Alt, arbeitswillig, ausgegrenzt
Diskriminierung nimmt zu: Schon ab 40 ist man am Waldviertler Arbeitsmarkt zu alt
WALDVIERTEL (pez). "Wir suchen eine Frau, die nie schwanger wird, die Ausbildung und Erfahrung eines 100-jährigen hat und 20 Jahre alt ist", so oder ähnlich könnte schon bald ein Stelleninserat lauten, wenn der derzeitige Trend auf die Spitze getrieben wird, meint Robert Fischer von der Arbeiterkammer Horn. Denn: Die Fälle an Diskriminerung am Arbeitsplatz nehmen deutlich zu. Vor allem das Alter macht es vielen am Arbeitsmarkt schwer. Im Waldviertel gilt man als Frau schon ab 40, als Mann ab 45 als "Alteisen". Elisabeth Zellhofer von der Arbeiterkammer Gmünd kann ein Lied davon singen, sie berichtet von Arbeitnehmerinnen, die bei Bewerbungsgesprächen ihre Dienstjahre absichtlich niedriger angeben, denn langjährige Erfahrung scheint kein Vorteil, sondern ein Hindernis zu sein. So suchte eine 52-jährige aus dem Bezirk Zwettl einen Job im Handel. Auf dutzende Bewerbungen erhielt sie meist telefonische Absagen: Sie sei zu alt, wurde ihr offen gesagt. Für die Experten unverständlich: "Wissenstand und Erfahrung haben ihren Wert. Ältere bleiben dem Dienstgeber meist sogar länger erhalten als Junge und sind bereit flexibel zu arbeiten", kann Jürgen Binder von der AK-Zwettl die grassierende Ausgrenzung wegen des Alters nicht verstehen.
Zwar könnte man allein schon aufgrund einer Absage wegen zu hohen Alters Schadenersatz fordern, aber viele Schrecken davor zurück. "Wenn du das zwei-, dreimal machst, bist du im Waldviertel bekannt wie ein bunter Hund", erklärt Leopold Kapeller von der Arbeiterkammer Waidhofen warum viele ihr Recht nicht einfordern. Diskriminierung tritt aber nicht immer so offen auf, weiß auch die Arbeitsmarktexpertin Doris Schartner aus Krems. "Oft heißt es, die älteren Arbeitnehmer wären überqualifiziert. Das ist eine reine Verschleierung von Diskriminierung."
Insgesamt 1.539 Arbeitnehmer nahmen im Vorjahr die Beratung der Arbeiterkammer in Anspruch. 217.875 Euro wurden für die Arbeitnehmer - nicht ausschließlich wegen Diskriminierung - erstritten.
Aber nicht nur Ältere, auch Menschen aus Drittstaaten und Kranke haben es am Waldviertler Arbeitsmarkt mehr als schwer: So wurde beispielsweise einer Epileptikerin, als sie am Arbeitsplatz einen Anfall hatte, vorgeworfen sie wäre betrunken gewesen - es folgte prompt die Kündigung. Warum sich nur schwer etwas ändern lässt, liegt auf der Hand: "Ältere Menschen haben unwahrscheinlich große Angst davor den Arbeitsplatz zu verlieren", erklärt Zellhofer. Laut Schätzungen der Arbeitsrechtler gehen zwei Drittel der Arbeitnehmer nicht gegen Diskriminierung vor - aus Angst als Querulant abgestempelt zu werden.
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