Mit VIDEO: Der Liesinger Georg Schuh betreibt Wiens einziges Sägewerk in Atzgersdorf
Sein Geschäftsmodell: Altholz aus Wiener Dächern wird zu ungehobelten Schnittbrettern verarbeitet und vorwiegend exportiert.
WIEN. Biegt man von der Atzgersdorfer Straße zum Sägewerk Schuh ein, taucht man in eine andere Zeit. Den matschigen Lagerplatz überragen hunderte Holzstämme. In der Mitte parkt ein alter Lastwagen. Einer von der Sorte mit langer Motorhaube und runden Lichtern. Ob zuerst die grün-rostige Patina oder die überwältigende Holzbeladung den Lkw dahinraffen wird, ist nicht sicher. Kaum zu glauben, aber auf dem Holzplatz verrichtet er noch täglich seine Dienste.
Aus der sichtlich in die Jahre gekommenen Sägehalle vernimmt man ein monotones Geräusch. Was sich anhört wie eine rasende Dampflok, sind die fünf Sägeblätter aus Georg Schuhs Gattersäge, die sich mühsam durch einen vier Meter langen Baumstamm kämpfen. Das Besondere? Die Gattersäge zerteilt das Holz seit 1965, das geschnittene Holz selbst kann jedoch wesentlich älter sein. "Das Gatter rennt tagaus, tagein. Für jeden Baum, der bei uns durch die Sägeblätter läuft, kann im Wald einer stehen bleiben", sagt der letzte verbliebene Sägewerker Wiens, Georg Schuh.
Holz aus den Dächern
Die Idee dahinter: Schuh schneidet kein frisches Holz, sondern fast ausschließlich Altholz aus den Dachgeschoßen und Zwischendecken der Stadthäuser – so genannte Dübelbäume, vorwiegend halbrunde Träger, die bei Sanierungen eigentlich für den Hecksler freigegeben werden. Was als Stamm durch das Gatter läuft, kommt als zwei bis vier Zentimeter dickes Holzbrett wieder heraus. Ungehobelte Schnittbretter für den Innenausbau sind Schuhs Hauptprodukt. "Der Großteil wird nach Westösterreich und Mitteleuropa für den Alm- und Schihüttenbau transportiert", so der 45-Jährige. Aber auch in Wien werden immer mehr Bretterwände aus Altholz nachgefragt. Die Laufkundschaft habe sich in den vergangenen Jahren auch vergrößert. "Recycling ist in meiner Firma schon seit Jahrzehnten verankert. Aus alten Baustoffen wird etwas Neues, etwas Schönes."
Im Liesinger Sägewerk wird jedes Nebenprodukt verwertet. Beim Schneiden von Holzstämmen fallen Sägespäne und Schnittabfall an. Erstere werden an einen Reitstall als Einstreu verkauft, letztere zu Hackschnitzel verarbeitet und verheizt. Ganz selten schneidet Schuh auch Frischholz. Vorwiegend Obstbäume und Edelhölzer aus Wiener Gärten. "Wenn der alte Baum im Garten weg muss, wollen viele Kunden ein Möbelstück aus dem Holz haben. Wir schneiden den Stamm und liefern das Holz dann weiter an den Tischler."
57 Jahre ist es her, als der Großvater die Idee mit dem Stadtsägewerk hatte. "Sei doch nicht blöd", hat man zu ihm gesagt. Ein Sägewerk gehöre in den Wald. "Der Wald ist doch auch in der Stadt", antwortete der Großvater, man sehe ihn nur nicht. Mittlerweile zersägt Enkel Georg in dritter Generation die Dachhölzer. Mit der braunen Gattersäge und dem rostigen Lkw des Großvaters.
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