Meinungen der Chefredakteure
Prognose zur Landtagswahl und ihren Folgen
Nach der ORF-Elefantenrunde zur Landtagswahl diskutierten die Chefredakteure Christian Rainer (Profil), Martina Salomon (Kurier), Rainer Nowak (Die Presse), Georg Wailand (Kronen Zeitung, Stv. Chefredakteur) und Christian Nusser (Heute) über den Ausgang sowie die Auswirkungen der burgenländischen Landtagswahl 2020 – dabei ging es jedoch hauptsächlich um Landeshauptmann Doskozil
WIEN/BURGENLAND. Wie auch im Burgenland herrschte in der Diskussionsrunde in Wien kein Zweifel über den Ausgang der Landtagswahl: "Den ersten Platz wird Doskozil nicht verlieren und auch wenn er hoch gewinnt, wird er noch immer keine Lust haben, die Bundes-SPÖ zu übernehmen", ist sich Christian Rainer sicher. Martina Salomon glaubt, "für die Bundes-SPÖ ist es wichtig, dass Doskozil moderat gewinnt. Denn wenn er sehr hoch gewinnt, dann gibt es schon eine Diskussion, ob man seinen burgenländischen Weg in der Bundes-SPÖ nicht nachahmen soll."
"Zugewinn wäre Fingerzeig in Richtung Bundes-SPÖ"
Auch Rainer Nowak meint, man müsse davon ausgehen, "dass Doskozil gewinnt und er wird wohl auch zulegen und dann ist das schon ein klarer Fingerzeig in Richtung eines rechteren Kurses der Bundes-SPÖ, den die Parteilinke sicherlich nicht möchte, aber der dann zur Diskussion steht." Er halte die Burgenland-Wahl gerade deshalb "ausnahmsweise für wichtiger, als sie es sonst normalerweise wäre".
"Lose-lose-Situation für Bundes-SPÖ"
Georg Wailand sagte, dass Doskozil in seiner Art der Politik ein Maßstab für die weitere Entwicklung der Bundes-SPÖ sei. "Er wird schon ein Signal sein, wie es für die SPÖ in Österreich weitergeht." Christian Nusser meint jedenfalls, dass die Bundes-SPÖ bei der Landtwagswahl nur verlieren kann, "denn gewinnt Doskozil dazu, ist er alleine dafür verantwortlich und verliert er Stimmen, dann ist die Bundes-SPÖ schuld, weil sie ihm keinen Rückenwind gegeben hat. Also in Wirklichkeit ist es eine Lose-Lose-Situation für die Bundes-SPÖ".
"Keine Diskussionen unter den Kandidaten"
Letzterer finde interessant, dass die Elefantenrunde "im regionalen Bereich" komplett anders sei als auf Bundesbebene. "Erstens gibt es im Burgenland nur eine Frau und fünf Männer als Spitzenkandidaten und zweitens gab es einen Frontalunterricht wie in der Schule – es wurden Fragen gestellt und die wurden beantwortet, aber es gab keine Diskussion unter den Kandidaten", so Nusser.
Doskozil hält sich alle Optionen offen
Auf mögliche Koalitionen nach der Wahl ging die Runde der Chefredakteure nur bedingt ein. Nowak fand es etwa interessant, "dass alle mit dem Landeshauptmann koalieren wollen" und Nusser könne sich nicht erinnern, "dass Doskozil jemals so vage bezüglich zukünftiger Koalition war. Weil er hat nicht die Fortführung von SPÖ-FPÖ angesagt, sondern das offen gehalten. Ich fand das erstaunlich, da er in den letzten Monaten immer von einer Fortsetzung von Rot-Blau gesprochen hat". Auch Christian Rainer zeigte sich ein wenig verwundert, dass "ausgerechnet Doskozil, der so etwas bis jetzt immer gesagt hat, jetzt auf einmal behauptet, man redet vor Wahlen nicht über mögliche Koalitionen".
Mitleidseffekt aufgrund der Stimmprobleme?
Etwas intensiver beschäftigten sich die Chefredakteure dann mit den stimmlichen Problemen des Landeshauptmannes. So glaubt Salomon, dass diese zwar kurzfristig einen Mitleidseffekt und daher einen Vorteil bei der Wahl bedeuten können, "weil man ihm genauer zuhört. Aber wenn das nicht besser wird, gefährdet das langfristig sicher seine Karriere". Auch Wailand glaubt, "dass er darunter leiden wird. Wenn die Stimme so schwach bleibt, ist das längerfristig fast ein K.O.-Kriterium für Jemanden, der ganz vorne stehen soll".
Nowak meinte wiederum, wenn es nur um die Stimme gehe, sei es kein Problem. Denn: "Strache war in seiner erfolgreichen Zeit ständig heiser und konnte bei Wahlkämpfen kaum sprechen." Was Nusser eher Sorgen mache, sei die Atmung und nicht die Stimme. "Das kannte ich in der Form noch nicht und er hat wirklich Probleme gehabt, zu atmen."
Zweifel an Doskozil-Übernahme der Bundes-SPÖ
Abgesehen davon, dass Doskozil einem Wechsel an die Spitze der Bundes-SPÖ in den letzten Wochen und Monaten immer wieder eine Absage erteilt hat, zweifeln auch die Chefredakteure an einer baldigen Übernahme – nicht zuletzt aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme. Wailand: "Wäre er körperlich in einer Top-Verfassung, würde ich davon ausgehen, dass er sicher der Nummer 1-Kandidat für die Bundes-SPÖ wäre, denn er hat im Burgenland eine sehr klar akzentuierte Politik gemacht."
Nusser meint dazu, "wir dürfen nicht den Eindruck erwecken, als wäre die Führung der Bundes-SPÖ der begehrenswerteste Job. In Wirklichkeit bedeutet der Job nämlich, die nächsten viereinhalb Jahre in einer furchtbaren Situation zu sein. Da drängen sich jetzt also die Leute nicht gerade auf, die das machen wollen – Doskozil aus gesundheitlichen Gründen sowieso nicht".
"Wahl kein Stimmungstest für die Bundesregierung"
Abschließend werteten die Chefredakteure die anstehende Landtagswahl im Burgenland nicht als ersten Stimmungstest für die türkis-grüne Koalition auf Bundesebene. Nowak: "Landtagswahlen haben generell ganz selten eine bundespolitische Relevanz – im besten Fall gibt es einen Rückenwind oder einen Widerstand für bestimmte Parteien." Interessant sei vielleicht nur ein Punkt: "Wie schneidet die FPÖ ab? Immerhin ist es das Heimat-Bundesland von Norbert Hofer. Also wenn es ein sehr schlechtes Ergebnis für die FPÖ im Burgenland wird, wird das Norbert Hofer im Bund vermutlich nicht unbedingt helfen."
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