Im Gespräch: Karin Bonelli
"Corona bietet mir Zeit zum Entdecken"
Die gebürtige Grieskirchnerin Karin Bonelli wurde mit nur 24 Jahren von den Wiener Philharmonikern als erste Frau bei den Bläsern engagiert.
GRIESKIRCHEN (cg). Aufgrund der Corona-Krise bleibt die Wiener Staatsoper bis Saisonende geschlossen. Es finden derzeit auch keine philharmonischen Konzerte oder Probenarbeiten statt. Wir haben mit der Berufsmusikerin, die heute in Wien lebt, über die aktuelle Situation und ihren Erfolgsweg gesprochen.
Gibt es noch Kontakte in die Heimat?
Bonelli: Freundschaften bleiben, egal wie lange man einander nicht getroffen hat. Es ist, als hätte man sich ständig gesehen. Mit dem Unterschied, dass man sich mehr zu erzählen hat.
War Ihre Musikerkarriere vorgegeben?
Meine Eltern sind beide Flötisten, ebenso mein Bruder und mein Onkel. Das heißt, die Musik und auch mein heutiges Instrument waren immer präsent. Aber der Antrieb kam nicht von außen. Es war die eigene Neugierde und Begeisterung.
Haben Sie einmal ans Aufhören gedacht?
Ja, darüber nachgedacht habe ich schon. Ich glaube, dass fast jeder, der diesen langen und intensiven Weg mit einem Instrument geht, einmal an diesen Punkt kommt. Wahrscheinlich ist es wie in einer langen Partnerschaft: Es gibt Höhen und Tiefen, großartige Momente und auch Krisen, aber wenn man diese überwunden hat, geht man gestärkt daraus hervor.
Wie viel Arbeit steckt in Ihrem Erfolg?
Während des Studiums habe ich bis zu fünf Stunden gespielt, selten mehr. Heute genieße ich jede halbe Stunde, die mein Dienstplan mir für die Beschäftigung mit meinem Instrument alleine gewährt.
Wie war das Gefühl, als Sie vom Engagement bei den Wiener Philharmonikern erfahren haben?
In dem Moment, als mich die Musiker dieses fantastischen Orchesters als Kollegin ausgewählt hatten, ging ein Kindheitstraum in Erfüllung. Ich war gleichzeitig fassungslos, überglücklich und voller Respekt für diese Aufgabe.
Wer hat Sie am meisten geprägt?
Diese Liste ist lang. Ich hatte das Glück, fantastische Lehrer zu haben. Angefangen von den ersten Stunden bei meiner Mutter bis hin zu meinen Professoren im Studium. Natürlich mein Lehrer am Konservatorium Karl-Heinz Schütz, Wolfgang Schulz und Philippe Bernold, und vor meinem ordentlichen Studium schon Gisela Mashayekhi- Beer, Philippe Boucly und mein Vorgänger im Orchester, Günter Voglmayr. Aber das Lernen hört ja nicht mit dem Studium auf. Seit ich hier engagiert bin lerne ich von außergewöhnlichen Musikerpersönlichkeiten und Dirigenten, mit denen ich zusammenarbeiten darf und nicht zuletzt auch durch fantastische Kammermusikpartner. Lernen und Neugier bleiben für mich ein lebenslanger Prozess.
Sie spielen in verschiedenen Ensembles. Warum?
Das Vienna Wind Quintet war eine Initiative von mir. Es ist ein klassisches Bläserquintett mit einer unglaublich tollen Besetzung, nämlich Herbert Maderthaner, Christoph Zimper, Félix Dervaux und Sophie Dervaux. Das Klangkollektiv Wien ist ein Kammerorchester, das aus Musikern verschiedener Wiener Orchester besteht. Es hat sich auf die Musik der Wiener Klassik spezialisiert, dirigiert von Rémy Ballot und ins Leben gerufen von meinem Kollegen Norbert Täubl. Beides Ensembles mit jungen, motivierten Leuten, mit denen es unglaublichen Spaß macht, Musik zu machen.
Was bedeuten Ihnen Ihre Lehraufträge?
Ich unterrichte sehr gerne. Nicht zuletzt deshalb, weil man dabei auch wahnsinnig viel für sein eigenes Spiel mitnehmen kann. Außerdem ist es einfach eine Freude, jungen Menschen zuzusehen und zuzuhören. Und ihnen dabei zu helfen, ihre eigene Stimme und ihre eigenen Fähigkeiten immer weiter zu erforschen und auszubauen.
Funktioniert Distance Learning in der Musik?
Es gibt natürlich die Möglichkeit, über online-Plattformen zu unterrichten. Studenten können beispielsweise Audioaufnahmen senden. Aber diese Art von „Unterricht“ kann niemals den direkten Kontakt zu den Studierenden ersetzen. Besonders in unserem Studium braucht es die physische und geistige Präsenz im Raum.
Fleiß oder Talent? Was führt zum Erfolg?
Ich denke, dass die Würdigung des eigenen Talents durch den Fleiß, daran zu arbeiten, zum Erfolg führt. Talent ohne Fleiß und viel Fleiß ohne Talent führen beide bis zu einem gewissen Punkt, über den es dann nicht mehr hinausgeht. Wobei diejenigen, die wirklich hart arbeiten meist mehr Liebe zur Sache haben und auch weiter kommen als die, denen es leicht fällt, die aber gar kein Interesse haben, über sich hinauszuwachsen.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit?
Für Hobbies bleibt leider wenig Zeit. Wenn etwas freie Zeit übrig bleibt, widme ich diese in erster Linie den Menschen in meinem Leben, die mir wichtig sind. Darüber hinaus bin ich sehr gern in der Natur, koche oder lese.
Was ist Ihnen wichtig?
Ich denke, wir sehen im Moment, dass es am wichtigsten ist, immer wieder in Balance zu kommen. Damit meine ich nicht nur uns selbst, unsere physische und mentale Gesundheit, die die Voraussetzung dafür bildet, dass wir in dieser Welt etwas Positives bewirken und geben können, sondern auch die Balance im Außen. Wir können weder mit unserem Körper, noch mit der Natur oder in Beziehungen zu anderen Menschen irgendeine Entscheidung treffen, die nicht unmittelbaren Einfluss auf die Gesamtbalance hat. Wir können nicht immer nur nehmen und erwarten, dass das Pendel dann nicht in die andere Richtung ausschlägt. Ich hoffe sehr, dass dieser Prozess nach der aktuellen Periode mehr Menschen bewusst wird.
Haben Sie Pläne für die Zukunft?
Musik ist eine Gegenwartskunst.
Verändert sich durch den Corona-Virus etwas für Sie?
Nein, abgesehen davon, dass der Sommerurlaub wohl nicht am Strand stattfinden wird. Aber wenn man dieser Phase jetzt irgendetwas Positives abgewinnen kann, dann ist es für mich
persönlich, dass ich vieles an Repertoire und ungespielter Musik nun endlich entdecken kann, weil die Zeit dazu da ist.
WORDRAP
- Auf eine einsame Insel nehme ich mit
....Menschen, mit denen es weniger einsam ist - Ich engagiere mich für
..... Tiere, die Natur hat keinen Anwalt... - Bedanken möchte ich mich bei
.... die Liste ist unendlich... - Darüber kann ich lachen
... mich selbst und auch sonst über sehr , sehr vieles :) -
Am besten entspanne ich bei
.... Stille - Ich liebe
... abgesehen von den Menschen in meinem Leben die Natur, die Musik und Humor - Zuletzt geweint habe ich
.... bei dem Film „das Wunder von Marseille“ - Wütend macht mich
.... Ungerechtigkeit und Ignoranz - Kanzler Kurz würde ich fragen
.... ab wann wir wieder für die Menschen im Saal Musik machen dürfen -
Ich glaube an
.... etwas Größeres als das eigene Ego -
Ich wünsche mir
.... dass wir bald wieder die Freiheit haben werden zu tun, was wir wollen, zu treffen wen wir wollen aber mit einer neuen Idee von Wertschätzung für diese Freiheiten - Unbedingt lesen sollten Sie
... „Schöpfer der Wirklichkeit“ von Dr. Joe Dispenza - Meine letzten Worte sollen sein
... Danke!
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