Personalmangel in der Pflege
Telfer Altenheime helfen sich selbst

In Telfs wird Pflegern wie hier Heimhilfe Gürcü Arslan und den zu Pflegenden viel geboten.
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Personalmangel in der Pflege – ein österreichweites Problem, bei dem sich der AWH-Verband Telfs seit mehreren Jahren aber selbst zu helfen weiß.

TELFS. Der Personalnotstand trifft alle Branchen, vor allem in der Pflege ist das in den letzten Jahren zum großen politischen Thema geworden. Wie steht es um die Pflegekräfte im Altenwohnheimverband Telfs und Umgebung?
Bezirksblätter haben sich bei einem Gespräch mit Heimleiter bzw. Verwalter Matthias Kaufmann
ein Bild von der Situation gemacht. Kaufmann bilanziert zufrieden, gibt Entwarnung und spricht von einem "hellgrünen" Licht, wenn es um die Auslastung und die Betreuung in den drei Altenwohnheimen geht.

In den Verbands-Heimen Wiesenweg, Schlichtling und Seefeld sind derzeit 205 Bewohner/innen untergebracht, diese mit höherem Pflegeaufwand (im Schnitt Stufe 4,7) als es früher der Fall war, wie Kaufmann berichtet: "Die Leute werden möglichst lange zu Hause betreut. In die Heime kommen sie sobald sich der Pflegeaufwand bzw. die Pflegestufe erhöht." Zu den Heimen kommt noch "betreubares Wohnen" in sieben Gebäuden in Telfs und Region (etwa 100 Wohnungen).

Den BewohnerInnen stehen 237 MitarbeiterInnen aus allen Bereichen (Pflege, Reinigung, Verwaltung, Küche) gegenüber, davon sind 165 direkt im Pflegedienst beschäftigt. Den Personalbedarf versucht man in Telfs und Seefeld durch interne Maßnahmen abzudecken.

"Wir sehen schon seit Jahren die Entwicklung beim Personal und konnten schon frühzeitig einem Mangel durch interne Weiterqualifikation entgegenwirken - da wo es geht",

informiert Kaufmann. Ein Problem ist die Professionalisierung im System:

"Das klassische Diplom gibt es nicht mehr, ein Studium ist seit 2016 nötig. Man will alles akademisieren, und uns fehlen somit die vielen fleißigen Menschen, die man früher rasch mit einer Diplomausbildung bekommen hat."

Und diese akademisierten Arbeitskräfte wählen dann lieber den Weg in die Pflege-Verwaltung, anstatt anzupacken, erklärt Kaufmann das Problem:

"Wir bemühen uns sehr, das nötige Personal zu rekrutieren, aber der Markt gibt derzeit wenig her. Das wirkt sich leider auf die Belegung der Betten aus, da können wir derzeit anstatt 215 Betten nur 205 Betten mit entsprechender Betreuung anbieten, die restlichen müssen leer bleiben."

Im Vergleich mit Krankenhäusern ist man hier aber noch gut bedient, so Kaufmann weiter:

"Wir sind auf allen Stationen im Vollbetrieb, da auch alle Doppelzimmer zumindest einfach belegt sind."

Damit sich die Situation nicht auch noch bei den Pflegeassistenten/innen verschärft, wirkt man intern entgegen: Zum einen werden MitarbeiterInnen etwa bei der Reinigung oder Küche motiviert, berufsbegleitend eine Ausbildung zur Heimhilfe und in weiterer Folge zur Pflegeassistenz zu starten und dann im eigenen Heim die Aufstiegschance nutzen, so Kaufmann:

"Seit 2021 gilt ein landesweit einheitliches, neues Tarifsystem und wir bekommen mehr Geld für Personal und es wurde die Berufsgruppe der Heimhilfen eingeführt. Wir in Telfs haben das schon vorhergesehen und uns vorzeitig darum gekümmert, damals mit eigenem Geld. Das wirkt sich jetzt positiv aus. Es gibt Mitarbeiterinnen, denen gefällt die Arbeit mit unseren Bewohner/innen. Zwei Heimhilfen, die wir bereits ausgebildet haben, führen die Ausbildung weiter zur Pflegeassistenz."

So füllen die Altenwohnheime in Telfs und Seefeld Personallücken frühzeitig und aus eigener Kraft, was in vielen anderen Altenwohnheimen nicht der Fall ist.

Matthias Kaufmann und Daria Wascher managen den Betrieb.
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Tirol jammert auf hohem Niveau

Eine aktuelle österreichweite Erhebung des Rechnungshofes zeigt Auswirkungen aufgrund der Unterschiede bei den Pflegesystemen. Die Tiroler jammern hier auf sehr hohem Niveau, so Kaufmann: "Tirol hat einen relativ hohen Personalstand im Vergleich zu anderen Bundesländern. Während bei uns in Tirol 51 MitarbeiterInnen 90 Pflegebetten zur Verfügung stehen, kommt man in Kärnten auf nur 37 MitarbeiterInnen bei gleichen Pflegeminuten. Das bedeutet: Wir können eine sehr hohe Betreuungsqualität bieten, während woanders die Kapazitäten noch begrenzter sind." Im Burgenland ist es sogar nur halb so viel Personal für die gleiche Betten-Anzahl.

Schule für Sozialbetreuungsberufe

In den drei Altenwohnheimen in Telfs und Seefeld blickt man weiter voraus, den Standard zu halten und zu verbessern. Dafür wird eine Außenstelle/Expositur der "Schule für Sozialbetreuungsberufe" (SOB) in Telfs eingerichtet, die Zertifizierung/Genehmigung steht noch aus. Damit wäre Telfs der Standort im Oberland. In Innsbruck und im Unterland ist man hier bereits abgedeckt. "In Schlichtling haben wir einen geeigneten Saal zur Verfügung, wo pro Gruppe 20 Personen ausgebildet werden können. Wunsch wäre vom Start weg zwei Gruppen", so Kaufmann. "Es wird jetzt schon beworben, wir hoffen auf großes Interesse, damit wir auch in Zukunft genug Pflegepersonal zur Verfügung haben."
Die Auszubildenden können dann Vorort in den Heimen des Verbandes ihre Praktika absolvieren. Auch sind wir gerade dabei, in jedem unserer Häuser Mentoren/Praxisanleiter auszubilden, um die Praktikanten professionell und strukturiert begleiten zu können.
Im Februar 2023 soll der Startschuss erfolgen (voraussichtlich 5 Semester, 2 Tage die Woche).
Interessenten/innen
können sich bei Pflegedirektorin Daria Wascher melden, Tel. 05262/62145-502 bzw. Mail: daria.wascher@telfs.gv.at
Kaufmann:

"Wir freuen uns jedes Mal, wenn sich ehemalige MitarbeiterInnen, die Erfahrungen in anderen Bereichen wie der Klinik oder anderen Heimen gesammelt haben, wieder bei uns bewerben und ihre neu gewonnene Expertise einbringen. Auch WiedereinsteigerInnen sind herzlich willkommen."

System muss sich ändern

Damit ist das Problem der Diplom-Kräfte aber noch nicht behoben, dieses ist ein bundesweites, erklärt Kaufmann: "Die Bundesregierung hat den akademischen Grad eingeführt und nicht daran gedacht, dass sie damit enormen Personalnotstand in diesem Bereich verursacht hat."
Auch das AZW in Innsbruck bildet Pflegepersonal aus, doch hier ist bereits das Niveau bei der Aufnahmeprüfung derart hoch, dass die Drop-Out-Quote entsprechend hoch ist, meint Kaufmann, und viele potentielle Kandidaten/innen schon hier scheitern. Am Ende fallen diese aus dem System raus. Auch wenn Klassen aufgrund zu geringer Anmeldungen gar nicht zustande kommen, stellt ein enormes Problem dar, erklärt Kaufmann: "Die meisten Absolvent/innen gehen zudem in die Klinik anstatt in die Altenpflege."
So kann man nur hoffen, dass hier die Politik wieder die Hebel in Bewegung bringt und das System repariert, so Kaufmann: "Denn es betrifft am Ende uns alle."

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