Wir schneiden den Flüchtlingen die Haare!
Wie drei Iraker dank der Bezirksblätter und eines emsigen Frisörduos zu einem frischen Haarstyling kamen. Alle Fotos: Bianca Werfring.
"I want a Barber - to cut my hair" - "Ich hätte gerne einen Frisör, um meine Haare zu schneiden", sandte ein irakischer Bursche ein "WhatsApp" an die Redaktion der Bezirksblätter. Gesagt, getan. Innerhalb eines Tages konnte für diese "Hilfe im Dienste der Schönheit" die mobile Frisörfirma "Hair2Home.com" gewonnen werden. Martin und Kristina Hartmann aus Oberpullendorf zeigten sich nach Anruf sofort bereit, gegen einen wirklich kulanten Beitrag zu helfen.
Natürlich waren auch sie unsicher, was, besser wer da auf sie zukommen würde. Völlig zersauste Männer mit dickem schwarzen, kaum zähmbaren Haar? Oder "typische" Gestalten aus dem Orient, die sich vielleicht gar nicht von einer Frau anfassen lassen wollen? Der Flüchtling, das unbekannte Wesen - für die meisten Bürger und so auch für die Frisöre und ein bisserl auch für die Bezirksblätter-Redaktion.
Am Mittwoch nach Mittag stand jedenfalls alles für die haarige Flüchtlingsbetreuung bereit. Um 13.45 Uhr kamen sie - Essam (46), Ali (24) und Mohammad (25) - eigentlich auch ohne kommende Fasson schon gepflegt und fesch. Sie mussten die Essensausgabe in der Arena Nova noch abwarten, daher die "leichte" Verspätung.
Dann ging alles rucki zucki. Essam, der am besten Englisch sprechen kann, ließ sich geduldig sein graues Haar nachschneiden. Kaffee und Makronen lehnte er dankbar ab: Ramadan, gegessen und getrunken wird erst am Abend. Die beiden anderen Burschen ließen sich - wenn auch zögerlich - einladen.
"Beim Frisör" kommt man ins Gespräch. Essam flüchtete aus Bagdad mit seiner Familie bis in die Türkei, dann bezahlte er 5.000 Dollar an Schlepper, die ihn nach Österreich brachten. Und wo der nach eigenen Angaben ausgebildete Goldschmied auch bleiben will. Wenn alles klappt, dann sollen Frau und vier Töchter bald nachkommen. Dass seine Zukunft hier in Österreich mehr als nur ungewiss ist, ist Essam mittlerweile bewusst geworden, auch wir mussten ihm sagen: "Not all the people want you to stay here (Nicht alle wollen, dass ihr hier bleibt)." Er nickte traurig, aber die Wiener Neustädter sollen wissen: "Wir haben im Irak 30 Jahre Krieg. Wir wollen hier in Frieden leben, in unserem Land haben wir keine Zukunft mehr."
Die beiden Jüngeren haben ein ähnliches Schicksal erlitten, in ihren Augen spiegelt sich jugendlicher Schabernack ("We want to play football against your team") gemischt mit großer Unsicherheit. Auch sie haben den Krieg erlebt, auch sie flüchteten in die Türkei und dann nach Österreich. Wir sagten ihnen, dass sie eigentlich Ende August aus der Arena Nova raus müssen. Fragende Gesichter. Es scheint so, dass sie darüber nicht informiert wurden.
Zum Schluss waren alle zufrieden. Essam, Ali und Mohammad damit, dass sie - abgesehen vom neuen Haarstyle - ein wenig mit uns plaudern konnten und den scheußlichen Automatenkaffee überlebt haben. Die Frisör-Hartmanns und das Bezirksblätter-Team, dass sie ein wenig Einblick in die wahre Lebensgeschichte von Flüchtlingen werfen und ein bisserl für Abwechslung sorgen konnten.
Wenn auch sie menschliche Ideen haben, wie sie zur Freizeitgestaltung der Flüchtlinge beitragen können, dann mailen Sie diese bitte an
wiener-neustadt.red@bezirksblaetter.at
Wir geben diese verlässlich an Andreas Zenker vom Roten Kreuz weiter.
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