Ernsthofen / Weihnachtsmärchen
Kann das Ernsthofner Weihnachtsmärchen wahr werden?

Rafal A. | Foto: Michael Selinger
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Ernsthofen. An der Grenze zwischen Ober- und Niederösterreich. An der Enns gelegen. Westwinkel Gemeinde im westlichsten Mostviertel.
2300 Einwohner hat die Gemeinde, wobei aus der Zahl nicht klar hervorgeht, ob die verbliebenen 17 Kriegsflüchtlinge mitgezählt wurden oder nicht.

Die "Flüchtlingswelle" im Jahr 2015 als Ausgangspunkt dieser Geschichte:

Bei ÖVP Bürgermeister Karl Huber hatten zu Beginn die gleichen Ängste, Befürchtungen und Unsicherheiten überwogen, wie bei sehr vielen anderen Einheimischen.
"Ich nutzte die Gelegenheit, um zum Forum Alpbach zu reisen, als dort Workshops für Bürgermeister im Umgang mit der Situation angeboten wurden. Durch die Workshops wandelten sich meine Ängste in Motivation, ja sogar Mut um." , der Ernsthofner Bürgermeister in einer Stellungnahme. Erfahren im Umgang mit herausfordernden Projekten aus der Vergangenheit, wurden alle Einwohner, Vertreter aller Parteien und Institutionen mit an Board geholt. So wurden die Ernsthofner im November 2015, im Rahmen eines mehrstufigen Informationsplanes, auf das bevorstehende Eintreffen der Flüchtlinge vorbereitet. Daraufhin haben sich sofort ca. 60 Personen zur Unterstützung bei der Integration bereit erklärt. Die asylsuchenden Familien bekamen Paten zur Seite gestellt, die fortan versuchten, das Notwendigste mit Hilfe anderer Freiwilliger zu organisieren.
Insgesamt kamen 49 Flüchtlinge aus dem Irak und aus Afghanistan in die kleine Westwinkel- Gemeinde. 6 leer stehende Wohnungen des ehemaligen Personalhauses der Ennskraftwerke wurden großteils mit gespendeten Möbeln, Haushaltsgeräten und Grundnahrungsmittel von Freiwilligen ausgestattet.

Ca. 15 Ernsthofner unterrichteten Montag und Donnerstag ehrenamtlich unter der Leitung von Manuela Weiss Deutsch. Während der Lernstunden kümmerten sich weitere Freiwillige um die Kleinkinder, die von Anfang an sehr anhänglich waren. Mit Spendengeld wurden die erforderlichen Bücher finanziert. Der geregelte Deutschkurs im Wohnhaus wurde mittlerweile durch gezielte Förderung einzelner Personen in ihren Wohnungen ersetzt und umfasst mittlerweile fast alle Bereiche, von Mathe über Englisch bis Natur und Technik sowie Geschichte.

"Wir begannen mit unterschiedlichsten Bildungsgraden, unterschiedlicher Lerngeschwindigkeit, mittlerweile jedoch haben einige sogar schon die B1 Prüfung beim ÖIF (Österreichischer Integrationsfond) abgelegt (in etwa das österr. Maturaniveau in einer Fremdsprache (anm.)), Kinder können bereits dem Regelunterricht folgen, inklusive regulärer Benotung.
Ausnahmslos alle können sich bereits auf Deutsch verständigen.
Es ist den noch verbliebenen Familien, ein wichtiges Anliegen, Teil der Gesellschaft sein zu dürfen, das wird auch so gelebt. ", ist die Enttäuschung über die negativen Bescheide groß, bei der anerkannten Pädagogin Prof. Weiss, die unter anderem auch in Paris Deutsch als Fremdsprache unterrichtet.

"Asylwerber arbeiten mit am Bauhof der Gemeinde, in der Schule und im Kindergarten werden die Fenster von ihnen geputzt, Blumenbeete jäten, Rasen mähen und Sträucher schneiden, machen Sie auch gerne. Um den Pfarrhofgarten kümmerten sie sich besonders liebevoll. Auch beim Ausrichten (Aufstellen und Wegräumen) von Veranstaltungen waren und sind sie gerne gesehen", so der Ernsthofner Flüchtlingskoordinator Josef Mühlberger.

"Ich finde es richtig und wichtig, dass es eine rechtsstaatliche Behörde gibt, die sich um "Flüchtlingsbelange" kümmert, damit die Zuständigkeit klar geregelt ist. Allerdings sollte den Gemeinden eine Gewichtung in Form eines Mitspracherechts eingeräumt werden," so der Bürgermeister. "Es ist auch für die ehrenamtlichen Betreuer psychisch schwierig, wenn die Menschen, um die sie sich jahrelang gekümmert haben, zu denen sie emotionale Bindungen aufbauten, mit denen sie Freundschaften schlossen, von einem Tag auf den anderen einfach weg sind. Allein schon deshalb wäre es schön, könnte der Wunsch in dem jeweiligen Ort zu bleiben, mitberücksichtigt werden bei den Asylbescheiden."

Am Pfarrfest kochten Asylwerber Gerichte ihrer Heimat. Bei Willkommensfesten in Pfarrheim und Pfarrgarten und einem großen Grillfest im Garten des Wohnhauses knüpfte man Kontakte und lernte sich näher kennen. Kirchenbesuche und die Teilnahme einer jungen Afghanin beim Sternsingen zeigten sehr eindrucksvoll, dass es keine Berührungsängste mit heimischen Traditionen gibt. Häufige Diskussionen zum Thema Religion zeigen, wie interessiert sie an unseren Sitten und Bräuchen sind. Wann immer bei unseren Gästen um Hilfe angefragt wurde, halfen Sie sofort.
Beinahe 3 Jahre waren die Familien in Ernsthofen, bis in den letzten Wochen/Monaten nun endlich die Termine für die Interviews einlangten, die einige Wochen später eintreffenden Bescheide machen oftmals sprachlos. Alle Fluchtgründe seien erlogen, konstruiert, keiner könne Deutsch, keine Integrationsmaßnahmen seien erfolgt usw.

10 Kinder zwischen 1,5 und 18 Jahren leben mit ihren Familien im westlichsten Mostviertel, besuchen Kindergarten, Volksschule. 3 junge Erwachsene dürfen auch höhere Schulen in Erla, Floridsdorf und St. Pölten besuchen. Alleine den Kindergartenkindern zuzusehen wie die verschiedenen Kulturen herzlich miteinander umgehen, erfreut das Herz eines jeden Menschen der dabei zusieht. Die Integration im Kindergarten Ernsthofen verläuft vorbildhaft. Besonders eifrig sind die Kinder die in der Volksschule Unterrrichtet werden, immer gut gelaunt, fleissig, in der Freizeit auch bei den diversen Sportvereinen in der Umgebung aktiv.

Besonders Fassungslos macht der negative Asylbescheid für die 18-jährige Rafal A. (Foto), die an der Fachschule für Sozialberufe in Erla eine Vorzeigeschülerin ist, bei allen beliebt, immer fröhlich, höflich und bescheiden.
Wenn man die Ausbildungsziele der Schule kennt mit Altenarbeit, Behindertenarbeit, Familienarbeit, Pflegeassistenz, gleichzeitig fast täglich den Medien den Mangel an Pflegekräften entnehmen kann, wundert man sich umso mehr.
Ihr Papa Ammar A. strebt gerade eine Ausbildung zum Rot Kreuz Sanitäter an, weil er gerne anderen etwas zurückgeben möchte. Da ihm geholfen wurde, will auch er anderen helfen können. Er und seine Gattin haben einen jeweils einen Bachelor in Psychologie, was in Österreich bereits bestätigt und anerkannt wurde. Er ist Sunnit, sie ist Schiitin, ein friedliches und faires Leben als Familie im Irak, daher ein Ding der Unmöglichkeit.

"Es kann doch nicht sein, dass Asylwerber, welche gerade einen Mangelberuf erlernen, abgeschoben werden, während wir gleichzeitig genau für diese Berufe ausländische Fachkräfte suchen. Die Beurteilung, inwieweit ein humanitäres Bleiberecht angewendet werden könnte, sollte eigentlich mehr auf regionaler Ebene entschieden werden, und nicht von einer Bundesbehörde.”, meint SPÖ Ortsvorsitzender Johann Schaurhofer.

Für den Ernsthofner Pfarrer, Prälat Gilbert Vogt, sind die negativen Asylbescheide vor allem menschlich völlig unbegreiflich: "Die Leute, die hier sind, sind nett, hilfsbereit und gut integriert. Alarmierend und bedrückend ist die negative Stimmung gegen Fremde(s) in der österreichischen Bevölkerung. Am Beispiel der Kinder, die von Anfang an, trotz aller Sprachbarrieren mit den Asylwerbern kommunizieren wollten und auch konnten, sieht man, mit welcher Leichtigkeit ein Miteinander doch möglich sein kann."

"Für das betreute Wohnen und andere neue Betreuungsformen für ältere Personen, werden schon jetzt händeringend die Fachkräfte der Zukunft gesucht, da sollte die Berücksichtigung derartiger Ausbildungen doch eine Selbstverständlichkeit sein", so der bestürzte Ernsthofner Bürgermeister.

17 asylsuchende Menschen leben in Ernsthofen, seit mehreren Jahren. 7 Erwachsene, 10 Kinder. Alle mit einem negativen Asylbescheid.

Keine der zu Beginn erwähnten Ängste und Befürchtungen hat sich in Ernsthofen bewahrheitet. Ganz im Gegenteil. Nach wie vor bieten fast täglich ehrenamtliche Mitarbeiter Hilfe in allen Lebenslagen an und hoffen, dass die zwischenzeitlich entstandenen echten Freundschaften bestehen bleiben und alle letztendlich Asyl erhalten, das Ernsthofner Weihnachtsmärchen wäre perfekt.

Abschließend bleibt zu sagen, das der Versuch Ängste mit Hass und Wut zu reparieren, wohl kein erfolgreicher sein wird. Ebenso wie man damit Fehler der Vergangenheit-, die sicherlich 2015 begangen wurden, nicht mit Hass und Wut korrigieren kann, sondern wie das Ernsthofner Beispiel wunderschön zeigt, ist das aufeinander zugehen, kommunzieren, - das miteinander sein, das um und auf für eine funktionierende Gesellschaft.

Rafal A. | Foto: Michael Selinger
Bürgermeister Karl Huber | Foto: Karl Huber

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