Eggendorfer Greisslerei, Trafik und Poststelle schließt mit Ende Juni
Schluss für Böse nach 132 Jahren
Man kann es sich noch gar nicht vorstellen, eigentlich ist es schier unvorstellbar.
BEZIRK WIENER NEUSTADT. Eggendorf ohne Kaufhaus Böse - das gab es 132 Jahre nicht. Und doch ist es bald bittere Wahrheit: Die Greißlerei samt "Postamt" (Böse ist seit zehn Jahren Postpartner) und Trafik schließt mit 30. Juni. "High Noon" - zu Mittag wird der traditionelle Laden für immer seine Pforten schließen. Da werden Rudolf (er feierte letzten Sonntag seinen 65. Geburtstag) und Monika Böse schweren Herzens aber dennoch mit einer gewissen Erleichterung das Licht abdrehen und die Eingangstüre verschließen. Zurück bleiben die Erinnerungen an wunderschöne, dramatische, sehr erfolgreiche und weniger erfolgreiche Jahre.
Mit den Bezirksblättern teilte das Ehepaar Böse noch einmal einige dieser schönen Momente, blätterte im Fotoarchiv und begründete auch seinen Abschied für immer.
Gegründet wurde die "Spezerei" oder das "Kolonialwaren-Kaufhaus" von den Ur-Großeltern 1888. Die Geschäfte stützten sich vor allem auf die Fabriken ringsum, besonders auf die Spinnerei im Ort. Alle Arbeiter, darunter sehr viele Gastarbeiter, kauften bei Böse ein. Böse führte Koks aus. Das Geschäft war DER Nahversorger. Was sich natürlich mit dem Schließen der Fabriken und späterem Aufkommen der Supermärkte änderte. Dennoch: Der Betrieb warf noch immer genug Profit zum Leben ab, Rudolf Böse, "Tormann-Legende" im Bezirk, übernahm 1989 mit seiner Gattin, im Mai 2010 wurden sie Postpartner. Bis vor Corona belieferten sie auch ihre älteren Kunden, brachten den Einkauf zu ihnen nach Hause.
Gemeinde unterstützte nicht
"Ohne Post und Trafik ginge es aber schon lange nicht mehr", erzählt Rudolf Böse, gemeinsam mit Monika kann er sich einen ordentlichen Seitenhieb auf die Gemeinde unter Bürgermeister Thomas Pollak nicht verkneifen. "Es gab keinerlei Unterstützung von der Gemeinde, die Geschenkspakete für Neugeborene im Ort, für Jubiläen und andere besondere Anlässe wurden im Gegensatz zu früher nicht bei uns gekauft", erinnern sie sich, "da wurde körbeweise beim BILLA eingekauft".
Zurück zu den Fotos, zurück zu den Erinnerungen: Das große Hochwasser in den 1970-er-Jahren, die schönen Momente, als Rudis Vater mit der Orgel im Geschäft für Stimmung sorgte, die Lieferfahrten mit dem Motorrad. "Das Zwischenmenschliche wird uns abgehen", denkt Monika an das baldige Ende und ihr Rudi hat in den vergangenen Tagen schon ein paar Tränen zerdrückt. Was bleibt? Einige fast 100 Jahre alte Möbelstücke, ein paar in der heutigen Zeit recht "exotisch" wirkende Ladenhüter (etwa Bekleidungsstücke von Huber und Triumph) und diese Bilder.
Langeweile wird beim Ehepaar Böse nicht aufkommen. Rudis Leidenschaft ist das Meer (seine Segelrunde trifft sich seit Jahrzehnten), Monika zieht es öfters in die Berge, sie werden sich einigen: "Seit rund 15 Jahren hatten wir wegen des Geschäftes keinen gemeinsamen Urlaub, das werden wir jetzt nachholen." Und dann sind ja auch noch die beiden Enkerln. Die sich einmal über die alten Fotos wundern werden - "Eine Greißlerei? Was bitte war eine Greisslerei?"
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