ORF-Diskussion
Rendi-Wagner: Schulschließung hält Frauen von Arbeit ab
Kleinere Geschäfte und Baumärkte sperrten wieder auf, Sport ist bald wieder gestattet, Schulen und Kindergärten bleiben aber weiter zu. In der ORF-Sendung "Im Zentrum" verteidigte SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner die Position ihres Bundesgeschäftsführers Oskar Deutsch, der meinte, dass es Absicht der ÖVP sei, Mütter nach Hause zu verbannen.
ÖSTERREICH. Rendi Wagner erklärte, dass sie den "Shutdown" mitgetragen habe. Doch nun müsse man sich fragen, was das neue Etappenziel sei. Die Regierung habe keine klare Antwort darauf. Sie verwies auf Experten, die sagen, dass es möglicherweise solange dauern könnte, bis ein Impfstoff vorhanden sei. Die Regierung müsse der Bevölkerung sagen, wie lange dieser Zustand noch anhalte.
"Frauen in Rollenbilder der 50er Jahre zurückgedrängt"
Es sei nicht normal, dass Frauen in die Rollenbilder der 50er Jahre zurückgedrängt werden. "Vergessen wir auf diesem Weg nicht die Kinder, die den Kontakt in den letzten Wochen verloren haben. Und auch die älteren Menschen, die ihre Enkel nicht mehr sehen konnten. Wir brauchen einen Diskurs über die neuen Rahmenbedinungen dieses Weges. Es kann nicht sein, dass die Regierung das verordnet. Die Akutphase ist vorbei".
Österreich sei bei den Entwicklungen mit Deutschland vergleichbar. Dort würde man Schulen Anfang Mai öffnen, wie auch in Dänemark. "Ich verstehe nicht, dass in den letzten zwei Wochen über die Öffnung von Baumärkten oder Tennisplätzen gesprochen wurde, nicht aber über die Öffnung von Schulen. Wir brauchen dringend einen Plan über eine vorsichtige, schrittweise Öffnung", so Rendi-Wagner. Etwa zeitlich gestaffelte Öffnungszeiten der Schule. Das wäre eine Entlastung für Familien und Mütter, die dann wieder arbeiten gehen könnten. "Wenn die Regierung drastische Gründe hat, warum sie die Schulen nicht unter Sicherheitsvorkehrungen die Schulen aufsperren, solle sie die Gründe nennen", forderte die SPÖ-Chefin die Regierung auf.
Allgemeinmediziner kritisiert fehlende Tests an Schulen
Man solle Schulen öffnen, weil Schulkinder spielen in der Verbreitung des Virus keine Rolle, sagte Andreas Sönnichsen, Leiter der Allgemeinabteilung der MedUniversität Wien. Jedenfalls sei das nicht belegt. Nur zwei Prozent der Infizierten seien Kinder im Schulalter. Das sei keine herausragende Gruppe, auf die Infektionen weitergegeben wurden. Die Verbreitung habe sich über Massenveranstaltungen ausgebreitet. Schulen hätten keine Rolle gespielt. Man habe Schulen geschlossen, ohne Messungen durchzuführen. Mit Temperatur-Messungen und Abstrichen könne man lokal reagieren. "Wir haben über 150.000 Messungen durchgeführt", so Sönnichsen. Die Daten stünden aber nicht zur Verfügung. Man wisse nicht, welche Gruppen getestet wurden. "Es passieren Dinge, die nicht evidenzbasiert sind", so der Vorstand.
Helmut Fickenscher von der deutschen Vereinigung gegen Verbreitung der Virenkrankheiten, sagte, dass sich Epidemien sich normalerweise über Kinder besonders gut verbreiten, was bei diesem Virus nicht der Fall sei. Die Maßnahmen seien unter dem Aspekt zu sehen, dass Kinder möglicherweise als Verbreiter des Virus gelten würden, auch wenn man das noch nicht belegen könne.
Schweden als Vorbild für Österreich?
Quer durch Europa hat man sehr unterschiedliche Rezepte zur Eindämmung des Virus. In Dänemark haben Schulen und Kindergärten schon wieder offen, Norwegen sperrt nächste Woche wieder auf, und in Schweden baut man nur auf Empfehlungen – es gibt keine Verbote, keine Strafen, keine Maskenpflicht. In Deutschland werden Anfang Mai die Schulen wieder geöffnet.
Rendi-Wagner glaubt nicht, dass man das schwedische Modell auf Österreich übertragen könne, weil etwa die Bevölkerungsdichte in Schweden ganz anders sei. Zudem sei die Kultur im Bereich Gesundheit anders strukturiert, das Gesundheitswesen sei vom politischen System völlig entkoppelt. Auch gebe es in Schweden mehr Corona-Tote als in Österreich. Für Fickenscher hat der schwedische Weg durchaus etwas, was für uns künftig eine Lösung sein könnte. Was Österreich gemacht hat, habe dramatische Folgen auf die Wirtschaft sowie auch auf Gesundheit: Arbeitslosigkeit führe zu erhöhter Sterblichkeit. Das seien Kollateralschäden, die wir in Kauf genommen haben. "Das Corona-Virus bleibt uns ja, das ist nicht aus der Welt zu denken", so der Allgemeinmediziner. "Aber wie können wir eine Strategie fahren, die uns über die nächsten Jahre trägt"? Ein sich immer wieder wiederholender Lockdown sei kein passendes Zukunftsmodell.
Wirtschafts- und Sozialwissenschafterin Marita Haas erinnerte daran, dass Schweden seit vielen Jahren eine ganz andere Gendergerechtigkeit habe, als Österreich. Eltern würden die Erziehung partnerschaftlich gestalten, sodass auch Frauen am Erwerbsleben voll teilnehmen können. Würde man in Schweden ein Modell in Erwägung ziehen, dass Kinder zu Hause bleiben müssen, so wären alle Eltern betroffen.
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