Trennmoral verkommt zusehends
Während Einfamilienhaushalte Musterschüler sind, geben sich Wohnhausanlagen-BewohnerInnen trennfaul.
BEZIRK TULLN. Dass sich eine Fahrt mit dem Müllwagen auf die Geruchsnerven niederschlägt, damit rechnet man gemeinhin. Womit nicht: dass es einer dann aber fast die Schamesröte ins Gesicht treibt. Anlass dafür gab ein Sexspielzeug, das trophäengleich in der Fahrerkabine Platz gefunden hat – ein Fundstück aus dem Restmüll.
Glas und Bio oft in falschen Tonne
Das skurrile Einzelstück steht allerdings stellvertretend für eine teilweise verkommene Trennmoral dort, wo Anonymität gegeben ist. Genauer gesagt: bei den Wohnanlagen im Land. Denn während sich die Einfamilienhaushalte nach wie vor beim Mülltrennen hervortun, herrscht in manchen Wohnanlagen ein Trennchaos. Friedrich Motsch weiß ein Lied davon zu singen. Seit 29 Jahren kutschiert er im Müllwagen durch das Land. Schwerpunkt beim BB-Lokalaugenschein: die Wohnanlagen in Zwentendorf und Tulln. Er und seine Kollegen schätzen die Restmülltonnen halb voll mit Müll, der nicht hinein gehört. Hauptsächlich sind das Glas und Biomüll.
Je anonymer desto trennfauler
Motsch: "Manche werfen sogar Elektrogeräte weg. Wenn wir die dann aussortieren und daneben hinstellen, können wir sicher sein, dass sie 14 Tage später wieder in der Tonne liegen." Es ist sein letzter Arbeitstag vor dem Urlaub. Den hat er sich heuer mehr als verdient: Denn das Hochwasser hat auch ihm und seinen Kollegen Mehr-Arbeit beschert. Alleine bei der Donausiedling in Tulln haben sie 170 Tonnen Müll und Abfall beseitigen müssen. Ein Ausnahmeereignis, bei dem niemand ans Trennen dachte.
Der Müll-Profi macht aber generell einen unerfreulichen Trend aus: "Vor 20, 30 Jahren wurde noch mehr und genauer getrennt. Aber heutzutage wollen es alle schnell und bequem haben. Je anonymer, also zum Beispiel bei großen Wohnanlagen, desto weniger wird getrennt."
ZUR SACHE: Jährlich häufen wir 448 Kilogramm Müll an
724.016 Tonnen Müll sind im letzten Jahr im Bundesland angefallen. Das entspricht einer Abfallmenge von 448 Kilogramm pro Person. Aber auch andere Zahlen aus dem Abfallbericht sind beeindruckend:
• Pro Einwohner fielen 2012 89 kg Bioabfälle an (ohne Grünschnitt). Diese werden größtenteils zu Kompost verarbeitet.
• Die Rest- und Sperrmüllmenge belief sich auf 300.000 Tonnen.
• Die Trennquote lag bei erfreulichen 59 Prozent.
• Umdenken schont nicht nur die Umwelt, sondern auch das Budget: Eine Abfallstromanalyse des Regierungsviertels St. Pölten ergab, dass durch die Verwendung von Handtrocknern statt Papiertüchern 56.190 Euro jährlich eingespart werden.
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