GERÜCHTEKÜCHE - Ein Kurzkrimi von Norbert Stöckl
"Männer und Frauen sind wie zwei artverwandte Pflanzen, deren Lebensdauer und Blütezeit unterschiedlicher nicht sein können!"
Mit diesen Worten neigte der weißhaarige Mann sein Kinn zur Seite und blies den Rauch der Zigarette zur Decke des Cafe Gröler´s, im 10. Wiener Gemeindebezirk.
"Das musst du uns jetzt aber genauer erklären…was meinst´ damit, Professor?", fragte die auffällig geschminkte Kellnerin Manuela und beugte ihren üppigen Körper in dem viel zu eng geschnittenem Kleid über die Bar. Die anderen Gäste blickten ihn erwartungsvoll an, ebenso wie die betagte Wirtin, die noch jeden Abend ihr geliebtes Lokal besucht um ein wenig nach dem Rechten zu sehen.
"Aber das liegt doch auf der Hand - betrachten Sie nur die unterschiedliche Lebenserwartung im Vergleich zur Fortpflanzungsperiode, vom anhaltenden äußeren Erscheinungsbild erst gar nicht zu sprechen. Die Frau als langlebige Pflanze mit nur kurzer Blütezeit, großknospig und opulent…der Mann, ein schnell verderbendes Gewächs dessen Pracht beinahe lebenslang erfreut!"
Anton Wurlinger, Polier einer bekannten Baufirma, hob ein wenig desorientiert die Hand und stammelte: "Das versteh´ ich ned?"
"Er meint, dass wir Weiber früher schiach san und keine G´schrappen mehr bekommen können!", antwortete die resolute Wirtin, während sie kopfschüttelnd den Professor fixierte. "Ich glaub´ es wär g´scheiter wenn Sie sich in der Pension mehr mit Ihrem Hobby befassen würden, als mit unnötigen Gedanken über die Menschheit. Wie geht’s eigentlich dem Detektivsport, haben´s wieder einen ungeklärten Fall im Visier?"
"Aber selbstverständlich, Frau Helga! Schon mal was von Seifrieds Verschwinden gehört?"
"Seifried…", entgegnete die Inhaberin überrascht, "…das war doch der immerfort b´soffene Architekt. Stimmt, den hab´ ich hier schon seit Wochen nicht mehr gesehen…ist der nicht auf Entzug in Kalksburg?"
Der Professor - eigentlich kennt niemand seinen wirklichen Namen - rollte mit den Augen.
"Nicht jeder Säufer landet gleich immer in Kalksburg oder Baumgarten, nein, dem Seifried ist etwas Schlimmes passiert, da bin ich mir ganz sicher. Erst neulich habe ich wieder mit seiner Nachbarin geplaudert und die macht sich bereits große Sorgen, wo er doch schon seit Wochen nicht mehr zu Hause war. Die überflüssige Reklame entfernt sie tagtäglich von seiner Tür, ebenso wie die aus dem Briefschlitz ragende Post, die sie ungeöffnet für ihn sammelt. Eine brave Frau, die alte Wotruba!"
"Das nenn´ ich blöd und ned brav!", meldete sich der 'Lange Peter' erstmals zu Wort. "Wenn sie sich wirklich um ihn sorgt, dann wär´s an der Zeit einmal die Kiberei aufzusuchen. Vielleicht liegt er ja schon kalt in seiner Wohnung…und modert vor sich hin!"
"So wie die Alte, die heute in der Kronenzeitung g´standen ist. Bereits über ein Jahr verstorben und niemand hat was g´merkt! Eine schöne G´sellschaft sind wir g´worden!", ergänzte die Kellnerin, ein frisches Krügel für den Professor zapfend, während sich Frau Helga laut Gedanken machte.
"Vielleicht ist er ja im Spital oder hat gar seinen Job verloren…und hat sich dann heimdreht...ein sehr sensibler Mensch, dieser Architekt. Blitzg´scheit und gleichzeitig so deppert, dass er sich jeden Abend hat volllaufen lassen..."
"Seine Ex und ihr Neuer leben doch in Hamburg, oder?", fragte Monika dazwischen.
"...genau...und die drei Kinder hat sie mitgenommen!"
Der Professor zündete sich eine weitere Zigarette an und komplettierte: "Das hat dem Seifried sehr zugesetzt, ebenso wie sein Job in der Firma, wo angeblich nur lehrbuchmäßig herum strukturiert wird. Ja, ja, die andauernden Veränderungen die einem das Leben oft zerstören. Trotzdem glaube ich nicht an einen Selbstmord. Der Seifried hat doch auch bei Projektvergaben manipuliert. War da nicht dieses riesige Hotel in Bukarest, wo er nach Ablauf der Angebotsfrist noch einen deutschen Generalunternehmer hinzugezogen hatte, um so das vorliegende Bestbieter-Offert der ortsansässigen Baufirma zu eliminieren? Wer weiß wo die Rumänen-Mafia ihr Geld überall investiert - die sind bestimmt nicht zimperlich wenn es darum geht den Markt zu schützen. Stanescu, so hat der Kerl doch geheißen, mit dem er sich des Öfteren am Telefon unterhalten hat. Ein mieses Spiel, zuerst den Auftrag zu versprechen, dann umzukippen und die Hand aufzuhalten. Angeblich hat die Wotruba auch einen Fremdländer dabei beobachtet wie er sich an der Wohnungstür vom Seifried zu schaffen machte!"
Anton Wurlinger, kurz Wurli genannt, schob sein leeres Weinglas zur Kellnerin hinüber.
"Noch an Spritzwein, Manu, aber an Ordentlichen!"
Frau Helga funkelte ihn an.
"Bei uns san alle Spritzer ordentlich, und wenn´s dir ned passt kannst du dir ja beim Billa a Tetrapack kaufen…aber für daheim! Sagen´s, Herr Professor, hat der Architekt wirklich von den Deutschen Geld g´nommen?"
"Tja, Verehrteste, beweisen kann ich es nicht, aber es ist doch naheliegend, wo er sich vor zwei Monaten noch einen nagelneuen Passat gekauft hat. Der steht übrigens in der Garage, das habe ich bereits recherchiert."
"Der Seifried und ein neues Auto...", platzte Manuela heraus, "...der ist doch blank wie a Stabsoffizier. Hab ich zumindest g'hört...stimmt's Peter?"
Der 'Lange Peter' schielte nickend auf die prallen Hüften der Kellnerin.
"Stimmt, zumindest hat das der Schlosser von nebenan erzählt. Dem schuldet er noch immer die Maut für zwei nachg'machte Schlüssel. Der Seifried…um den wär´s wirklich nicht schad!"
Minuten später betrat ein weiterer Gast das Gröler - der dicke Toni, ein 140 Kilobröckerl. Schnaufend schleppte er sich zur Bar und bestellte ein Achterl Rot.
"Wollt´s wissen was ich soeben erfahren hab..."
Die Wirtin fiel ihm ins Wort: "Den Seifried haben´s g´funden...wahrscheinlich da´schossen…von einem Fremden..."
Ablehnend schüttelte er den Kopf.
"Der Seifried...aber der arbeitet doch jetzt für a deutsche Baufirma in Hamburg. Da hat er´s ned weit zu seinen Kindern und obendrein verdient er auch a bisserl mehr. Naa...den Seifried geht´s jetzt wieder gut...aber die alte Wotruba vom 18er Haus ist heute von einer Briefbomb´n in die Luft g´sprengt worden. Angeblich Post aus Rumänien - die Polizei ermittelt noch!"
Ihr/Euer NorbS
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