Windräder am Lemberg. Grundsätzlich gerne, aber...

Liebe Nachbarn,
ich mag Euch, eigentlich sogar sehr. Ich bin sogar bei Euch in die Schule gegangen. Vier Jahre bin ich jeden Nachmittag mit dem Bus über den Lemberg gefahren und hab ihn mir angesehen, von unserer und von eurer Seite, immer und immer wieder. Schön ist er, aber so besonders auch wieder nicht.

Unsere Diskussion um die Windräder am Thalgauer Lemberg dreht sich mittlerweile länger – wie zu befürchten ist – als die eigentlichen Verursacherinnen jemals werden. Während die Initiatoren geduldig der Genehmigung harren, lasst Ihr, verehrte Gegnerschaft, nichts unversucht, mit gebetsmühlenartiger Wiederholung das argumentative Hamsterrad am Laufen zu halten – mühsam, sinnlos und, wie es leider scheint, teilweise auch recht egoistisch.

Trotzdem sollte man Euer Hamsterrad mal genauer betrachten, vielleicht lohnt es sich.

Die erste Sprosse kann man, wie es in diesen Fällen manchmal ist, auf den ersten Blick noch nachvollziehen. Die Windräder am Lemberg wären ja grundsätzlich eine gute Sache, aber leider, leider – so betont Ihr bei jeder sich bietenden Gelegenheit – gäbe es auf dem Höhenzug viel zu wenig Wind, die Stromleitung wäre zu aufwendig und das Projekt von Subventionierungen abhängig, kurz der Standort ist ungeeignet. Besser wäre da schon, die Windräder ins Burgenland, in die Nordsee oder am besten überhaupt nach Sibirien zu verfrachten, dorthin gehören sie sowieso!

Auf den ersten Blick gut getreten, liebe Hamsterradfahrer, allerdings so einfach ist es nicht. Natürlich gibt es in der Nordsee oder im Pannonischen Becken mehr Wind. Daher sind ja diese Regionen die Vorreiter in Sachen Windenergie, allerdings wird irgendwann auch das 10.000ste Windrad seinen Strom nicht mehr in der Region absetzen können. Die direkte Folge sind dann die berühmt-berüchtigten 380 kV-Leitungen. Wir Menschen werden immer mehr, der Energiebedarf wächst, also haben wir die Wahl zwischen regionaler Energiegewinnung oder dem Bau von Stromautobahnen. Vielleicht solltet Ihr, liebe Gegner, mal im Salzachtal anrufen und fragen, wie es dort um eine neue Hochspannungsleitung bestellt ist. Auch unsere geschätzten Nachbarn in Bayern sind mit dieser Frage konfrontiert. Im Zuge der Energiewende wurde die Windenergie in Norddeutschland ausgebaut und nun werden die Monster-Stromtrassen, teilweise zwei 380 kV-Leitungen nebeneinander (siehe dazu den „quer“-Beitrag des Bayrischen Fernsehens vom 10.12.2015), Wirklichkeit.

Der Lemberg ist zwar tatsächlich nicht für tosende Stürme bekannt, genug Wind weht da oben aber durchaus. 237 W/m² und 5.417 MWh bzw. 2.709 Volllaststunden pro Jahr sprechen eine deutliche Sprache. Abgesehen davon: das Windrad wird von einer privaten (!) Investorengruppe finanziert und betrieben. Man kann davon ausgehen, dass sich hier jemand etwas überlegt hat, bevor er privates Geld in die Hand nimmt.

Dass Ökostrom subventioniert wird, stimmt. Allerdings werden ausnahmslos alle Formen der Energiegewinnung gefördert, das, liebe Gegner, wird immer wieder gerne vergessen. Die Energiepreise an den Börsen decken die Gewinnungskosten niemals ab, das weiß, wer sich näher mit der Thematik beschäftig. Manche Formen werden offiziell gefördert (so wie die Erneuerbaren über gestützte Tarife), andere durch verdeckte Subventionen (Braunkohle, Steinkohle, Atomkraft) oder schlicht durch die Auslagerung der Folgekosten auf die Allgemeinheit (Klimawandelfolgen, Atommülllager für tausende Jahre, …). Die Studie „Was Strom wirklich kostet“ des Forum Ökologische-Soziale Marktwirtschaft aus dem Jahr 2015 beweist eindeutig, dass bei ehrlichen Vollkostenrechnungen erneuerbare Energien preislich samt und sonders unter nuklearen oder fossilen Quellen liegen – unabhängig von der ohnehin viel höheren regionalen Wertschöpfung (wie es beispielsweise beim Lemberg ist).

Eure zweite Sprosse tritt sich schon ein wenig schwerer: der Umweltschutz. Vögel und Wald werden durch das Windrad ge- bzw. zerstört. Im Burgenland, rund um den Neusiedler See, wäre das übrigens nicht so schlimm, da könnte man das schon machen, das ist ja weit weg. Liebe Gegner, der Lemberg ist kein Naturschutzgebiet, kein Landschaftsschutzgebiet und schon gar kein Nationalpark. Da ändern auch dramatisch inszenierte Fotos, die sogar einer kleinformatigen Zeitung würdig sind, nichts!

Wo also, liebe Hamster, sollen wir die dringend benötigte Energie gewinnen, wenn wir jeden Wald, den so manches verkappte Möchtegern-Model gern zum Wandern nützt, als unantastbar definieren? Apropos unantastbar: Ein Windrad, dessen Fundament die Maße 18m x 1,05m x 3,3m hat, zerstört keinen ganzen Höhenzug bestehend aus Zifanken, Große Plaike und Kolomansberg. Das ist Fakt. 4,4 km Leitungen, die entlang von bestehenden Forstwegen verlegt werden, zerstören noch viel weniger. Wir möchten ein einziges Windrad errichten, keinen Kohletagebau ausheben. Und noch einmal: Die Kosten hierfür werden von privaten Investoren übernommen, Leitungen und Windrad kosten der Allgemeinheit keinen Cent.

Ob das Windrad Auerhahn, Uhu oder Schwarzstorch, trotz österreichweit einmaliger Einrichtungen wie dem Vogelschutzsystem dtBird, tatsächlich stört, wird das Umweltamt des Landes Salzburg klären. Dazu ist es da, da kennt es sich aus. Diese Entscheidung liegt aber sicher nicht in laienhaften, emotionsgeladenen Hamsterpfoten.

Drittens führt Ihr gerne den Tourismus ins Treffen. Die Windräder am Lemberg würden europaweit bekannten Tourismuszentren wie Henndorf oder auch Neumarkt die Lebensader kappen. Wo sich diese Touristenströme das ganze Jahr über verstecken, wisst nur Ihr selbst. Wahrscheinlich in Euren Hamsterbauten. Daher bitte ich Euch, an dieser Stelle ehrlich zu spielen: Ja, eh, es ist tatsächlich schön bei Euch, aber der Tourismus spielt auch bei Euch nur eine marginale Rolle. Der Unterschied zu uns Thalgauern ist da gar nicht so groß.

Laut offizieller Tourismusstatistik der Landesregierung Salzburg (Stand 08.01.2015) hatte das Bundesland Salzburg im Sommer 2014 insgesamt 11.389.334 Übernachtungen. Davon entfielen auf das gesamte Salzburger Alpenvorland (das ist da, wo Ihr daheim seid) 147.937, also ganze 1,3 Prozent. Zum Vergleich: Das Lammertal im Tennengebirge schaffte 261.578 Übernachtungen, und das ganz ohne See!

Im Detail eröffnet sich ein noch viel ehrlicheres Bild. Neumarkt hatte im Sommer 2014 10.665 Übernachtungen, Köstendorf erreichte immerhin 535 (!) und die Henndorfer 8.473. Rechnet man noch die paar Verirrten in Thalgau dazu, sind das zusammengenommen immer noch weniger Nächtigungen als beispielsweise alleine St. Martin im Tennengebirge mit 57.754 verzeichnete.

Kurz gesagt, die paar verlaufenen Touristen, die es zu uns schaffen, werden wohl trotz Windrad kommen, die wissen offenbar sowieso nicht, wo sie sonst hin könnten.

Die Mär vom Touristenschreck Windrad stimmt ohnehin nicht: In der Nordsee, auf den griechischen Mittelmeerinseln, selbst auf Madeira werden sie außerhalb von Nationalparks gebaut. Keines dieser Beispiele meldet etwaige finanzielle Einbußen oder geringere Nächtigungszahlen. Vielmehr erweist sich der moderne Tourist dem Ökostrom sehr aufgeschlossen. Windräder, ein Tourismus-PLUS!

Ihr Henndorfer habt eh so tolle Dinge, die man unternehmen kann: Eiszeit-Rundwanderweg und Skaten auf den freigegebenen Gemeindestraßen, da ließe sich ein Windrad als neue Hauptattraktion doch gut mitnehmen. Aber vielleicht gilt auch an dieser Stelle: Grundsätzlich haben wir Touristen gerne, aber doch bitte nicht bei uns…

Die letzte Sprosse ist die am häufigsten genannte, die emotionalste und mit die Sicherheit auch die ehrlichste – das mag damit zusammenhängen, dass Ihr Hamster vom vielen Treten und Wiederholen nun schon sehr erschöpft seid. Erschöpfung fördert bekanntlich Ehrlichkeit. Die Windräder sind von Thalgau aus nicht zu sehen, dem Rest der Welt werden sie vors Küchenfenster gebaut. Die Thalgauer, diese Kirchturmdenker, diese fürchterlichen Querulanten und Sich-selbst-Denkmal-Setzer (das sie dann aber selbst doch nicht sehen können…).

Ja, man kann die Windräder von Thalgau aus nicht sehen, stimmt. Nein, die Windräder verschandeln nicht die gesamte Landschaft, stimmt absolut nicht. Selbst der erschöpfteste Hamster unter Euch sollte an dieser Stelle im Internet jede beliebige, durchaus leicht zu findende, Fotomontage ehrlich und objektiv betrachten. Wenn Ihr das einzelne Windrad dann erspäht habt, werdet Ihr erkennen, dass es so schlimm gar nicht ist. Abgesehen davon: Landschaftsästhetik ist etwas Subjektives, einigen mag es nicht gefallen, anderen aber schon. Eine sachliche Argumentation auf Emotionen und persönlichen ästhetischen Empfindungen aufzubauen, wird nicht funktionieren. Ökostrom ja, aber bitte nicht bei mir, das gefällt mir nicht. Liebe Hamster, persönliche Befindlichkeiten werden doch wohl nicht tatsächlich Eure Argumentationsgrundlage bilden. Oder etwa doch?

Wer immer um des Ablehnens willen ablehnt, hat die Grundregel jeder Diskussion vergessen: Lösungsorientierung. Ihr fleißigen Hamsterradtreter versucht, zugegebenermaßen recht erfolgreich, zu verschleiern, dass Euch jede Lösung, wie man ausreichend Energie bereitstellt, fehlt.

Atomkraft kann keine Lösung sein, Tschernobyl und Fukushima sind nur beispielhafte Spitzen des Eisbergs. Alte Brennstäbe in sogenannten „Zwischenlagern“ und das ewig schwebende Damoklesschwert des atomaren GAU liegen unter Wasser.

Wasserkraft wird in Österreich zwar erfolgreich genutzt, welche Folgen eine zunehmende Verbauung der Flüsse hat, ließ sich aber in den vergangenen Jahren gut erkennen.

Solarenergie benötigt Platz, den wir bekanntlich, die Grundstückspreise zeigen es, in der Region nicht haben. Ein sonniges, menschenleeres Andalusien fehlt einfach im Flachgau.

Fossile Brennstoffe haben sich in den letzten Jahrzehnten selbst aus dem Spiel genommen. Wer noch immer nicht an den Klimawandel und die Erderwärmung glaubt, sollte dieser Tage einen Blick nach Peking riskieren. Und ganz ehrlich, man findet immer wieder einen Grund, warum etwas bei uns nicht, woanders aber schon geht. Konstruktives Handeln sieht aber anders aus.

Das eine geplante Windrad spart pro Jahr 2.824 t CO² oder knapp 5,5 kg radioaktiven Abfall ein und versorgt dabei, laut der E-Control Austria rund 1300 Haushalte mit Energie. Die Chinesen wären im Moment froh um solche Werte. Ich persönlich schätze, dass es sogar 100 bis 150 Atemschutzmasken einspart. Mindestens!

An Euch Hamsterradtreter, die uns Thalgauern Kirchturmdenken vorwerfen: Wir Kirchturmdenker haben in den letzten 15 Jahren drei Hochwasserkatastrophen erlebt. Bei uns hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass der Klimawandel real ist und wir etwas dagegen unternehmen müssen. Leider sind unsere Möglichkeiten gering, aber wir geben unser Bestes, diese Chancen voll auszuschöpfen, damit kommende Generationen nicht alle paar Jahre renovieren müssen. Glaubt mir, das ist kein Spaß! Die Windräder am Lemberg sind unser Beitrag, den Klimawandel einzudämmen.

An dieser Stelle ein Dank an die privaten Investoren um Bürgermeister Martin Greisberger, Geschäftsführer Peter Stiegler und Grundeigner Maximilian Mayr-Melnhof. Sie haben sich vom Ja-aber-Denken verabschiedet und sich in Richtung umweltfreundliche Zukunft gewendet.

Uns vorzuwerfen, wir würden nur an uns denken, ist maximal ein schlechter Versuch, den eigenen Egoismus und die eigene Ignoranz zu kaschieren. Der Hamstervergleicht hinkt, Hamster sind Tiere und wissen es daher nicht besser. Und von einem Hamster war auch noch nie „Grundsätzlich gerne, aber nicht bei mir!“ zu hören. Das bleibt an echten Kirchturmdenkern hängen.

Liebe Grüße und nichts für ungut,

Michael Kroiß, Thalgau

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