SUPERTRAMPS: Mit Robert auf Tour durch Landstraße und Simmering
Schlafplatz und Verpflegung: Selbst die grundlegenden Dinge des Lebens sind für Obdachlose oft mit enormen Aufwand verbunden.
LANDSTRASSE/SIMMERING. Müde sei er. Seit Montag der Schneefall einsetzte, habe Robert nur ein paar Stunden geschlafen. 18-Stunden-Schichten sind bei dem Wetter eben keine Seltenheit. Die Bezahlung: schlecht, gerade noch vorhanden. Aber das sei in Ordnung.
Vor rund eineinhalb Jahren musste Robert noch auf der Straße um Geld betteln, der Job im Winterdienst ist ein erster Schritt zurück in ein geregeltes Leben – ein Leben, wie er es einst schon hatte. Scheidung, Jobverlust und eine Pillensucht warfen ihn aus der Bahn.
Läufer oder Schläger
Seit knapp einem Jahr erzählt er im Rahmen von Stadtführungen des Vereins "Supertramps" seine Geschichte und gewährt Interessenten als Tourguide seinen ganz eigenen Einblick in das Wiener Stadtleben im 3. und 11. Bezirk. Nicht die klassischen Touristen-Hotspots, aber für Robert ganz besondere Orte.
"Manche Männer rennen weg, andere schlagen zu. Ich habe zugeschlagen", sagt der 41-Jährige unverblümt. Etwas, das er bis zum heutigen Tag bereut. Als ihn seine Frau betrogen hatte, begab sich der gelernte Geigenbauer in psychiatrische Behandlung. In weiterer Folge verlor er seinen Job und landete auf der Straße.
Erste Station VinziPort
Der VinziPort, eine Obdachloseneinrichtung am Rennweg, war damals seine erste Anlaufstelle, dort startet er heute auch seine "Supertramps"-Touren. Er stehe heute hier um den Menschen an seiner Lektion teilhaben zu lassen.
Danach schlug er unweit der Einrichtung sein Lager auf und lebte von da an in einem Unterschlupf, zusammengebastelt aus Planen und Seilen. Den Unterschlupf gibt es heute noch, nun bewohnt ihn ein Freund von ihm.
Direkt gegenüber befindet sich ein größerer Wohnkomplex. Manchmal seien Anrainer vorbeigekommen, haben etwas zu essen oder auch eine Dose Bier mitgebracht. Einer von ihnen, ein ORF-Mitarbeiter, habe ihm damals sogar ein Zelt geschenkt, sagt Robert stolz. Noch heute stehen die beiden in regelmäßigem Kontakt.
Hilfe beim Enkplatz
Weiter in Richtung Simmering hält Robert vor einem Penny-Markt entlang der Simmeringer Hauptstraße, hier habe er oft Kunden um etwas zu essen gefragt. "Das funktioniert besser als betteln", sagt Robert.
Seine letzten beiden Stationen, ein Internetcafé und eine Notschlafstelle am Enkplatz, sind ihm besonders ans Herz gewachsen. Mit Unterkunft, Verpflegung, psychiatrischer Betreuung und Hilfe bei der Jobsuche biete sich dort "eine Chance, um aus dem ganzen Schlamassel wieder herauszukommen".
Tourguide mit Herz und Seele
Mittlerweile lebt Robert im VinziBett in der Ottakringer Straße und fühlt sich dort pudelwohl – seiner Meinung nach ist die Einrichtung "ein Vorbild für alle anderen Notschlafstellen in Wien".
Für die Zukunft wünscht er sich einen unbefristeten Job und eine kleine Wohnung, um irgendwann seine dreijährige Tochter zu sich nach Wien holen zu können. Was die Zukunft auch bringen mag: Seine Rolle als Tourguide will er nicht aufgeben.
Hier geht es zur Supertramps-Reportage aus Ottakring und Hernals.
Zur Sache
"Supertramps" ist ein Sozialprojekt, das in Wien Stadtführungen organisiert, die von obdachlosen und ehemals obdachlosen Menschen geleitet werden. Aktuell werden fünf Touren durch den 2., 3., 6., 7., 11., 16. und 17. Bezirk angeboten. Kosten: 15 Euro. Nur mit Anmeldung: 0660/7734322 oder tickets@supertramps.at
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