Prozess in Wien
Versuchter Mord missglückt wegen Kommunikationsfehler

- Am 1. April musste ein 29-Jähriger vor Gericht. Ihm wurde vorgeworfen, 2020 sich an einem versuchten Mord beteiligt zu haben.
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Am Dienstag musste ein Mann vor Gericht, der sich 2020 an einem missglückten Doppel-Auftragsmord beteiligt haben soll. Der Angeklagte sei Mitglied eines Balkan-Clans gewesen, die beiden geplanten Opfer angeblich Mitglieder eines gegnerischen Clans. Er wurde am Ende zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.
Aktualisiert am 3. April, um 10.29 Uhr
WIEN. Mehrere Justizbeamte in voller Montur betraten am Dienstagvormittag einen Saal des Wiener Landesgerichts. Hintergrund für das hohe Aufgebot war ein Prozess gegen ein vermeintliches Mitglied eines Balkan-Clans. Stefan K. soll 2020 in Wien an einem gescheiterten Mordversuch beteiligt gewesen sein.
Mit einem schwarzen langarmigen Shirt, einer beigefarbenen Hose und schwarzen Sneaker saß der 29-Jährige nun fünf Jahre später auf der Anklagebank. Trotz des Vorwurfs wirkte er kaum nervös, stellenweise blickte er in das Publikum und lächelte. Wem der Blick galt, blieb unklar.
K. bekannte sich als nicht schuldig, abseits davon äußerte sich der Anklagte in der Verhandlung jedoch nicht. Er wurde schließlich zu drei Jahren Haft verurteilt, jedoch nicht wegen versuchten Mordes, sondern wegen des Vergehens, Mitglied einer kriminellen Vereinigung zu sein.
"Figlmüller-Mord"
"Wie ich den Akt das erste Mal gelesen habe, dachte ich zuerst, ich lese hier wirklich das Drehbuch eines Fernsehfilms. Aber leider handelt es sich hier nicht um Fiktion, sondern um die Realität", eröffnet der Staatsanwalt sein Plädoyer. Er meint damit geplante Morde, die auf offener Straße in Wien hätten stattfinden sollen - oder stattgefunden haben. Laut dem Staatsanwalt könnte man den beiden gegnerischen Drogen-Clans aus dem Balkan 18 Morde sowie Folterungen und Gewaltverbrechen zuschreiben.

- 2019 kam es zu einem geplanten Mord in der Wiener Innenstadt.
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2019 wurde ein Mann mittels Kopfschuss in der Wiener Innenstadt getötet, ein weiterer wurde schwer verletzt. Die Tat wurde als "Figlmüller-Mord" bekannt, benannt nach dem bekannten Kult-Restaurant in der Innenstadt, vor jenem es zu der Tat gekommen sei – siehe mehr unten. Auch jener Mord werde den beiden Clans zugeschrieben; wer genau damals dafür verantwortlich gewesen sei, blieb jedoch unklar. "Es ist ein immenses Gefahrenpotenzial, das von diesen Menschen ausgeht", so der Staatsanwalt.
Auftragskiller aus Südamerika
Doch nun zum Angeklagten: Ihm wird zur Last gelegt, dass er zwischen dem 8. und 11. März 2020 nach Wien kam, um sich neben weiteren Personen an einem Auftragsmord zu beteiligen, so die Anklage. Dafür habe er in Ottakring ein Lokal observiert und die Informationen weitergegeben, u. a. an südamerikanische „Auftragskiller“, so der Staatsanwalt.
Die Tatverdächtigen hätten sich für den Tatzeitraum extra eine Wohnung in Tatnähe gesucht sowie eine Schusswaffe mit Schalldämpfer besorgt. Bei den Opfern handelte es sich um eine "primäre" und eine "sekundäre Zielperson", welche beide Mitglieder des besagten gegnerischen Clans gewesen sein sollen. Die "Sekundärperson" - ein 47-Jähriger - hätte durch einen gebastelten Sprengsatz am Auto getötet werden soll, bei welchem jedoch die Initialzündung versagte.

- Dem 29-Jährigen wird zur Last gelegt, dass er zwischen dem 8. und dem 11. März nach Wien kam, um sich neben weiteren Personen an einem Auftragsmord zu beteiligen, so die Anklage.
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"Zumindest zehn Leute sollen an dem Anschlag beteiligt gewesen sein", heißt es. Es kam jedoch zu Verzögerungen beim Nachrichtenaustausch, denn die beiden "Auftragskiller" haben sich mit den weiteren Tatverdächtigen nicht auf derselben Sprache verständigen können. Als "Lösung" wurden die Nachrichten an eine Zwischenperson ins Ausland weitergeleitet, die diese übersetzen sollte.
Da die jeweiligen Zielpersonen jedoch nicht alleine unterwegs waren und den Tatort schnell verließen, sei es nicht zum geplanten Mord gekommen. Kurz darauf startete dann der erste Corona-Lockdown, bei dem eines der geplanten Opfer erkrankt sei. Die Tatverdächtigen seien in Folge wieder abgereist.
"Nein, Bruder, Schande"
Weitere Tatverdächtige, die damals beteiligt gewesen waren, seien nicht greifbar gewesen, meint der Staatsanwalt. So sitzt einer im Ausland in U-Haft, zwei weitere Männer seien bereits den "Clan-Kriegen" zum Opfer gefallen. Sie sollen grausam gefoltert und umgebracht worden sein. Einer der Auftragsmörder sei laut ausländischen Behörden mittlerweile gestorben, jedoch an einer Erkrankung. Als Sachverständiger war bei der Verhandlung am Dienstagmorgen ein Inspektor geladen, der in der Causa ermittelt hatte. Das Beweismaterial stützte sich nämlich großteils auf Chat-Nachrichten, die die mutmaßlichen Täter miteinander ausgetauscht hatten.
Laut dem Inspektor haben sie die Beschuldigten zuordnen können, da diese auf einem verschlüsselten Messenger-Dienst offen kommuniziert haben sollen, samt Selfies und Sprachnachrichten. Ein Teil der besagten Chat-Nachrichten wurde auch bei der Verhandlung vorgelesen. So habe der Angeklagte am Tag der geplanten Tat geschrieben: "Ja, Bruder, er kommt fast immer zu selben Zeit, bin da, aber das Ziel ist nicht da". Als es zu Kommunikationsschwierigkeiten mit den beauftragten Südamerikanern gekommen sein soll, schrieb einer der Tatverdächtigen: "Nein, Bruder, Schande".
"Bin nicht einmal Mitglied einer Bibliothek"
Die "primäre Zielperson" des Mordversuches soll ein 56-Jähriger gewesen sein. Er war bei der Verhandlung als Zeuge geladen. Als er vom Richter gefragt wurde, ob er Mitglied eines Clans sei, entgegnete dieser, dass er Vater von sechs Kindern ist und noch nie mit einer kriminellen Organisation etwas zu tun hatte. "Welchen Grund sollte es geben, warum Angehörige eines Clans einen Entschluss fassen würden, Sie zu beseitigen?", fragte der richterliche Beisitz den Mann. Der 56-Jährige entgegnete darauf, dass er davon ausgegangen war, dass es sich hierbei um einen Fehler gehandelt hatte. "Ich weiß nicht, warum jemand so etwas machen sollte."

- "Ich weiß nicht, warum jemand so etwas machen sollte", meinte der 56-Jährige. (Symbolfoto)
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Ebenfalls als Zeuge geladen war die "sekundäre Zielperson", auch der 47-Jährige hätte dem Clan zum Opfer fallen sollen. Jedoch bestritt auch er, Mitglied des besagten gegnerischen Clans zu sein, "ich bin nicht einmal Mitglied einer Bibliothek." Warum man ihn habe töten wollen, wisse er nicht. "Ich habe mit der ganzen Geschichte nichts zu tun", sagt er vor Gericht aus. Ob der erste Zeuge Mitglied des besagten Clans war, fragt ihn der Richter. "Er war gerade hier, das hätten Sie ihn fragen müssen. Ich wäre Polizist, wenn ich das alles wissen würde, ich kenne mich nur mit Ćevapčići und Pljeskavica aus", so der 47-Jährige, der ehemals ein Restaurant gemeinsam mit dem ersten Zeugen besaß.
Geschworene gegen versuchten Mord
In seinem Schlussplädoyer verwies der Staatsanwalt darauf, dass aufgrund der „äußerst detaillierten Tatbegehung durch professionelle Auftragskiller“ es deutlich sei, dass der Angeklagte wegen des versuchten Mordes für schuldig gesprochen werden sollte. Der Verteidiger sah dies anders, es fehle an „Ausführungsnähe“. Nach ihm seien die unmittelbaren Täter nicht am selben Ort wie die Opfer gewesen. „Ich stelle mich nicht hierhin und sage, dass mein Mandat ein Engel ist, aber ich sage Ihnen eines, einen versuchten Mord hat er nicht zu verantworten." Stefan K., der das letzte Wort hatte, schloss sich den Worten seines Verteidigers an.
Dass K. nicht wegen des versuchten Mordes verurteilt wurde, lag daran, dass sich sechs von acht Geschworenen dagegen entschieden haben. Die Mitgliedschaft einer kriminellen Vereinigung bejahten sie einstimmig. Durch die Untersuchungshaft verbüßte der Angeklagte bereits etwa ein Jahr und drei Monate - diese werden nun von der dreijährigen Haftstrafe abgezogen. Als mildernd bezog der Richter die Unbescholtenheit des Angeklagtes ein. Erschwerend war jedoch, dass diese Tat "eine unglaublich hohe kriminelle Energie hat".
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