Handeln statt Jammern
Digitaler Wandel: Die gravierenden Fehler der Verlagshäuser – und wie man der Vermarkter-Falle entgehen kann.
Es sind Wochen voller beunruhigender Nachrichten aus der Welt der klassischen Verlagshäuser: In Deutschland beantragt die „Münchner Abendzeitung“ Insolvenz, in Österreich die „Kärntner Tageszeitung“, und bei „Presse“ und „Standard“ werden wohl insgesamt rund 50 Journalisten ihren Arbeitsplatz verlieren. Neben vielen möglichen Gründen für diese dramatischen Entwicklungen taucht dieser Tage ein Argument immer wieder auf: Mit den digitalen Erlösen lasse sich eine bestimmte Form des Journalismus nicht mehr finanzieren.
Aber stimmt das wirklich? Und wenn ja, wie konnte das geschehen? Um das zu beantworten, muss man auf die Entstehungsjahre des Internets zurückblicken. Um die Jahrtausendwende, zum Höhepunkt der „Dotcom-Blase“, stürzten sich viele klassischen Verlage voller Elan auf die Möglichkeit, ihre Inhalte auch auf digitalem Wege zu verbreiten. Hier geschah der erste gravierende Fehler: Während es bei Kaufzeitungen üblich war, für gedruckte Texte Geld zu verlangen, wurden digitale Inhalte kostenlos zur Verfügung gestellt. An die Möglichkeit der Vermarktung digitaler Inhalte wurde anfangs zwar gedacht, aber dies endete zumeist euphoriebedingt in völlig unrealistischen Umsatz-Prognosen.
Und so folgte dieser Aufbruchsstimmung eine Phase völliger Ernüchterung, in der sogenannte „Vermarkter“ auf den Plan traten, die den nunmehr nicht mehr so euphorischen Verlagen große Umsätze versprachen und damit argumentierten, dass im Internet Größe das Entscheidende und daher die Vermarktung nur im Verbund sinnstiftend sei.
Immer noch enttäuscht von nicht erfüllten Erwartungen, nunmehr mit einer gewissen Ratlosigkeit belastet und angelockt von den teilweise massiven Umsatzversprechen, entschlossen sich viele Verlage, die Vermarktung ihrer Online-Werbeflächen an externe Unternehmen auszulagern – aus meiner Sicht der zweite fatale Fehler nach dem Verschenken der (auf Papier zu bezahlenden) Inhalte im Internet.
Es mutet im Nachhinein absurd an, dass viele Medienmanager (auch ich im Übrigen) einen ihrer Kernbereiche, nämlich den Verkauf von Werbeflächen, aus der Hand gegeben haben: Kein mir bekanntes Medienunternehmen kam zuvor je auf die Idee, den Verkauf von Print-Werbeflächen oder Beilagen/Prospekten zur Gänze an ein externes Unternehmen auszulagern.
Im Online-Bereich hatte diese Entwicklung gleich mehrere fatale Folgen: Unter dem Druck der internationalen Konkurrenz sanken die TKP-Preise in den Keller, die klassischen Medienunternehmen verloren völlig den Anschluss an ihre Kunden, und in den wenigsten Verkaufseinheiten klassischer Prägung wurde ernsthaft ein überlebenswichtiger Lernprozess in Gang gesetzt.
Gibt es einen Ausweg aus dieser verfahrenen Situation? Ich meine, ja. Dazu sind aber einige Schritte notwendig: Der erste Schritt ist, seine zur Verfügung stehenden Werbeflächen selbst zu vermarkten. Damit einhergehend, müssen wir uns wieder selbst mit unseren Kunden und deren Bedürfnissen auseinandersetzen und dürfen nicht zulassen, dass diese Kommunikation durch Zwischenhändler be- oder sogar verhindert wird.
Und dann sollten wir auf eine altbewährte „Verkaufstugend“ zurückgreifen, die viele Printmedien jahrzehntelang ausgezeichnet und groß gemacht hat: Geschichten ver- kaufen. Auch wenn uns das so mancher Vermarkter anders erklärt: Digitalverkauf ist mehr, als nur möglichst viele Klicks und Sichtungen zu einem möglichst guten TKP zu verkaufen. Es kann doch nicht völlig egal sein, in welchem Umfeld die Werbung des Kunden ausgespielt wird!
Das dies derzeit teilweise so gesehen wird, haben wir Content-Lieferanten wohl zum Großteil uns selbst zuzuschreiben, weil wir dieses Thema leichtfertig aus der Hand gaben. Aber ich glaube fest daran, dass es trotz gestiegener Transparenz-Anforderungen auf Kundenseite möglich ist, seine digitalen Produkte (egal, ob im Hintergrund Kauf- oder Gratismedien stehen) mit Charme, Begeisterung, Hingabe und Kompetenz zu verkaufen – wenn möglich, sogar cross-medial verknüpft mit klassischen Verlagsprodukten.
Aber dazu ist es als allererstes notwendig, die Vermarktung der eigenen Digital-Produkte selbst in die Hand zu nehmen.
(Dieser Beitrag erschien als Gastkommentar in der Medienzeitschrift "A3 Boom", Ausgabe 3-4/2014)
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