U-Bahn-Forschung
Das Mikrobiom der Stadt
Alexandra Graf untersucht die Mikroorganismen der Wiener U-Bahn.
FAVORITEN. Wenn Alexandra Graf von ihrem Projekt erzählt, hört sie oft die gleiche Reaktion: „Das will ich gar nicht wissen.“ An einem Tag im Jahr beprobt Graf, Mikrobiologin an der FH Campus Wien, die U-Bahnstationen und Züge der Stadt. Weltweit machen das rund 100 Städte gleichzeitig im Rahmen einer internationalen Kooperation mit dem Ziel herauszufinden, welche DNA in öffentlichen Verkehrsmitteln gefunden werden kann.
In Wien wurden so 50 Proben von Sitzen, Haltegriffen, Gummischleifen oder Handläufen in Stationen und Zügen jeder U-Bahnlinie genommen. Meist wählten sie dafür Kreuzungspunkte wie den Westbahnhof oder die Station Volkstheater aus.
Gar nicht so ekelig
Eine angeekelte Reaktion, die ihr von vielen entgegenschlug, sei im Hinblick auf die Ergebnisse jedoch nicht nötig: „Das meiste was wir in Wien finden gehört zum menschlichen Mikrobiom. Es sind also Bakterien, die wir ohnehin in gesunden Menschen finden.“ In manchen Stationen wie dem AKH, fanden sie DNA von Tauben, an zentralen Plätzen auch Pferde-DNA – etwas, das nicht überrascht, wenn man die Lage der Stationen bedenkt. Auch ein zweites Projekt beschäftigt sich mit den kleinsten Bewohnern der Stadt: „Hier wollten wir sehen, wie viel DNA von diesen Oberflächen auf die Handflächen gelangt.“ Freiwillige mussten vor der Fahrt ihre Hände waschen, ihre Handflächen wurden dann vor und nach einer U-Bahnfahrt überprüft. Überraschend war es hier Mikroorganismen zu finden, die normalerweise mit heißen Thermalquellen in Verbindung stehen. „Sie kommen vermutlich aus der Wasserleitung und bleiben einfach kurz auf den Händen“, vermutet Graf.
Viele offene Fragen
Prinzipiell ist die Hälfte der Daten, die Graf aber auch Wissenschaftler in vielen anderen Städten finden, unbekannt. „Das menschliche Mikrobiom ist gut erforscht und man weiß, was dazugehört. Aber andere Organismen aus der Umwelt finden wir in keiner Datenbank.“ Die Methoden in diesem Feld werden jedoch immer vielfältiger, die Anwendungen billiger. Offene Fragen gibt es viele. So hoffen die Forscher herauszufinden, ob Organismen in der Nähe von Krankenhäusern öfter resistent gegenüber Antibiotika sind und Barrieren deswegen anders gebaut werden müssen – etwas, das sich bisher nicht bestätigt habe.
Graf landete nach ihrem Biologiestudium zuerst bei einer IT-Firma, bevor sie ihre Interessen kombinierte und ihren Doktor in Bioinformatik machte. Seither ist dieses Feld immer weitergewachsen: „Es gibt so viele Fragen zu Mikroorganismen und ihrer Funktion in der Umwelt oder im Körper. Und ich habe großes Interesse, so viel wie möglich davon zu beantworten.“
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