"Sündige" Tiroler Volksschauspiele 2023
Willkommen im Tollhaus der 7 Todsünden - Volkstheater für Alle und "sehr geil"

Wenn die VÖLLEREI zum leibhaftigen Ende führt, kann nicht einmal mehr eine Göttin helfen. Grandios: Klaus Rohrmoser und Lisa Hörtnagl.
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  • Wenn die VÖLLEREI zum leibhaftigen Ende führt, kann nicht einmal mehr eine Göttin helfen. Grandios: Klaus Rohrmoser und Lisa Hörtnagl.
  • hochgeladen von Sabine Schletterer

Der heurige Tiroler-Volksschauspiele-Sommer zündet seit der fulminanten  Premiere am Donnerstag mit den „7 Todsünden“  ein (Volks)Theater-Feuerwerk. In sieben Kurzstücken geben sich außergewöhnliche Autoren mit neuen Gedanken und auf neuen Wegen schriftlich den Todsünden hin, und ein brillantes Schauspiel-, Musik-, Tanz- und Bühnenteam setzt die geschriebenen Worte grandios um.

TELFS (bine). "Sünde legt die Finger auf die fünf Sinne des Menschen." (Aus Afrika) Und die Tiroler Volksschauspiele legen in der 41. Saison ihren (Theater)Finger auf die "7 Todsünden". Es ist ein "wollüstiges Projekt", wie Intendant Gregor Bloéb bei der Preview am Donnerstag verlauten ließ. GIERig stiert man also auf eine für das Schauspiel und natürlich für die Zuseher bestens durchdachte Bühne (Volker Hintermeier), die viel zeigt und doch das Richtige verdeckt. Gebannt verfolgt man im Prolog (Johannes Schmidl, Hubert Sauper)  den HOCHMUTigen Talk zwischen den Protagonisten des Abends und fühlt sich tendenziell zu der durch und durch Menschenrechtsaktivisten Frau Letzt und zum "letzten Cowboy, der mit dem Wolf tanzt", Jeff Kanter hingezogen, als zu Herr "ich lebe für das Verlegen von Landminen" Eglitz. Obwohl..."tun nicht nur alle so als ob und wollen schlussendlich nur Sex?" Und danach kommt der Fall? Nach dem HOCHMUT oder? Kommt für einen Narzissten überhaupt jemals der Fall? Oder lacht er nur über das "Fußvolk" und "ihr scheißlangweiliges Leben" und macht daraus einen Comedy-Abend? Autor Calle Fuhr lässt den selbstverliebten Bert den Beweis antreten. 

Gegen ihren Leib-Eigentümer antreten möchte auch das ICH, weil "der Hund der TRÄGHEIT" liegt in ihm begraben, und "das Mitansehen hat das ICH unansehnlich gemacht". Das Herz soll "kein  Fenster mehr sein, aus dem man sich stürzen will" und auch kein Fenster, "mit Hinterglasmalerei". Die TRÄGHEIT soll zum Niemand werden und verzweifelt ruft der Gnom: "Ich dachte (mir schon), Du hasst mich!" "Das tue ich, aber mit einem S" flüstert sie und schreitet lila-trunken davon. "Es ist ein großer Unterschied, ob dein Leben in Muße oder in Trägheit hingeht.“ (Lucius Annaeus Seneca) Helena Adler stellt den theatralischen Beweis.

„Der Reichtum gleicht dem Seewasser: Je mehr man davon trinkt, desto durstiger wird man.“ (Arthur Schopenhauer) Und je weniger man bereit ist, zu teilen, desto weniger kehrt zu einem zurück. Und dann kann man sich überlegen, ob man den Parasol oder Pfifferling noch "um 2,99 hergibt oder den Walschen lässt". Felix Mitterer kehrt zurück nach Telfs und zwar in üblicher (Dialekt)Manier mit Weitblick und Gesellschaftskritik zur Todsünde HABGIER.

Gesellschaftskritisch und anklagend nimmt sich auch Lisa Wentz einer Todsünde an. Nemesis, die Göttin des gerechten Zorns, tritt anmutig in Erscheinung, um zu zeigen, wie es ist, sich dem ZORN hinzugeben, weil man die Scham oder besser gesagt seinen treuesten Begleiter Aidos verloren hat. Denn "wenn man einen Menschen liebt, wie überlebt es das eigene Herz, wenn demjenigen was passiert?" Und wie überlebt man es selbst, wenn einem etwas passiert? Zorn wird dann wohl der treueste Begleiter.

Zornig wird auch die WOLLUST, wenn sie nicht befriedigt wird, da wird das Verlangen groß, gefällt einem am besten glitzerig und führt in die Katakomben der Lust, die so schwarz sind, "wie die Farbe des Meisters". Dank David Schalko und einer finster-funkelnde Dramatisierung von Hirsch/Bloéb wird dieses Stück heiß, verrucht, lüstern und ein bisschen Country.

„..denn die Säufer und Schlemmer verarmen...“, sagt die Bibel, das merkt auch der Moderator
und für diese Information braucht er nicht einmal die Göttin, die ihm die VÖLLEREI aber gerne unter die Nase reibt. Jene Nase, die sich bewusst wird, dass hier jemand am Müllberg seines Lebens steht, im gesoffenen Alkohol ertrinkend und von Unmengen an Schnee umgeben, "welcher für eine ganze Ischgl-Saison reichen würde". Und nachdem "das Gasthaus zu Sünde wegen Überfüllung geschlossen ist", muss wohl der Tod der Barmherzige sein. Eine göttlich Inszenierung von Uli Brée, die nur den NEID erblassen lässt, aber nur, weil der die Farbe rot erst in Szene setzten muss.
Virtuos vertanzt Marie Stockhausen mit ihren TänerzInnen eine Todsünde, die man wohl eben am allerbesten tanzend erklärt. Wer braucht schon Worte, wenn man den NEID ästhetisch, springend, kriechend, schreiend und voller Hingabe poetisch und sündhaft gut nur mit Körpern erklären kann?
Der Applaus war tobend und nicht endend wollend, die Unterhaltung war für ALLE, ein sündiges Schauspiel für JEDERMANN und mit Göttinnen-Worten zusammengefasst: "Sehr geil"!

Link zum  Premiere-Bericht

Volksschauspiele-Team:
Regie: Gregor Bloéb; 
Bühne, Lichtdesign: Volker Hintermeier
Kostüme: Lane Schäfer
Musik: Matthias Jakisič
Choreografie: Marie Stockhausen
Dramaturgie: Florian Hirsch
Mit: Gerti Drassl, Olivia Grigolli, Lisa Hörtnagl, Marlene Markt, Iris Schmid, Bernhard Bettermann, Klaus Rohrmoser, Gerald Votava, Heinz Weixelbraun
Tänzer:innen: Sonja Maria Schwaiger, Paulo Alberto dos Santos, Gustavo de Oliveira dos Santos, Marie Stockhausen
Musiker: Matthias Jakisič, Bernhard Locker, Wolfi Rainer, Alexander Slavik

Tickets: ticket@volksschauspiele.at oder +43 676 83038753 (Mo – Fr, 14 – 18 Uhr | Sa, 9 – 13 Uhr).

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