Erinnerungen als Mahnmal

Erinnern sich in „Vielleicht lebe ich“ stellvertretend für unsere Ahnen: Madeleine Weiler, Patrizia Köhle, Peter Mair. | Foto: Elmar Köhle
  • Erinnern sich in „Vielleicht lebe ich“ stellvertretend für unsere Ahnen: Madeleine Weiler, Patrizia Köhle, Peter Mair.
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  • hochgeladen von Christine Frei

In ihrem Erstlingsstück „Vielleicht lebe ich“ gibt die junge Autorin Madeleine Weiler Opfern wie Tätern der Nazizeit eine Stimme.

Nur ein schwarzes Klebeband am Boden markiert jene drei Räume, in dem drei Figuren ihre Geschichte(n) erzählen werden, aus einer Zeit, in der das Grauen allgegenwärtig war. Die junge Telfer Autorin Madeleine Weiler, die selber eine der Figuren verkörpert, nennt sie „drei unserer Ahnen“. Sie greift damit ein Thema auf, das auch in der modernen Psychotherapie sehr intensiv diskutiert wird: Denn die in der Nazi- und Weltkriegszeit erlebten vielfältigen Traumata manifestieren sich häufig erst in der dritten Generation. In den ersten beiden Generationen wurden die Erfahrungen und Erlebnisse dieser Schreckenszeit, die Menschen oft über Nacht zu Opfern, Tätern oder Mitläufern werden ließ, gemeinhin verdrängt oder verschwiegen.

Madeleine Weiler gibt diesen Ahnen nun stellvertretend eine Stimme und lädt uns ein, drei paradigmatischen Lebensgeschichten aus jener Zeit nachzuspüren, in denen sich Opfer und Täter vermeintlich klar festmachen lassen. Doch schon bald wird offensichtlich, dass sich die Erlebnisse der drei Figuren in einem ganz essenziellen Punkt treffen: der gemeinsamen Erfahrung von Ohnmacht, Tod und Verlust.

Da trauert das zurückgebliebene Kind, die klein Geborene und klein Gebliebene, um ihre im Krieg getöteten Geschwister, die junge Frau und Mutter um ihren gefallenen Mann und den jüdischen Nachbarsjungen, dem sie zunächst Unterschlupf gibt, um ihn schließlich auf Druck eines Mitwissers hin doch zu denunzieren. Da beweint der jüdische junge Mann, der sich an eine glückliche Kindheit erinnert und das Konzentrationslager wegen einer Namensvertauschung überlebte, seine innig geliebte Schwester Miriam, die so gerne Lehrerin geworden wäre. Und es ist mithin einer der berührendsten Momente dieses Stückes, wenn die drei Figuren, die zuvor abwechselnd erzählen und uns in ihre Geschichte eintauchen lassen, zuletzt nebeneinander und gewissermaßen im Schmerz vereint ein Licht für ihre Toten auf den Boden setzen.

Keine Frage: Madeleine Weiler hat sich für ihr Erstlingsstück ein ebenso anspruchsvolles wie psychisch komplexes Thema gewählt. Und die Ernsthaftigkeit und Entschlossenheit, mit der sie dabei sowohl als Autorin wie Darstellerin und Produzentin ans Werk ging, ist angesichts ihres jungen Alters tatsächlich mehr als erstaunlich. So gelingt ihr mit ihren beiden jungen Schauspielkollegen Patrizia Köhle und Peter Mair ein durchaus atmosphärisch dichter Abend, selbst wenn einem phasenweise die Empathie mit den einzelnen Figuren etwas abhandenkommt, weil gerade so ein intensives Thema im Spiel nicht mal eine Sekunde an nachlassender Konzentration verträgt.
„Vielleicht lebe ich“ ist noch am 25. Februar sowie am 1. und 3. März, jeweils ab 20.15 Uhr in der Bäckerei zu sehen.

Wo: Bäckerei – Kulturbackstube, Dreiheiligenstr. 21a, 6020 Innsbruck auf Karte anzeigen
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