Neun Jahre Demos gegen Akademikerball: Was sich verändert hat

- Auch aktionistische Clown-Truppen gehören zur Demo dazu.
- Foto: Edler
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Seit den 1950ern laden die Wiener Burschenschaften jedes Jahr zum Tanz, seit 2008 wird dagegen demonstriert. Die Proteste vor den Toren der Hofburg sind an der früher als WKR-Ball bekannten Veranstaltung im Inneren nicht spurlos vorüber gegangen.
WIEN. Als im Jänner 2008 die erste Demonstration gegen den Ball des Wiener Korporationsrings (WKR) stattfand, nahmen rund 400 Personen daran teil. Die Polizei bemerkte den Aufmarsch erst, als sich die Demonstranten bereits direkt vor der Hofburg befanden. Im Jänner 2017 werden rund 2.700 Polizeibeamte aus ganz Österreich im Einsatz sein, um die Wiener Innenstadt großräumig abzurieglen. Via eigenem Youtube-Kanal plant die Polizei, Videos von der Demonstration ins Netz zu stellen. Um diesen Wandel zu verstehen, muss man die neunjährige Geschichte der Proteste etwas genauer betrachten.
Der Ball der Dachvereinigung der Wiener Burschenschaften, der vor allem schlagende, deutschnational orientierte Studentenverbindungen wie die "Olympia" (prominentes Mitglied: der frühere dritte Nationalratspräsident der FPÖ, Martin Graf) angehören, findet seit den 1950er Jahren statt. Jahrelang feierte man unter der Wahrnehmungsgrenze der Öffentlichkeit, auch Rektoren und andere honorige Personen des öffentlichen Lebens nahmen regelmäßig an der Veranstaltung teil.
Dass der Ball heute als Vernetzungstreffen der rechten Elite Europas in der Öffentlichkeit bekannt ist, werten Organisationen, die sich gegen den Ball engagieren, als den größten Erfolg des jahrelangen Protests. Darin sind sich Rechtsextremismus-Experte Bernhard Weidinger, der Grüne Justiz-Sprecher Albert Steinhauser und Politikwissenschafterin Hanna Lichtenberger, die am Dienstag auf Einladung der jungen Grünen am Neubau darüber diskutiert haben, was "antifaschistischer Protest heute bedeutet", einig. Denn das eigentliche Ziel, den Ball zu verhindern bzw. zumindest aus den repräsentativen Räumen der Republik Österreich zu verbannen, ist bis heute nicht erreicht.
Proteste haben auch Ball verändert
Ob die Proteste den Ball an sich verändert haben, beantwortet Weidinger, der sich in zahlreichen wissenschaftlichen Beiträgen mit den Verbinundgen zwischen Burschenschaften und der Freiheitlichen Partei Österreichs auseinandergesetzt hat, so: "Die Demonstrationen und vor allem der dadurch erschwerte Zugang zur Hofburg haben schon dazu geführt, dass die Zahl der Ballbesucher über die Jahre abgenommen hat." Die Zahl der Protestierenden vergrößerte sich tatsächlich indirekt proportional zur Zahl der Ballbesucher. Waren es im Jahr 2008 noch an die 4.000 Gäste gegenüber 400 Demonstranten, kamen in den vergangenen Jahren nur mehr rund 1.500 Personen zum Ball, bei den Demonstrationen waren stets mehrere Tausende Menschen anwesend.
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Auch "prominente" Gäste lassen sich am Ball immer weniger blicken. So geht Weidinger nicht davon aus, dass etwa Marine LePen vom französischen Front National, die im Jahr 2012 noch Ehrengast war, heuer am Ball teilnimmt - nicht zuletzt weil sich das im französischen Präsidentschaftswahlkampf negativ auswirken könnten. Dass nach wie vor viele zweifelhafte Gestalten auf dem Ball vergnügen, dürfe nicht übersehen werden. Er weist darauf hin, dass im vergangenen Jahr unter anderem Vertreter der ungarischen, als faschistisch einzustufenden Jobbik-Jugend und ebenso gesinnte ungarische Bürgermeister am Ball anwesend waren.
Seit 2013: Wiener FPÖ organisiert "Akademikerball"
Inzwischen wird der Ball nicht mehr vom WKR veranstaltet. Die Wiener FPÖ organisiert seit dem Jahr 2013 die Veranstaltung, die seither "Akademikerball" heißt. Auch das sei eine Konsequenz der jährlichen Proteste gewesen, da die private Betreibergesellschaft, die für die Vermietung der Hofburg-Räumlichkeiten zuständig ist, mehr und mehr unter Druck geriet. Die Betreibergesellschaft argumentiert seit der Übernahme durch die FPÖ, dass die Räumlichkeiten allen Parteien, die im österreichischen Parlament vertreten sind, offenstünde. Das freut nicht zuletzt die FPÖ, die stolz darauf sei, internationale Gästen im mondänen Rahmen in den Räumlichkeiten der Republik empfangen zu können, sagt Weidinger.
Das ist aber genau jener Punkt, an dem sich die Gegendemonstranten stoßen, beziehungsweise wo sich auch die unterschiedlichen Bündnisse, die seit Jahren gegen den Ball mobil machen, treffen. Waren es am Anfang vor allem autonome Aktivistinnen und Aktivisten des 2008 gegründeten Bündnisses <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://nowkr.at/">"NOWKR"</a> die den Ball erstmals thematisierten und dagegen protestierten, sind über die Jahre noch weitere hinzugekommen. Da wäre zum einen die seit 2011 existierende <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.offensivegegenrechts.net/">"Offensive gegen Rechts" (OGR)</a>, deren Träger vor allem Jugend- und Studierendenorganisationen sind. 2012 war dann auch erstmals die sehr breite Initiative<a target="_blank" rel="nofollow" href="http://www.jetztzeichensetzen.at/">"Jetzt Zeichen setzen!"</a>, in der von Parteien wie SPÖ und Grüne, über zivilgesellschaftliche NGOs bis hin zu den Pfadfinder zahlreiche Organisationen vertreten sind, an den Protesten beteiligt.
Eskalation und "kafkaesker" Prozess im Jahr 2014
Im Jahr 2014 erreichten die Proteste gegen den Ball dann ihren "Höhepunkt". In der Inneren Stadt wurden die Reihen der Polizei von einem Teil der Demonstranten durchbrochen, Fensterscheiben und andere Dinge gingen zu Bruch. Hinter dem Burgtheater waren zwischenzeitlich 2.000 Menschen, die eine Sitzblockade veranstalteten, von der Polizei in einem Kessel festgehalten. Auch die Universität der Bildenden Künste, an der gerade Tag der offenen Tür war, wurde eingekesselt - die Polizei vermutete, dass sich dort Aktivisten "verschanzt" hätten. Was nicht der Fall war - Rektorin Eva Blimlinger nannte die Aktion einen "Skandal" und forderte eine Entschuldigung von der Polizei.
Was auf die Ereigniss am 24. Jänner 2014 folgte ist bekannt: 517 Anzeigen wegen Landfriedensbruchs, 91 wegen Sachbeschädigung und 70 wegen Verstoßes gegen das Vermummungsverbot wurden erstattet. Unter anderem auch gegen den deutschen Student Josef S. - er wurde wegen Landfriedensbruchs, Sachbeschädigung und Körperverletzung zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe, davon acht Monate bedingt, verurteilt. Der als "kafkaesk" kritisierte Prozess sorgte für erhebliche Kritik am Vorgehen von Polizei und Justiz und entfachte eine mediale und gesellschaftliche Disksussion über die Rechtsstaatlichkeit in Österreich.
Keine Zwischenfälle 2015 und 2016
In den Jahren danach ist es zu keinen größeren Zwischenfällen gekommen. Das Bündnis NOWKR löste sich im Jahr 2015 auf, nachdem die Polizei ihre Demo untersagt hatte. In einem <a target="_blank" rel="nofollow" href="http://nowkr.at/">ausführlichen Text</a> wurde der Protest der vergangenen Jahre reflektiert, worin man zu dem Schluss gelangt: "Unserer Einschätzung nach ist das Event für Link(sradikal)e inzwischen weitaus wichtiger geworden, als er an Bedeutung für die extreme Rechte noch darstellt. Deshalb haben wir bereits im Vorfeld angekündigt, dass dies die letzte große Mobilisierung war: NOWKR ist Geschichte. Linksradikaler Protest darf nicht zum Selbstzweck werden oder gar in purer Tradition untergehen."
Und jetzt?
Damit haben sich die Proteste zwar nicht erledigt, aber sie haben sich verändert - wie eingangs beschrieben auch der Ball selbst. Die OGR ruft zwar auch heuer wieder zum Protest auf, auszugehen ist aber davon, dass der Abend ruhig verlaufen wird. Mit einer Anspielung auf die langwierige Präsidentschaftswahl lautet das Motte heuer: "Burschiball anfechten! Solidarität statt Hetze!". Um 17 Uhr ist Treffpunkt beim Schottenring, danach geht es über die Wipplingerstraße zum Stephansplatz. Es ist nicht davon auszugehen, dass es dabei zu gröberen Zwischenfällem kommen wird.
Wichtiger als der Kampf gegen den Ball, sei ohnehin der "Kampf um die Menschen", formuliert Albert Steinhauser bei der Diskussion abschließend seine Vorstellung von antifaschistischem Protest im Jahr 2017. "Wir müssen um die kämpfen, die abzurutschen drohen. Wir müssen mit den Menschen, die sich von rechten Ideen angezogen fühlen, reden. Denn wir sehen im Moment: Jene, die rechte oder gar faschistische Ideen verbreiten, profitieren vor allem vom Schweigen der anderen."
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