Polit-Stratege spricht von"PR-Desaster"
Kurz verteidigt seinen Besuch im Kleinwalsertal

- Gemeinsamer Besuch des Walserschanz-Grenzüberganges im Kleinwalsertal an Staatsgrenze zu Deutschland (Bundeskanzler Sebastian Kurz (li.) und Landeshauptmann Markus Wallner (Bildmitte) beim Pressetermin)
- Foto: Dragan Tatic/BKA
- hochgeladen von Christian Marold
Nach dem umstrittenen Besuch von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) im Vorarlberger Kleinwalsertal ohne Maske hagelte es Kritik, weil die Menschen viel zu wenig Abstand gehalten hätten. Kurz selbst sprach in einem Statement nicht von "Fehler".
ÖSTERREICH. Hintergrund des Besuchs war die Freude über die angekündigte Grenzöffnung zu Deutschland. Doch der Besuch entpuppte sich als "PR-Desaster", wie Polit-Stratege Thomas Hofer im ORF die Kurz-Visite bezeichnete. Weder trugen Kurz und seine Begleiter einen Mund-Nasenschutz, noch wurde der erforderliche Sicherheitsabstand von der ihm zujubelnden Menge eingehalten. Auch die Menschen, die den Gast begrüßten, waren fast alle ohne Schutzmasken auf der Straße, wie Bilder zeigen.
Aus dem Kanzleramt hieß es in einem ersten Statement, dass man sich bereits im Vorfeld und beim Besuch um die Einhaltung des Mindestabstands bemüht habe. Diese Aussagen beweisen auch Aufforderungen des Kanzlers, doch bitte Abstand zu wahren. Dieser Aufforderung sei von Bewohnern und Medienvertretern "leider nicht nachgegangen" worden.
"Gewisse Dinge kann man nicht planen"
Kurz verteidigte sich dann am Donnerstagabend in der ZiB2 damit, dass man versucht habe, sich gut auf den Besuch im Kleinwalsertal vorzubereiten. Aber: „Gewisse Dinge kann man nicht planen“. Aber man müsse auch bedenken, dass die Menschen im Kleinwalsertal „besonders gelitten“ hätten und „de facto zehn Wochen“ von der Außenwelt abgeschnitten gewesen seien. „Es gab eine große Traube an Journalisten. Ich habe sie aufgefordert, Abstand zu halten“, sagte Kurz. Bei manchen habe es geklappt, bei anderen weniger. Auch sein Sicherheitsteam habe versucht, die Menge um mehr Abstand zu bitten. „Die meisten Menschen waren respektvoll“, hätten zwar den Abstand zum ihm, Kurz, gehalten, aber nicht untereinander, erklärte der Kanzler.
Die Gemeinde hatte zuvor die Bürger darauf hingewiesen, man aufgrund der Corona-Krise keine öffentliche Veranstaltung mit dem Kanzler plane. Geholfen habe das aber wenig. Zur Frage, warum nicht Polizisten vor Ort waren, um die Menschentraube aufzulösen, sagte Kurz: „Wir leben im kleinen Österreich. Das ist ein sicheres Land. Ich reise nicht wie die deutsche Bundeskanzlerin (Angela Merkel, Anm.) mit Polizeikonvois durchs Land.“ Manchmal seien zwei Beamte der Cobra anwesend, wie auch im Kleinwalsertal. Auch sie hätten den Kanzler bei seinem Bemühen, um Abstand zu bitten, unterstützt.
Man solle auch daran denken, dass es derzeit keine strikten Ausgangsbeschränkungen mehr gebe. „Es ist erlaubt, wieder rauszugehen“, so Kurz, der auch an die Eigenverantwortung der Bürger und Bürgerinnen appellierte.
Strengere Regeln für Termine geplant
Nach dem Termin im Kleinwalsertal will das Bundeskanzleramt bei den Bundesländertagen mit einem neuen Sicherheitskonzept vorgehen, bei dem strenge Verhaltensregeln unter Beisein der Polizei eingehalten werden müssen. Weder werde man die genauen Ankunftszeiten preisgeben, noch freien Eintritt bei Terminen im Inneren von Gebäuden zulassen. Für den „Austausch mit der Bevölkerung“ werden der Kanzler, Minister und Ministerinnen Sprechstunden in den Bundesländern abhalten.
Kritik von der Opposition
Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) wollte sich zu den Bildern aus dem Kleinwalsertal nicht äußern. „Was man gestern gesehen hat, entbehrt jeglicher Ernsthaftigkeit und jeglichen Verantwortungsbewusstseins“, kritisierte NEOS-Chefin Beate Meinl-Reisinger. Tausende Künstler dürften nicht im Freien auftreten und würden um ihre Existenz bangen, während sich Kurz inszeniere. Sie erwartet sich eine Entschuldigung von Kurz und Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP). Die NEOS wollen eine Klage gegen Kurz einzureichen.
Heftige Kritik kam auch von der SPÖ. Kurz stehe nicht über dem Gesetz, so SPÖ-Vizeklubchef Jörg Leichtfried in einer Aussendung, der ebenfalls die Strafen anführte, die es für das Nichteinhalten von Abstandsregeln seit Wochen gebe. Tausende Menschen müssten zudem den ganzen Tag mit Atemschutz arbeiten. Leichtfried sah eine „Verhöhnung“ der Bevölkerung sowie der Hunderttausenden Arbeitslosen und Tausenden Unternehmen, die vor existenzbedrohenden Situationen stehen.
Auch die FPÖ kritisierte den fehlenden Mindestabstand und Masken. Kurz führe seine eigenen Regeln ad absurdum, so FPÖ-Klubobmann Herbert Kickl am Donnerstag. Lege man die Maßstäbe von Kurz und von Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) an, sei der Bundeskanzler „eindeutig ein ‚Lebensgefährder‘“. Die neue Normalität, also der Ausnahmezustand, den der ÖVP-Kanzler den Österreichern zumute, gelte für ihn selbst offenbar nicht, so Kickl.


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