produzierten Energie können direkt vor Ort verbraucht werden, der Rest wird eingespeist. Zudem gibt es ein Projekt mit der Marktgemeinde Mittenwald und weiteren Partnern, bei welchem die Machbarkeit eines Wasserkraftwerkes im Bereich der Leutascher Klamm geprüft wird.

Wie geht Leutasch mit den Flüchtlingen aus der Ukraine um?

In Leutasch gibt es eine Gruppe von engagierten Menschen die sich sehr mit dem Thema beschäftigen. Sobald Vertriebene aus der Ukraine in Leutasch ankommen, übernimmt ein Freiwilliger die „Patenschaft“ und unterstütz die Menschen nach Möglichkeit. Zudem gibt es einen Sozialfonds der Gemeinde Leutasch, bei dem schon eine große Spendensumme eingegangen ist. Aus diesem Fonds wird den Menschen eine kleine Starhilfe zur Verfügung gestellt, Spielsachen für Kinder gekauft oder einfach ein Beitrag zur Eingliederung ins Dorfleben geleistet. Ein besonderes Highlight war die Geburtstagsfeier eines ukrainischen Mädchens, oder das Benefizkonzert mit „Bluatschink“, was beides ebenfalls von der Gruppierung „Luitasch Hilft Zamm“ organisiert wurde. Mein herzlicher Dank gilt allen Freiwilligen für die unbezahlbare Arbeit, die hier geleistet wird, um den Vertriebenen eine möglichst normales Leben bei uns in Leutasch ermöglichen, sowie allen Spenderinnen und Spendern für die großzügige Unterstützung.

Wie ist das (Vereins)leben im Ort, spürt man Corona noch?

Natürlich ist nach zwei Jahren Corona eine gewisse Zurückhaltung spürbar. Trotzdem geben die Vereine dieses Jahr wieder richtig gas, neben Feuerwehrfesten in Ober- und Unterleutasch, dem Wurzelstockfest der Luitascher Tanzlmusi, dem Magdalena Kirchtag mit den Leutacher Vereinen und dem Waldfest der Steinrösler Sänger herrscht im heurigen Jahr wieder ein Aufschwung. Einige Vereine, wie zum Beispiel die Musikkapelle Leutasch, verbuchen derzeit sogar einen Mitgliederzuwachs – was mich natürlich besonders freut. Die Bevölkerung und die Vereinsmitglieder sind froh, dass das Dorfleben wieder halbwegs normal stattfinden kann, das merkt man auch bei jeder Veranstaltung. Das gemeinsame Beisammensein, zusammen zu feiern und wieder Kontakte zu knüpfen tut allen gut, ich bin froh, dass das heuer wieder möglich ist.

Welches sind die großen Projekte der Zukunft?

Viele Punkte wurden bereits angesprochen: Wohnen, Kinderbetreuung, Klimawandel. All diese Punkte stellen so gut wie alle Tiroler Gemeinden vor großen Herausforderungen. Jede Gemeinde für sich wird diese Aufgaben aber nicht lösen können, weshalb es hier Unterstützung der hohen Politik braucht. Die Lösung kann nicht sein immer mehr auf die Gemeinden abzuladen und dann mit finanziellen Anreizen zu winken. Trotzdem wird die Gemeinde Leutasch ihr möglichstes tun um die Herausforderungen zum Wohle der Leutascher Bevölkerung bestmöglich meistern zu können.

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