Polit-Zündstoff
Autorin Gertraud Klemm denkt über Frauenpartei nach
"Frauen - das verwirrte Geschlecht": Unter diesem gesellschaftspolitisch zündenden Titel wurde in der Berndorfer Stadtbibliothek eine spannende Lesung veranstaltet. Keine Geringere als die aktuelle literarische Stimme des österreichischen Feminismus, Gertraud Klemm aus Baden/Pfaffstätten, war dabei Gast.
BERNDORF. Gertraud Klemm las aus ihrem jüngsten Roman Einzeller und ließ mit Überlegungen zum Thema Frauenpolitik aufhorchen. "Warum gibt es keine Frauenpartei, aber eine Bierpartei oder eine Autofahrerpartei?"
Klemm ortet in der Frauenpolitik einen dramatischen Stillstand, sogar Rückschritt und einen großen Rechtsruck. Eine Ursache dafür sind zahllose Diskussionen, in denen sich Feministinnen heute verlieren.
"Während sich weder bei der Lohnschere, unbezahlter Haus- und Pflegearbeit oder der Altersarmut bei den Frauen etwas geändert hat, zerstreiten sich die Frauen heute innerhalb der Frauenbewegung über Fragen wie Transfrauen, Sexarbeit oder Kopftuch."
Klemm will zwar die von ihr angedachte Frauenpartei nicht selbst gründen, glaubt aber, dass über das Thema "Mutterschaft" viele Frauen, die sich heute resigniert von der Politik abgewendet haben, in die Bewegung zurückzuholen wären. Denn:
"Es sind nun mal die biologischen Frauen, die die Kinder bekommen, und das könnte Macht bedeuten und müsste kein Nachteil sein."
Matriarchale Gesellschaften, mit denen Klemm sich derzeit beschäftigt, würden sich stets um die schwächsten Gesellschaftsmitglieder (und nicht rund um die Kapitalvermehrung herum) bilden. Männer würden dort ganz generell eine deutlich weniger dominante Rolle spielen und die "freie Liebe" sei weit verbreitet.
Klemm beharrt aber auch darauf, dass das Wort "Frau" seine gesellschaftspolitische Bedeutung behalten muss, auch wenn es derzeit durch Begriffe aus der Trans-Bewegung wie Swerf, Terf und Flinta ergänzt oder gar "unterwandert" wird. Die Frauen müssten - so Klemm - sichtbar bleiben.
Anschließend an die Lesung, in der auch die einstige Obfrau der Berndorfer Kulturinitiative INK, Eva Woska-Nimmervoll, aus unveröffentlichten Texten las, wurde im Publikum noch intensiv weiterdiskutiert, unter anderem auch darüber, ob All Gender-WCs eine praktische Lösung für eine geschlechtervielfältige Gesellschaft wären. Denn es zeigt sich jedenfalls: Die neue gesellschaftspolitische Debatte wirft auch viele "handfeste" Alltagsfragen auf. Im Publikum war auch die aktuelle Obfrau von INK, Regina Totz, die Leiterin der Stadtbibliothek Berndorf, Karin Baldrian und Kulturstadträtin Helga Hejduk.
Zur Sache
Swerf = Sex Work Exclusionary Radical Feminism
Terf = Trans Exclusionary Radical Feminism
Also zwei Begriffe, die Sexarbeitende und Transpersonen ausschließen.
Flinta* = ein Begriff, der Frauen, Lesben, intergeschlechtliche, nichtbinäre, trans und agender-Personen auf einer Ebene einschließt. Das Sternchen (Asterisk) schließt zusätzlich alle nicht-binären Geschlechtsidentitäten ein, von denen es bekanntlich schon über 70 gibt.
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