Leserbrief
"Meine Großeltern-Generation"
"Ich schreibe gedanklich das Jahr 1980: Meine Oma ist 62 Jahre alt. Ihr Lebensgefährte ist im Alter von 82 Jahren geistig und körperlich über seinem Altersdurchschnitt fit. Er war im ersten Weltkrieg als junger Soldat an der Front. Seine Worte sind mir in Erinnerung geblieben: 'Als Mensch musst du leben, niemanden Unrecht tun'. Beide haben zwei Weltkriege bzw. deren Folgen erlebt.
Die österreichische Regierung verordnet im Jahr 1980 das Tragen eines MNS. Meine Oma und Herr G. beugen sich dieser Verordnung nicht. Herr G. geht so wie immer ohne MNS in seine Gaststätte zum Mittagessen und niemand zieht ihn deshalb zur Rechenschaft. Meine Oma, im 2. Weltkrieg den Hitlergruß verweigernd (war das etwa Zivilcourage?) findet im Jahr 1980 dazu Worte, wie etwa: 'So schiach bin i net, dass i so an Fetzn vor's Gsicht tua'.
Meine Oma und Herr G. haben vor nichts mehr Angst. Seit ihrer Jugendzeit kamen sie immer wieder in todesnahe Situationen. Sie müssen in ihrer Pension um keinen Arbeitsplatz bangen, die eigenen Kinder sind längst erwachsen und sie brauchten nicht ihr Ansehen nach Außen wahren. Jeder, der sie kennt weiß, mit wem er/sie es zu tun hat.
Herr G. war ein sehr weltoffener Mensch und demokratisch gesinnt. Über das Fernsehen meinte er immer: 'Ich lasse mich nicht elektrisch zum Narren halten'. Er hatte aufgrund seiner Lebenserfahrung den Weitblick entwickelt, Machenschaften und Interessen zu durchschauen.
Oma und Herr G. zeigen im Jahr 1980 Einsatz und Eigenverantwortlichkeit für den Erhalt ihrer Menschlichen Rechte. Schade, dass wir nicht 1980 haben!"
Anonymer Verfasser
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