Warum radikalisieren sich Jugendliche?
Um mögliche Antworten geht es in dem Theaterstück „Der freie Fall“ von Raoul Biltgen. Zwei Klassen der Schule für Wirtschaft und Technik Mödling sowie einige Klassen aus Baden besuchten am 1.Februar die Vorstellung des Jugendstil-Theaters im Badener Theater am Steg.
In dem mit Jugendlichen für Jugendliche konzipierten Stück lernen Karin und Karim einander in einer Diskothek kennen. Im Gespräch erfährt Karin, dass Karims Eltern und seine Brüder Moslems sind, er sieht sich aber selbst nicht als solcher. Er ist „hier“ geboren und aufgewachsen und hat mit Religion nicht viel am Hut. Genau so wenig übrigens, wie Karin sich als Christin sieht, obwohl ihre Mutter und sie von „hier“ sind. Karins Mutter war bei ihrer Geburt „viel zu jung“, ihr ebenfalls viel zu junger Vater konnte oder wollte die Verantwortung für das Kind nicht übernehmen. Karin wuchs mit wechselnden „Vätern“ auf, die sie alle auf ihre Art erziehen wollten. Karin wehrte sich und wurde „ein schwieriges Mädchen“.
Auch Karim hat Probleme mit seinen Eltern. Sein Vater sieht nicht ein, dass Karim weiter in die Schule gehen und studieren will. Er hätte lieber, dass er arbeitet und zum Familienunterhalt beiträgt. Karim wirft dem Vater vor, dass er seit 20 Jahren „hier“ ist und noch nicht Deutsch gelernt hat und deshalb nur Jobs als Hilfsarbeiter annehmen kann. Die Mutter muss putzen gehen, um die Familie ernähren zu können. Vor dem Krieg sind seine Eltern von Pakistan zuerst in den Libanon und dann „hierher“ geflüchtet, um den Kindern ein Leben in Frieden bieten zu können. Der Vater träumt von einer Rückkehr nach Hause, für Karim ist sein Zuhause hier, wo er geboren wurde.
Karin und Karim fühlen sich voneinander angezogen, aber Vorurteile und kulturelle Unterschiede verhindern immer wieder eine wirkliche Annäherung.
In der Folge erlebt das junge Publikum mit, wie Karim auf der Suche nach seiner Identität Anschluss an eine Gruppe in einer Moschee findet und dort im radikalen Islamismus Antworten auf seine Fragen zu erhalten glaubt.
Karin wiederum bekommt die Lösungen für ihre Fragen und Probleme von rechts serviert. Stereotype und Vorurteile werden bedient und verstärkt, und auf einmal scheint alles ganz einfach – bis auf beiden Seiten alles in die Luft fliegt.
Das junge Ensemble des Jugendstiltheaters, allen voran Rina Juniku als Karin und Hisham Morscher als Karim, bot eine überzeugende und mitreißende Leistung. Christian Himmelbauer und Lilly Anna Janoska inszenierten ein schwungvolles und brandaktuelles Stück, in dem von Flüchtlingen, Integration, islamistischem Terror, über Burka bis Donald Trump bewusst plakativ alles thematisiert wird, was derzeit Schlagzeilen liefert und das politische Geschehen bestimmt.
Fein dosierter Humor sorgt dafür, dass das Stück beim jugendlichen Publikum trotz der schwierigen Thematik gut ankommt und die Heranwachsenden ohne erhobenen Zeigefinger zum Nachdenken anregt.
Jugendstil-Theater
Schule für Wirtschaft und Technik Mödling
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