Pflegenotstand?
Ärger über "Fristlose" für Pflegepatientin
Wie umgehen mit schwierigen alten Personen? Ein Fall aus einer privaten Pflegeeinrichtung im Bezirk gibt Anlass zum Nachdenken.
BAD VÖSLAU. Frau Erika F. lebte zuletzt mit Pflegestufe 5 (180 Stunden Pflegebedarf im Monat) in der Seniorenresidenz Bad Vöslau. Immer wieder kam es zu problematischen Situationen, eine Ärztin konstatierte der 76-jährigen Frau eine "querulatorische Persönlichkeit".
Eskalation endete fatal
Zur Eskalation kam es am 24. November 2022. Die meistens bettlägrige Patientin soll - nach Angaben der Seniorenresidenz Bad Vöslau - eine Pflegekraft gekratzt und mit einer Nagelschere bedroht haben. Die Heimleiterin ließ die Frau daraufhin mit der Rettung in die Akutpsychiatrie des Landesklinikum Baden verbringen und informierte die Tochter der Frau,
Doris F. "Gleichzeitig wurde mir gesagt, dass meine Mutter unmittelbar nach dem angeblichen Vorfall aus dem Heim abgemeldet wurde. Ich fiel aus allen Wolken," so die Tochter, eine Anwältin. "Denn wohin sollte meine Mutter nun? In der Akutpsychiatrie konnte sie mangels akuter psychischer Erkrankung nicht bleiben. Es gab keine freien Heimplätze und in ihre Wohnung konnte sie auch nicht zurück, da ihr Pflegebedarf so hoch ist, dass die mobilen Dienste nicht ausreichend Kapazitäten haben. Eine private Pflege kann sich meine Mutter als Mindestpensionistin nicht leisten, auch nicht mit meiner Unterstützung."
"Es gibt sicher viele ähnliche Fälle"
Die Anwältin weiter:
"Es ist gesetzlich normiert, dass bei der Kündigung von Pflegeplätzen - ähnlich wie bei der Kündigung eines Mietverhältnisses - zu Gunsten des Heimbewohners zwingend gewisse Vorgaben einzuhalten sind. Erstens darf eine Kündigung nur schriftlich zum Monatsletzten erfolgen, es ist eine Frist von einem Monat einzuhalten und es muss ein wichtiger, dh. ein sehr schwerwiegender Grund im Sinne des Gesetzes vorliegen, der dem Heim die Fortsetzung der Betreuung unmöglich macht. Keiner dieser zwingenden Vorschriften wurden vom Heim eingehalten, geschweige denn ist ein wichtiger Grund zur sofortigen Auflösung vorgelegen, das ist nicht nur klar rechtswidrig, sondern auch moralisch in allerhöchstem Maße verwerflich."
Die Situation spitzte sich immer weiter zu, Frau F. baute körperlich plötzlich stark ab und verstarb schließlich Mitte Jänner 2023 in der Akutpsychiatrie, knapp bevor sich dort eine Ethikkommission mit dem Fall der Frau und deren weiterer Unterbringung befassen hätte sollen. "Ich möchte den Fall meiner Mutter öffentlich machen, weil ich überzeugt bin, dass es viele ähnlich gelagerte Fälle mit schwierigen Alten gibt." Die Tochter der Verstorbenen bekommt Unterstützung von ihrer Anwaltskollegin Katharina Braun: "Auch wenn der Umgang mit manchen Patienten schwierig ist, so gilt auch in solchen Fällen, dass Gesetze einzuhalten sind. Eine fristlose Kündigung ist nicht erlaubt."
Stellungnahme der Residenz
Die Seniorenresidenz nimmt folgendermaßen Stellung (gekürzt, die ganze Stellungnahme liegt der Redaktion vor):
"Grundsätzlich äußern wir uns aus Gründen des Datenschutzes nicht zu Einzelfällen bzw. Personen. Entscheidungen über die Aufnahme in Krankenanstalten, über die Aufrechterhaltung der Behandlung in Krankenanstalten sowie über die Entlassung aus der stationären Behandlung treffen die dort zuständigen Ärzte und Ärztinnen. Über medikamentöse Maßnahmen, auch über freiheitsbeschränkende, entscheiden die zuständigen Ärzte und Ärztinnen. Dabei sind strenge gesetzliche Vorgaben gemäß dem Heimaufenthaltsgesetz zu beachten, was in der Seniorenresidenz selbstverständlich in gebotenem Maße beachtet wird.
Die Entscheidung über eine Aufnahme erfolgt in der Residenz nach Maßgabe der freien Plätze und - sofern eine Kostentragung nach den einschlägigen sozialhilferechtlichen Vorschriften erfolgt - über die Entscheidung der zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde. Die Abmeldung des Nebenwohnsitzes erfolgte nach Auflösung des Vertrages."
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