DSGVO
Massenhaft Abmahnungen wegen Google Fonts

Der Schadenersatzanspruch bei der Verwendung von Google Fonts auf Webseiten wird begründet mit der unzulässigen Weitergabe der IP-Adresse an die U.S.A.  | Foto: TexBr_panthermedia
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  • Der Schadenersatzanspruch bei der Verwendung von Google Fonts auf Webseiten wird begründet mit der unzulässigen Weitergabe der IP-Adresse an die U.S.A.
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Ein niederösterreichischer Rechtsanwalt verschickte Abmahnungen an Firmen wegen DSGVO-widriger Verwendung von Google Fonts auf Unternehmens-Websites. Gegen eine Bezahlung von 190 Euro bot er einen Vergleich an. Hier den Sand in den Kopf zu stecken ist eine schlechte Variante. Rechtlich gesehen muss einer Abmahnung Beachtung geschenkt und Fristen eingehalten werden.

WELS. Der Schadenersatzanspruch bei der Verwendung von Google Fonts auf Webseiten wird begründet mit der unzulässigen Weitergabe der IP Adresse an die U.S.A. Anfang 2022 sprach das Landesgericht München einer Userin einen Schadenersatz in Höhe von 100 Euro zu. „Österreichische Entscheidungen in dieser Sache gibt es noch nicht. Es besteht von der Wirtschaftskammer jedoch das Bestreben, ein Musterverfahren aufzunehmen“ so Thomas Brindl, Leiter WKO Bezirksstelle Wels. Sein Rat an betroffene Unternehmen: „Genaue Prüfung, ob und wie Google Fonts verwendet werden. Je nachdem, inwieweit dies der Fall ist, sollte jedenfalls innerhalb der gesetzten Frist reagiert werden“. In einem Schreiben an WKO-Mitglieder wurden dabei sowohl Musterschreiben als auch Textbausteine verschickt. „Sollte hier ein Mitglied darüber hinaus unsere Hilfe benötigen, stehen wir natürlich jederzeit zur Seite“, so Brindl. Im Service-Center der WKOÖ sind dabei in den letzten Tagen mehrere hundert Anfragen eingegangen.

„Unsere Rechtsexperten sind permanent im Einsatz, um unsere Mitglieder in dieser Angelegenheit mit Rat und Tat zu unterstützen“, so Thomas Brindl.

Er rät: „Unabhängig davon, ob bereits ein Abmahnschreiben ergangen ist, sollten Unternehmen, die eine Website betreiben, den Einsatz von Google Fonts auf seine Rechtskonformität prüfen“.

Schreiben ernst nehmen

Rechtsanwalt Michael M. Pachinger von Saxinger, Chalupsky & Partner Rechtsanwälte betont: „Aus rechtlicher Sicht ist wichtig, das Schreiben ernst zu nehmen. Mit der Abmahnung sind Fristen in Gang gesetzt, welche zu berücksichtigen, aber unter Umständen auch verlängerbar sind. Daher ist anzuraten, einen Experten zu kontaktieren. Auf Basis einer notwendigen technischen Prüfung und Klärung, ob Google Fonts überhaupt eingesetzt wurde und wenn ja, wie, sollte dann die weitere Vorgangsweise abgestimmt werden.“ Der Fachmann empfiehlt:

„Nicht zahlen, sondern die Vorgangsweise mit einem Experten abstimmen. Wir spezialisierte Anwälte stehen zur Verfügung.“

Wer seine Website mit einem Baukasten-System, wie etwa wix.com, selbst erstellt hat, ist laut Pachinger datenschutzrechtlich in der Pflicht.

„Website-Betreiber müssen dafür sorgen, dass personenbezogene Daten, welche über die Website verarbeitet werden, dem aktuellen Datenschutzrecht entsprechen. In ihrer Verantwortung liegt es auch, geeignete Dienstleister – IT, Marketing, Technik – zu engagieren und sich gegebenenfalls die Rechtskonformität vertraglich zusichern zu lassen.“

Soweit bislang ersichtlich kann einzelnen Ansprüchen gegebenenfalls mit rechtlichen Argumenten auch entgegengetreten werden.

Abmahnung als Impuls

Arno Hochsteiner, Inhaber der Welser „Designkitchen“, hat wie so viele eine Abmahnung erhalten. Die Resonanz auf seinen Social-Media-Post dazu war enorm.

„Eigentlich war meine Botschaft: Locker bleiben und den Anlass als Chance nehmen, künftig besser zu werden“, erzählt der Spezialist für Markenentwicklung und Markenkommunikation. „Datenschutz ist für mich wie das Fahrtenbuch: Es ist eine Pflicht, die leider sein muss, aber die ich immer gerne aufschiebe“.

Aufgrund der Komplexität hat Hochsteiner irgendwann mit Anpassungswünschen seitens der Datenschutzbehörde gerechnet, aber nicht mit der Forderung eines Rechtsanwalts. „Ich setze Google Tools bewusst ein, da sie Unternehmen sichtbarer und bekannter machen. Das Regelwerk ist so schwer greifbar und umsetzbar - da braucht man sich nicht wundern, wenn es nicht angenommen und umgesetzt wird. Die Wichtigkeit von Datenschutz ist jedem klar, aber wird im Daily Business zurückgereiht.“ Für seine Werbeagentur war die Abmahnung ein Impuls, die bereits neu angelegte Homepage live zu schalten und auf DSGVO unbedenkliche Schriften umzustellen.

„Ich werde mir künftig genau überlegen, mit welchen Tools, ich künftig Projekte für meine Kunden die Familienunternehmen in Oberösterreich, umsetze“, so Arno Hochsteiner abschließend.

Sicherheitslücken schließen

Harald Maier-Kern, Inhaber von mK Kommunikationsdesign in Marchtrenk, war bereits Ende Juli über eine Anfrage mit Post des Rechtsanwalts konfrontiert und hat auch umgehend Kontakt zu ihm aufgenommen, um die Situation zu klären. Inzwischen häufen sich die Fälle von Websitebesitzern, denen eine Abmahnung ins Haus geflattert ist.

„Außer, dass er ein Geschäftsmodell daraus entwickelt hat, hat der Rechtsanwalt in der Sache recht. Sobald der Verdacht besteht, es könnten personenbezogene Daten gespeichert werden – dazu zählt auch eine IP Adresse, ist in der DSGVO das Recht auf Auskunft festgeschrieben. Kleinbetriebe sind damit jedoch völlig überfordert“, weiß Maier-Kern.

Der ehemalige Geschäftsführer eines Internetproviders ist seit 1996 in der IT-Branche tätig. Ihn beunruhigt weniger die aktuelle Abmahnungswelle wegen Google Fonts, sondern eher die generelle Sorglosigkeit von Website-Betreibern. „Laut DSGVO muss der Betreiber zu jeder Zeit Maßnahmen treffen, um die technische Sicherheit der Website zu garantieren. Demnach muss die Website-Software auf dem aktuellen Stand gehalten werden. Wenn Schadsoftware durch Sicherheitslücken Probleme macht, steht eine Haftungsfrage im Raum“, so Maier-Kern. Das bedeutet, dass DSGVO- und Sicherheitsstandards ständig der aktuellen Rechtsprechung angepasst sein müssen. Im Gespräch mit ihm wird eines deutlich: Das Thema ist sehr komplex und für Laien schwer verständlich und kaum zu überblicken. „Damit sich der Website-Betreiber keine Gedanken machen muss, biete ich zu jedem Projekt einen Wartungsvertrag an“, so der erfahrene IT-Profi. Ob Website-Betreiber aus ihren Verträgen Regress-Ansprüche an IT-Dienstleister geltend machen können, lässt sich nicht pauschal beantworten, sondern muss individuell auf Basis der Vertragsbedingungen geprüft werden. Für Harald Maier-Kern ist Google Analytics ein viel heikleres Thema als Google Fonts. „Hier wird nicht nur die IP-Adresse, sondern in Folge Informationen über das Surfverhalten, demographische und geografische Daten und vieles mehr an Google U.S.A. ausgeliefert beziehungsweise dort gemäß 'BigData' verknüpft. Solange hier der Cookie Reminder nicht akzeptiert ist, dürfen auf keinen Fall Daten in die USA gesendet werden. Denn sonst können Verstöße teuer werden“, warnt der Experte.

Zur Sache

Die WKO stellt auf ihrer Homepage wko.at unter „Service-Wirtschaftsrecht-Gewerberecht“ verschiedene Musterschreiben zur Verfügung. Hier gibt es auch eine Checkliste für betroffene Unternehmen, welche Schritte zu setzen sind. Ein Link auf das UBIT-Firmen-AZ hilft bei der Suche nach spezialisierten Beratern. Das Servicecenter der WKO steht per E-Mail an service@wkooe.at oder telefonisch unter der Nummer 05/90909 für Auskünfte rund um Google Fonts, aber auch alle weiteren datenschutzrelevanten Fragen zur Verfügung. Im Internet, etwa auf wko.at, finden sich Informationen rund um die geltende DSGVO. Die checkliste.mirkoschubert.de/ – eine Open Source Checkliste für Webdesigner und -entwickler, informiert im Detail darüber, welche relevanten Aufgaben nach aktuell geltendem Recht notwendig sind.

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