Theater
Regie? Theater?
Das Regietheater ist ein neuerer Begriff, über den in Fachkreisen und noch mehr vielleicht im Publikum viel diskutiert wird. Es meint ungefähr eine Theateraufführung, wo die Einfälle des Regisseurs wichtiger scheinen als die Absichten des Autors.
Ich bin keine Freundin vom Regietheater. Ich habe nichts dagegen, wenn ein Jahrhunderte oder gar Jahrtausende altes Stück in modernen Kostümen und in moderner Umgebung gespielt wird. Aber ich mag nicht, wenn der Regisseur den Sinn des Werkes entstellt, lange Seiten dazu schreibt, die Personen verdoppelt oder gar verdreifacht - beides in Wien erlebt! - usw. Wenn er "gegen die Musik" arbeitet. Am Ende von Beethovens "Fidelio" gibt es z.B. eine wundervolle Jubelmusik, weil Leonore nicht nur ihren Ehemann aus dem politischen Gefängnis befreit hat, sondern weil auch in der Politik das Gute siegt. Die Liebenden fallen einander selig in die Arme. - Aber im Regietheater gehen sie, nachdem die Krisen bewältigt sind, mit Trauermiene auseinander. Warum?
Es ist natürlich schwer, in jeder Regiearbeit etwas unerhört sensationell Neues zu schaffen. Die Frage ist, muss man das?
Ich sage oft, der superkreative Erneuerer, der Herr Regisseur sollte halt ein neues Stück schriben, dort könnte er sich austoben. Aber nein, so weit geht die Kreativität doch nicht - und Shakespeare, Tschechow, Richard Wagner usw. können sich nicht mehr wehren.
Ende Juni waren wir in der Staatsoper: "Cavalleria Rusticana" und "Pagliacci", 2 Einakter, ziemlich genau 130 Jahre alt. Die Regiearbeit des viel zu früh (1988) verstorbenen Jean-Pierre Ponelle ist auch schon 38 Jahre alt, trotzdem zeitgemäß und traditionell zugleich. Beide Opern spielen in Sizilien. Ponelle lässt ein Dorf aufbauen, die Personen schauen aus, wie damals dort Menschen ausgeschaut haben, es lenkt nichts ab. Die Musik wirkt, die Tragödie erschüttert. Nach der Pause geht es mit dem 2. Werk eines anderen Komponisten weiter - und hier kommt die Kreativität des Regisseurs zum Vorschein: wir sind offensichtlich im selben Dorf. Nur sind wir hier schräg hinter der Kirche, während wir vorher auf dem Platz vor derselben Kirche waren. - Das erstaunt, verwirrt aber nicht, und die nächste sizilianische Tragödie kann ihren Lauf nehmen.
Der Regisseur bleibt im Hintergrund. Das empfinde ich als gute Regie, im Gegensatz zum "Regietheater", wie es heute praktiziert wird.
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