Der Streit um das Glücksspiel in der EU eskaliert

- Europa muss im Streit zwischen den Mitgliedsstaaten entscheiden
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Das Thema Glücksspiel sorgt aktuell wieder für große Aufregung in Europa. War es jahrelang die deutsche Gesetzgebung, die für heftige Diskussionen sorgte, so ist dieses Feld mittlerweile befriedet.
Der neue deutsche Glücksspielstaatsvertrag sorgte für eine Marktliberalisierung und Lizenzierung ausländischer Casinos. Damit konnte zwar der Schwarzmarkt nicht ganz zurückgedrängt werden, doch ein mehr an Konkurrenz sorgte für mehr Auswahl und besseren Spielerschutz.
Dienstleistungsfreiheit, ja oder nein?
Dabei wurde allerdings eine zentrale Frage nicht gänzlich beantwortet. Im Mittelpunkt der Diskussionen rund um das Glücksspiel steht seit jeher die Dienstleistungsfreiheit der Europäischen Union. Diese ermöglicht es Unternehmen in jedem Staat der EU ihre Leistungen anzubieten. Voraussetzung dafür ist lediglich eine Konzession im Heimatland.
Warum diese Regelung ausgerechnet für die Glücksspielbranche nicht gelten sollte, ist vielen Vertretern dieser Industrie rätselhaft. Entsprechend berufen sie sich auf die Dienstleistungsfreiheit, wenn sie auch weiterhin ihre Leistungen über das Internet anbieten. Das wird vor allem dann zum Problem, wenn diese Firmen über keine Lizenz des jeweiligen Staates verfügen und damit auch nicht der lokalen Gesetzgebung unterworfen sind.
Das tut dem Erfolg der Betreiber allerdings keinen Abbruch. Das Internet kennt keine Ländergrenzen, entsprechend erfolgreich sind die Betreiber auch in theoretisch abgeschotteten Märkten. Daneben bieten sie ihren Kunden ein Vielzahl an unterschiedlichen Zahlungsmöglichkeiten, was den Zugang deutlich erleichtert. Eine digitale Zahlungsmethode wie PayPal ist in Online Casinos in Österreich ebenfalls stark vertreten, damit reichen wenige Klicks aus, um zu spielen.Private Klagen schaukelten die Situation hoch
Die betroffenen Staaten argumentieren mit ihren staatlich geschützten Monopolen und versuchen alles, ausländische Anbieter von ihren Märkten fernzuhalten. Zuletzt schaukelte sich die Situation allerdings durch private Klagen weiter hoch. Spieler hatten in Österreich und Deutschland mithilfe von Prozessfinanzierern Klagen gegen ausländische Anbieter ohne heimische Lizenz angestrengt und vor Gericht gewonnen.
Die Betreiber wurden zur Rückzahlung von Verlusten verurteilt, doch diese Urteile zeigten keine Wirkung. Das liegt daran, dass die Betreiber über keinerlei Vermögen in den jeweiligen Ländern verfügen, eine gerichtliche Eintreibung war daher nicht möglich. Malta, als eines jener Länder, das über eine blühende Glücksspielindustrie verfügt und entsprechend viele Lizenzen für Unternehmen ausgestellt hat, verabschiedete hingegen ein Gesetz, um seine Industrie vor Klagen zu schützen.
Wie entscheidet der Europäische Gerichtshof?
Dagegen gingen in der Folge Staaten wie Österreich und Deutschland vor der EU vor. Damit ist der Europäische Gerichtshof als letzte Instanz gefordert, eine endgültige Entscheidung zu treffen. Vor wenigen Tagen legte nun der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs seine Schlussanträge zur der Causa vor und bestärkte darin die Position der Kläger. Er sieht in den Fällen das jeweilige lokale Recht als anwendbar. Damit wären die Betreiber von ausländischen Online-Casinos ohne heimischer Lizenz gezwungen, den Spielern ihre Verluste zurückzuerstatten. Nationale Verbote widersprechen laut Ansicht des Generalanwalts also nicht dem europäischen Recht.
Damit ist die Letztentscheidung zwar noch nicht gefallen, doch es ist höchst wahrscheinlich geworden, dass der Europäische Gerichthof der Rechtsmeinung seines Generalanwalts folgen wird. Immerhin gilt dies für einen Großteil der strittigen Rechtsfragen.
Unterdessen spaltet ein ungewöhnlicher Schritt eines deutschen Anwalts die Beobachter. Was ist passiert? Der Anwalt hatte einem deutschen Spieler die Forderung auf Rückzahlung von Verlusten in einem Online-Casino abgekauft und zog damit vor ein maltesisches Gericht. Was auf den ersten Blick aussieht, wie der Versuch die Gerichte in Malta zu einer Entscheidung zu zwingen, wird von Rechtsexperten jedoch ganz anders bewertet.
Fingiertes Verfahren?
Sie sehen in den angestrengten Verfahren in Malta den Versuch, Entscheidungen zu verschleppen. Dieses käme der Glücksspielindustrie in Malta zugute, schließlich verdient der Inselstaat rund 12 Prozent seiner Wirtschaftsleistung mit dem Glücksspiel. Malta verfügt derzeit über die sogenannte Bill 55, ein Gesetz, das seine schützende Hand über die Unternehmen hält.
Die EU-Kommission sieht darin ebenfalls einen Verstoß gegen EU-Recht und hat bereits ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Malta eingeleitet. Im konkreten Fall des deutschen Anwalts haben die maltesischen Gerichte den Europäischen Gerichtshof angerufen, weil sie sich aufgrund der lokalen Gesetzgebung außerstande sehen, ein Urteil zu fällen.
Einzelfall-Entscheidung oder generelles Urteil?
So gewinnen die Firmen, die von einer Rückzahlung von Spielerverlusten betroffen wären, wertvolle Zeit. Schließlich erwarten Beobachter ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein Urteil erst in einigen Monaten.
Daneben befürchten manche Anwälte, dass sich das kommenden Urteil ausschließlich auf einen Einzelfall beziehen könnte. Das würde zahlreichen Klägern die Chance nehmen, sich darauf zu berufen, wenn sie ihre Ansprüche durchsetzen möchten. Schon jetzt wurden zahlreiche Klagen auf Eis gelegt, bis der Europäische Gerichtshof entschieden hat.
Österreich droht die Rückzahlung von allen Gewinnen
Das Urteil könnte demnach noch andere, ungewollte Folgen nach sich ziehen. Schließlich hat der Oberste Gerichtshof in Österreich erkannt, dass die Verträge mit nicht in Österreich lizenzierten Online-Casinos nicht zustande gekommen sind. Das hatte zu Folge das ein ausländischer Betreiber auch die Gewinne von einer Spielerin zurückgefordert hatte.
Sollten die Rückzahlungen von Verlusten vom Europäischen Gerichtshof bestätigt werden, könnten die Betreiber dazu übergehen, auch alle Gewinne zurückzufordern. Das hätte zumindest in Österreich gravierende Folgen. Immerhin schätzen Experten den Schwarzmarkt auf zumindest ein Drittel bis zu 50 Prozent des Umsatzes.
Nicht zuletzt, deshalb möchte die Bundesregierung in der nächsten Reform des Glücksspielgesetzes Netz- und Paymentsperren für ausländische Online-Casinos einführen, um diese Betreiber aus dem heimischen Markt auch technisch auszusperren.
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