Sellraintal
Dramatische (Unwetter-)Momente auf der Alm in Lüsens

Dietmar Holzknecht zeigt die "Hochwassermarke" im Stall – er selbst, Schweine und Ziegen blieben glücklicherweise unversehrt. | Foto: Hassl
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  • Dietmar Holzknecht zeigt die "Hochwassermarke" im Stall – er selbst, Schweine und Ziegen blieben glücklicherweise unversehrt.
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In jener Unwetternacht, in der es im Stubaital arge Verwüstungen und auch ein Todesopfer gab, spielten sich auch in Lüsens im Sellraintal dramatische Momente ab!

Dietmar und Melanie Holzknecht
aus Grinzens bewirtschaften auch heuer wieder die Alm in Lüsens. Unmittelbar am Gebäude fließt die Melach vorbei. Bei gutem Wetter bietet sich ein idyllisches Bild – in der Vorwoche änderte sich die Situation allerdings weniger Augenblicke.

Melach als Wildbach

Am frühen Abend nahm das Almleben noch seinen Lauf. Die Kühe wurden im Stall gemolken und anschließend wieder auf die Weide geschickt. Eine Gewitterfront zog auf, es begann zu regnen. "Um ca. 21 Uhr war das Bachbett noch sichtbar", erzählt Melanie Holzknecht. Ehemann Dietmar war indes bereits aufmerksam und beobachtete das mächtige Bergmassiv des Lüsener Fernerkogels. "Ich habe gesehen, dass viel Wasser herunterkommt. Zu diesem Zeitpunkt war aber noch alles relativ normal."
Dieser Zustand sollte sich ändern – und es gab auch einen "Warnhinweis". Etwas oberhalb das Gebäudes ist ein großer Stein im Bach. Solange dieser sichtbar ist, droht nur wenig Gefahr. Plötzlich war der Stein in den Wassermassen verschwunden und dann ist es auch schon losgegangen. Das Gewässer verwandelte sich in einen reißenden Wildbach und trat unmittelbar vor dem Almgebäude über die Ufer.

Dieses Bild vermittelt einen Eindruck der Geschehnisse in der Unwetternacht. | Foto: Hassl
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Rettung in größter Gefahr

"Ich bin sofort ins Schlafzimmer unserer beiden kleinen Töchter gelaufen und habe sie aus den Betten geholt", schildert Melanie die nun folgenden Momente. "Dann bin ich mit ihnen aus dem Haus gerannt und wollte sie zur oberhalb gelegenen Jagdhütte bringen. Allerdings war die Orientierung im Dunklen und im bereits hohen Wasser schwierig. Schließlich erreichte ich mit den Kindern den Zaun. Während ich eines der Mädchen darüber hinweg gehoben habe, stand die andere neben mir. Plötzlich drohte sie mitgerissen zu werden – es ging alles so schnell." Diese lebensgefährliche Situation erfasste der auf der Alm anwesende Cousin von Dietmar Holzknecht. Dominik Vindl war zur Stelle, reagierte schnell und brachte sowohl das in unmittelbarer Gefahr schwebende 5-jährige Mädchen als auch alle anderen in Sicherheit.

Wassereinbruch im Stall

Während  Frau und Kinder die Hütte erreichten, befand sich Dietmar Holzknecht in akuter Gefahr. Er rannte in den Stall, in dem noch eine Kuh, Ziegen und Schweine waren. Der Wassereintritt zwang ihn schließlich zur Flucht. Der Versuch, die hintere Tür zu öffnen, scheiterte, weil diese nach innen aufgeht und der Wasserdruck bereits zu hoch war, um sie gegen die Strömung zu öffnen. Ihm blieb nicht anderes übrig, als selbst einen Unterstand zu suchen, der sich zum Glück letztlich als sicher erwies.

Schnelle Hilfe

In der Zwischenzeit griff Melanie zum Handy, wählte den Notruf und fand in der Leitstelle Tirol sofort kompetente Hilfe. "Ich habe dem Bearbeiter die Situation geschildert. Nach 21 Minuten waren die ersten Feuerwehrmänner zur Stelle und in dieser Zeit war ich ständig mit ihm in Verbindung. Er hat mich beruhigt und über die Maßnahmen informiert – es war ein gutes Gefühl, in dieser Situation nicht allein zu sein."
Dietmar Holzknechts Sorge galt – nachdem er die Familie in Sicherheit wusste – bei Nachlassen des Starkregens dem Tierbestand – und man darf es zusammenfassen. Keines der Tiere wurde verletzt oder getötet.
Apropos Tiere: Dass diese geraume Zeit vor dem Unwetter merklich unruhiger als sonst waren – und sich auch der Familienhund entgegen sonstigen Verhaltens unter der Eckbank in der Stube verkrochen hat – wurde erst im Nachhinein bei einer Aufarbeitung registriert.

Herzlicher Dank

Angesichts der Verwüstungen drohte am nächsten Tag sogar ein vorzeitiges Ende des Almsommers. Was dann geschah, fassen Melanie und Dietmar Holzknecht zusammen: "Die Feuerwehrmänner aus St. Sigmund und Gries waren nicht nur in der Nacht schnell zur Stelle, sondern packten auch bei den Aufräumarbeiten mit an. Verwandte, Bekannte und viele freiwillige Helfer sorgten dafür, dass es bereits wenig später ganz anders ausgesehen hat. Allen, die uns so schnell und effizient geholfen und dazu beigetragen haben, dass wir auf der Alm bleiben können, gilt unser herzlicher Dank."

Bgm. Toni Schiffmann (re.) berät mit den Experten des Landes Tirol die weiteren Schutzmaßnahmen. | Foto: Hassl
  • Bgm. Toni Schiffmann (re.) berät mit den Experten des Landes Tirol die weiteren Schutzmaßnahmen.
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Maßnahmen

Talauswärts sind die Spuren des Hochwassers in den flachen Wiesen deutlich zu sehen. Diese "Auslaufzonen" sorgten allerdings auch für eine Beruhigung – die Orte Gries und Sellrain waren nicht mehr betroffen. Dass es in unmittelbarer Nähe des Bachs zu solchen Situationen kommt, ist natürlich nie ganz auszuschließen. Vorkehrungen zur Gefahrenminimierung in diesem Bereich müssen aber ergriffen werden, stellt der St. Sigmunder Bürgermeister Toni Schiffmann klar. "In erster Linie sind wir sehr froh, dass weder Menschen noch Tiere zu Schaden gekommen sind. Vorerst gilt es jetzt, die Gebäude so gut als möglich zu sichern. Die Arbeiten sind in vollem Gange. In Zusammenarbeit mit den Experten der zuständigen Stellen des Landes Tirol werden wir die Planungen über zu treffende Maßnahmen erstellen."

Lesen Sie auch diesen Bericht über das "Almleben in Lüsens":

Almleben in der heutigen Zeit

www.meinbezirk.at/westliches-mittelgebirge

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