CYBERMOBBING
Freistädter Schülerzentrum kürte Sieger des Schreibwettbewerbes

Die drei Siegergeschichten wurden unter anderem im Buch "Enough" abgedruckt. Darin befinden sich auch wichtige Fakten rund ums Thema Cybermobbing.  | Foto: Privat
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  • Die drei Siegergeschichten wurden unter anderem im Buch "Enough" abgedruckt. Darin befinden sich auch wichtige Fakten rund ums Thema Cybermobbing.
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  • hochgeladen von Elisabeth Klein

Im Jänner befasste sich die BezirksRundschau Freistadt in einem "Thema der Woche" mit der Problematik Cybermobbing. In Kooperation mit dem Schülerzentrum Taurus wurde ein Schreibwettbewerb ins Leben gerufen. Nun sind die Gewinner gekürt und die BezirksRundschau präsentiert die Kurzgeschichte der 20-jährigen Siegerin. 

FREISTADT. In sozialen Netzwerken werden peinliche Fotos oder Videos von Klassenkameraden gepostet. Über diverse Messenger boshafte Nachrichten geschickt. Nutzer werden öffentlich beleidigt und fertiggemacht: Mobbing ist kein neues Phänomen, sehr wohl neu ist jedoch die Art, wie heute gemobbt wird, nämlich vorwiegend im Internet. Studien zeigen, dass bereits jedes dritte österreichische Kind Opfer von Cybermobbing-Attacken war oder ist. Diese Form des Mobbings ist aus mehreren Gründen besonders schmerzvoll: Die Täter verstecken sich oft hinter erfundenen Identitäten, wodurch die Hemmschwelle besonders niedrig ist, Eingriffe in das Privatleben der Opfer sind rund um die Uhr möglich. Die Inhalte verbreiten sich rasend schnell, erreichen ein unüberschaubares Publikum und können de facto nicht wieder entfernt werden.

„Genug!“ für Schülerzentrum

Soziale Ausgrenzung, systematische Demütigungen und Drohungen, im schlimmsten Fall sogar Cyber-Stalking – Cybermobbing hat viele Gesichter. Oft passiert es im Verborgenen und wird von Tätern und Opfern bagatellisiert. Egal, ob es sich um einmalige oder langfristige Kränkungen handelt: (Cyber-)Mobbing kann schwere Folgen haben und gesundheitliche Probleme wie Kopf- und Magenschmerzen oder Schlafprobleme nach sich ziehen. „Es ist genug!“ beschloss das Schülerzentrum Taurus in Freistadt Anfang des Jahres und rief in Kooperation mit der BezirksRundschau Freistadt den Schreibwettbewerb zum Thema Cybermobbing mit dem Titel „Enough!“ ins Leben.

"Wettbewerb war voller Erfolg"

„Es war höchste Zeit, ein Zeichen gegen Cybermobbing zu setzen“, sagt die Leiterin des Schülerzentrums Taurus in Freistadt, Bettina Bindreiter aus Gutau. Insgesamt haben 25 Teilnehmer an dem Schreibwettbewerb teilgenommen. Die besten drei Kurzgeschichten wurden nun ermittelt und mit Geldpreisen bis zu 200 Euro prämiert. Da es sich teils um sehr intime Kurzgeschichten handelt, wollten die Gewinner teils gänzlich anonym bleiben. Als Siegerin des Wettbewerbes ging die 20-jährige Vanessa hervor. Platz zwei holte sich die 17-jährige Katharina. Der Drittplatzierte möchte völlig anonym bleiben. "Der Wettbewerb war auf jeden Fall ein Erfolg", resümiert Bindreiter. "Einige Geschichten gingen echt unter die Haut, weil man wusste, all das passiert wirklich irgendwo und irgendwem. Oft hatte ich das Gefühl, dass die Jugendlichen ihre eigenen Erfahrungen erzählen. Ich bin wirklich unglaublich dankbar, dass ich so viele berührende Geschichten lesen durfte. Ich denke, gemeinsam haben wir ein großartiges Projekt ins Leben gerufen."

Respektvolles Miteinander – Buch über Cybermobbing

Mit dem Schreibwettbewerb war Bindreiters Arbeit jedoch noch nicht getan. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie ein Buch zum Thema Cybermobbing herausgebraucht. „In dem Buch wurden alle wichtigen Fakten zum Thema Cybermobbing niedergeschrieben und auch die drei Siegergeschichten abgedruckt“, erklärt Bindreiter, für die das Projekt eine Herzensangelegenheit war. Unter anderem dafür rief sie den Schreibwettbewerb ins Leben. Das Buch hat sie außerdem beim diesjährigen "Liberto", dem Kinderschutzpreis des Landes OÖ, eingereicht, welcher heuer einen respektvollen und sicheren Umgang miteinander im Netz zum Thema macht. Die Preisverleihung findet im Juni statt. „Es ist egal, ob unser Projekt hier den Titel holt. Jeder, der sich zu diesem Thema Gedanken macht und aktiv daran arbeitet, dass Cybermobbing bekämpft wird, ist ein Gewinner. Unser Ziel ist es, Cybermobbing langfristig den Kampf anzusagen und mehr Bewusstsein dafür zu schaffen“, sagt Bindreiter.

"Die erste große Liebe" – die Sieger-Geschichte von Vanessa (20)

Sie sitzt am Schreibtisch, lauscht dem leisen Surren der Lüftung ihres drei Jahre alten Laptops. Vor ihr liegen die Matheaufgaben für das Wochenende, rechts neben ihr das für sie wichtigste Werkzeug dafür - der Taschenrechner. Ein Zug rauscht am Fenster vorbei. Der Zug rauscht noch nicht lange an ihrem Zimmerfenster vorbei. Früher lag ihr Zimmerfenster in Richtung eines Innenhofes, wo nie auch nur das Brummen eines Autos zu hören war. Dort war Tag und Nacht absolute Stille. Doch vor einem knappen Monat ist ihre Familie und sie umgezogen. Nun wohnen sie in einem neuen Ort, in einem neuen Bundesland, so ziemlich am anderen Ende von Deutschland. Wenn sie heute daran zurückdenkt, dann weiß sie nicht, wie das alles so weit kommen konnte. Die ganze Situation fing doch so harmlos an, bauschte sich nur schleichend auf, bis sie irgendwann immer heikler wurde und zum Höhepunkt sich zuspitzte. Doch dann war alles zu spät. Man kann keine Worte mehr ungesagt machen. Man kann keine versendeten Bilder mehr löschen und vor allem kann man keine Gedanken mehr aus den Köpfen anderer löschen. Auch wenn all das schon eine Weile her ist, kann sie nicht aufhören daran zu denken. Aus diesem Grund packten ihre Mutter und ihr Vater vor einem Monat alle Sachen zusammen und zogen um. Jetzt wohnen sie in München, wo alle Mitschüler mit einem komischen Dialekt sprechen. Noch hat sie Schwierigkeiten damit ihre neuen Klassenkameraden hundertprozentig immer zu verstehen, aber sie ist sich sicher, dass sich diese Bürde bald geben wird. Ihr kleiner Bruder hat sich schon völlig an die neue Situation gewöhnt. Naja, immerhin ist ihr Bruder auch erst fünf Jahre alt und geht in den Kindergarten. Sie hingegen ist schon 15 Jahre alt. Zehn Jahre älter als ihr Bruder. Alles hat damit begonnen, dass sie sich gemeinsam mit ihren damaligen zwei besten Freundinnen in einem Chatroom als Junge ausgaben. Warum? Die drei Mädels waren neugierig. Sie wollten wissen, wie es ist einmal ein Junge zu sein. Ihnen war langweilig und sie suchten sich eine Beschäftigung. Im Internet ist es einfach seine Identität zu ändern. Viel zu einfach. Sie wurde also zu ihm und er hieß Tobias. Achtzehn Jahre alt, groß, braunhaarig, sportlich, blaue Augen und ein absoluter Fußballfan. Das stand in seinem Profil. Nicht außerordentlich besonders. Das Profilbild zeigte Leas Cousin. Lea war eine von den Dreien. Lea, Karo und sie. “Hey, wie geht’s dir?” begann der Chat mit Jana, die eine Schulklasse unter ihnen war. Jana war nicht wirklich beliebt in ihrer Klasse, aber auch nicht unbeliebt. Sie war die das typische Bild eines Mitläufers. Jana war einfach Jana, kann man sagen. Zuerst schrieb sie nicht zurück, doch nach ein paar Tagen kam eine Antwort. Rückblickend wünscht sich Jana heute sicher, sie hätte nie auf die Frage von Tobias geantwortet. Das Gespräch begann, zwar schleppend, aber es begann.

Zuerst war alles ungewohnt, frisch und neu, aber schon nach kurzer Zeit hatte Tobias Janas Vertrauen. Wie weit konnte er gehen? Was würde Jana, die mittlerweile über beiden Ohren in ihren Tobias verliebt war, alles tun? Würde sie ihm ihre tiefsten Geheimnisse anvertrauen? Würde sie für ihn eine Liebeserklärung auf Facebook posten? Würde sie für ihn Fotos in Unterwäsche machen? Würde sie ihm diese Fotos schicken? Klar, das war alles nicht einfach zu haben. Tobias und Jana lernten sich immerhin nie im echten Leben kennen, denn Tobias war eigentlich nicht Tobias, sondern nur ein weit entfernt wohnender Typ, der eben zufällig nur durch die Verwandtschaft mit Lea in die Rolle des Schwarms einer Vierzehnjährigen gerutscht ist. Er, in dieser Form existierte schließlich gar nicht. Bald schon waren die drei Mädels viel zu tief in der ganzen Materie drinnen. Karo stieg schon nach einer Woche aus der Sache aus. Ihr war das alles schlichtweg zu langweilig geworden. Lea war zwar noch interessiert an dem weiteren Verlauf der Geschichte, doch ihr war es die Arbeit nicht wert. Also schrieb nur noch sie mit Jana. Sie stieg ein Level nach dem anderen auf, ein kleines Geheimnis da, ein unterschwelliger Post dort, bis sie schlussendlich den Jackpot knackte. Ein Nacktfoto. Für sie fühlte es sich so an als hätte sie den Endgegner in einem Computerspiel besiegt.

Ab diesem Zeitpunkt war Jana uninteressant, nervig und einfach nur ein abgenutzter Zeitvertreib, der seinen Reiz verloren hatte. Was würde denn auch ein Nacktfoto noch übertreffen an absoluter Macht? Doch für Jana war Tobias echt und sie verstand nicht warum er sie nun nicht mehr beachtete. Wochenlang schrieben die Beiden miteinander und sie schenkte ihm ihr Herz und ihre Seele, vertraute ihm alles an, was ihr auf dem Herzen lag und schickte ihm sogar ein Nacktfoto. Sie dachte er sei ein guter Mensch. Sie dachte er wäre ihr erster fester Freund. Jana wusste eben nicht, dass Tobias nicht Tobias ist. Das all ihre Gefühle keiner echten Person galten, sondern ihr. Sie profilierte sich mit ihrer Trophäe, schickte sie in die WhatsApp Gruppe mit Lea und Karo und eines kam zum anderen und das Foto landete irgendwie auf Instagram. Der Post war anonym, ganz anders als das Foto. Der Post war betitelt mit Janas Namen, verlinkt mit ihrer Page und zeigte im wahrsten Sinne des Wortes die nackte Wahrheit. All das wollte sie nicht. All das war nicht ihre Intention, doch es ist passiert. Sie konnte nichts davon ungeschehen machen. Sie wurde, ohne es selber zu merken zum Mobber, zum Cybermobber eines jungen Mädchens.

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