Als Amstetten "Ja!" zur EU sagte
Der ehemalige Nationalrat Günter Kiermaier erzählt von den Ereignissen rund um das Jahr 1994.
BEZIRK AMSTETTEN. "Die Stimmung für einen EU-Beitritt war im Mostviertel nicht so gut", erzählt Günter Kiermaier über die Ereignisse rund um das Jahr 1994. Der Amstettner war von 1990 bis 2002 Nationalratsabgeordneter der SPÖ. In einer Zeit, in der sich für Österreich vieles durch den Beitritt zur Europäischen Union verändern sollte.
Er erzählt von seinen Besuchen in den Schulen. "Das sind die Leute, die später mit der EU leben müssen", berichtet er von seinen damaligen Überlegungen, die "Versäumnisse" nachzuholen und mit der Jugend zu sprechen, sie zu informieren, mit ihnen als "gleichberechtigter Gesprächspartner" zu diskutieren. Die Schüler hätten schließlich auch die Informationen und ihre Gedanken zur EU zu ihren Eltern nach Hause gebracht.
Der Wirt und "Mr. Europa"
Ein erinnerungswürdiger und nicht alltäglicher Versuch, die Stimmung ins Positive zu kippen, fand am 16. Mai 1994 in Amstetten statt. Gemeinsam mit dem damaligen Außenminister Alois Mock (ÖVP) aus Euratsfeld lud der Sozialdemokrat zu einer großen Pro-EU-Veranstaltung in die Johann-Pölz-Halle.
"Der Wirt von der Waidhofner Straße und der anerkannte Außenpolitiker", erinnert sich Kiermaier zurück, mit "Mr. Europa" die Amstettner von der EU zu überzeugen. "Die Veranstaltung war gut besucht und ein großer Erfolg", sagt Kiermaier.
Politiker mit Charakter
In der Ideologie getrennt, "haben wir uns als Menschen geschätzt", sagt Kiermaier über sein Verhältnis zu Alois Mock. Es sei eine für ihn prägende Freundschaft über Parteigrenzen hinweg entstanden. Mock sei ein Mann mit Charakter gewesen, diesen vermisse er oftmals bei heutigen Politikern, erklärt Kiermaier heute. Der Umgang in der Politik sei dieser Tage eben ein ganz anderer.
Die Bedeutung der EU
Wer andere Zeitepochen erlebt hat, hätte sicher eine sensiblere Haltung gegenüber der EU, erzählt der 76-Jährige aus eigenen Erinnerungen von Not und Armut der Menschen vergangener Jahrzehnte. Die "harten Zeiten" seiner Kindheit haben mich geformt, so der ehemalige Wirtshausbetreiber, sie hätten ihn in die Sozialdemokratie geführt. Oft sei man sich nicht bewusst, dass dies wieder kommen könnte. Den Menschen wäre oft nicht klar, warum die EU wichtig ist. Die Freiheit, die wir heute leben, wäre auf einmal weg, der Lebensstandard würde sinken, der soziale Wohlstand wäre gefährdet, warnt Kiermaier und betont die Notwendigkeit der Sicherheits- und Friedensgemeinschaft.
"Wir brauchen den gemeinsamen Wirtschaftsraum", so der ehemalige Nationalrat im Hinblick auf die Konkurrenz mit den USA oder China, "ohne Staatenverbund gehen wir unter." Welches Chaos ein Austritt aus der EU zur Folge hätte, würde man derzeit beim Brexit sehen. – Man müsse die positiven Aspekte mehr hervorkehren und mehr darüber sprechen, ist er überzeugt und schlägt einen EU-Stammtisch für Amstetten vor. "Man hat noch nie einen Fehler gemacht, wenn man anderen zuhört", so Kiermaier.
Kommentare
Du möchtest kommentieren?
Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.