Wildbret oder Tofu: Ein Jäger und eine Vegetarierin im Streitgespräch

- hochgeladen von Gabriela Stockmann
Christian Fischer (54) ist seit zwei Jahren Jäger aus Passion. Marlene Szlezak (25) ist seit ihrer Volksschulzeit Vegetarierin aus Überzeugung. Zwei Welten prallen aufeinander. Die Bezirksblätter haben dieses Streitgespräch aufgezeichnet.
Gabi Stockmann hat die Debatte zwischen dem Jäger Christian Fischer (54) aus Sooß und der Vegetarierin Marlene Szlezak (25) aus Bad Vöslau aufgezeichnet.
Marlene: Was macht Spaß am Tiere-Schießen und Töten?
Christian: Seit ich das Wild, an dessen Fleisch ich kommen möchte, selber töten muss, ist mein Umgang mit dem Lebensmittel Fleisch respektvoller und sparsamer geworden.
Marlene: Das ist immerhin ein Argument. Ich finde es scheinheilig, wenn Menschen sagen: Ich kann kein Tier töten, und dann essen sie Fleisch aus den Tierfabriken, wo scheußlicher Tiermord an der Tagesordnung ist.
Christian: Ich bin ein erklärter Gegner der Massentierhaltung. Ein bejagtes Tier stirbt glücklich, wenn man so sagen kann – ich darf es als Jäger nicht verletzen, ich muss es sofort töten. Dazu muss ich entschlossen sein, das ist meine Verantwortung. Das Tier hat vorher keine Angst und lebt in gesunder Natur. Es ist ein zutiefst emotionales Erlebnis, das Wild zu erlegen und aufzubrechen. Bestimmt ist Jagd auch eine archaische Verhaltensweise der Menschen.
Marlene: Heute müssen wir aber nicht mehr wie die Urmenschen leben. Jagd ist nicht mehr notwendig.
Christian: Die Jäger regulieren, weil wir zu viele Wildtiere in einem immer engeren Lebensraum haben und ihre natürlichen Feinde wie Wolf oder Bär bei uns nicht mehr leben. Zum Beispiel gibt’s im Bereich der Remise in Bad Vöslau sicher an die 70 Rehe, die die Weingärten abfressen. Der neue Autobahnanschluss hat ihren Lebensraum eingeengt. Überpopulation birgt die Gefahr von Seuchen und Erkrankungen.
Marlene: Und jetzt müssen die Tiere unsere Straßenbauwut büßen, indem sie abgeschossen werden? Ich glaube die Natur würde es selber regeln. Knapper Lebensraum, weniger Vermehrung. Jeder Eingriff in die Natur ist ein Eingriff zu viel. Ich habe den Verdacht, dass unter den Jägern viele Waffennarren sind und sie dafür eine Rechtfertigung suchen.
Christian: Ich bestreite nicht, dass es unter Jägern Problemfälle gibt. Sowie unter Autofahrern auch. Allerdings muss jeder, der Jäger werden will, einen Jagdkurs machen und es wird schon auf die Persönlichkeiten geachtet.
Bezirksblätter: Seitens der Grünen gibt es die Forderung nach gesetzlichen 0,0 Promille bei der Jagd. Wie steht Ihr dazu?
Marlene: Unbedingt! Jagdgesellschaften sind männerdominiert und ein Relikt aristokratischer herrschaftlicher Kultur. Und man weiß, wie es in solchen Bünden zugehen kann.
Christian: Ich hätte nichts gegen 0,0. Ich war noch nie betrunken auf der Jagd, dazu ist das ein viel zu konzentrierter verantwortungsvoller Vorgang. Und ein intensives Naturerlebnis.
Marlene: Für ein Naturerlebnis kann man auch spazieren gehen oder bergwandern.
Christian: Man muss die Tiere gut kennen, um sie gut schießen zu können. Es ist unvergleichlich, dafür einmal zwei Stunden vollkommen still und ganz allein als Beobachter im Wald zu sitzen und mit ihm zu verschmelzen.
Marlene: Mit dem Wald verschmelzen kann man auch, wenn man von einem Tier ein Foto schießen will.
Christian: Ja, das stimmt schon. Aber so ganz und gar hat man es dann doch nicht, auf einem Foto.
Bezirksblätter: Trophäenjagd: Ist Jagd ein Sport?
Marlene: Ich verstehe den Sinn einer Trophäenjagd gar nicht.
Christian: Für mich ist Jagd kein Sport. Da könnte ich ja auch Tontauben schießen.
Zwei Welten sind aufeinander geprallt. Aber es gibt eine Gemeinsamkeit zwischen Jäger Christian und Vegetarierin Marlene: Beide essen am liebsten Spaghetti mit Tomatensoße. Christian mit einem Zusatz: „Ab und zu ein Steak von höchster Qualität.“
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