Geschehnisse anno 1938
Gedenkplatten erinnern an vertriebene Güssinger Juden
Wo heute in Güssing die Diana-Apotheke eingerichtet ist, gab es einst das Kaufhaus von Aladar und Elsa Latzer. Im Jahr 1938 flüchtete das jüdische Kaufmannspaar vor den immer mehr heraufdrängenden Nationalsozialisten nach Wien, von dort aus nach Buenos Aires.
Ähnlich ging es Rabbiner Jakob Grünfeld und seiner Frau Ida. Sie lebten neben der Synagoge am Hauptplatz, wo heute das Güssinger Rathaus steht, und flüchteten in die USA. Kaufmann Oskar Mayer, wohnhaft Hauptstraße 4, wurde 1938 vertrieben und starb 1944 in einem ungarischen Arbeitslager.
Zum gedanklichen "Stolpern"
Ihnen und anderen verjagten jüdischen Mitbürgern der Stadt ist seit letzter Woche eine besondere Art des Gedenkens gewidmet. Zehn "Stolpersteine" wurden in der Innenstadt im Gehsteig verlegt. Vor den Häusern, in denen die Juden wohnten oder arbeiteten, sollen die kleinen, mit Namen und Lebensdaten versehene Messingplatten an sie erinnern.
Schicksale werden sichtbar
"Zu Beginn des Jahres 1938 lebten in Güssing 74 jüdische Bürger, Ende Juni 1938 gab es keinen einzigen mehr", berichtete Karl Heinz Gober von der Historischen Gesellschaft Güssing, beim Festakt anlässlich der Verlegung der Gedenksteine. "14 der 74 Juden wurden deportiert und ermordet. 24 haben überlebt. Vom Schicksal der übrigen 36 ist nichts bekannt", so Gober.
Dabei war Güssing vor allem im 19. Jahrhundert bekannt für sein reiches jüdisches Leben. Es gab eine Synagoge, eine Schule und zahlreiche von Juden geführte Geschäfte. 1860 lebten 766 Juden in der Stadt, was rund 40 Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachte.
Gemeinderat einstimmig dafür
An der Vertreibung 1938 waren nicht nur SA und SS beteiligt, sondern auch Teile der Bevölkerung und des offiziellen Güssing, erinnerte der Historiker Michael Hammer. Umso erfreulicher sei, dass die Verlegung der "Stolpersteine" vom Gemeinderat einstimmig befürwortet wurde.
Die ersten zehn Messingplatten
Vier der kleinen Messingplatten wurden vor der Apotheke verlegt, je zwei vor dem Rathaus und der Bank Burgenland, je einer vor der Bezirkshauptmannschaft und dem Stadtcafé. Weitere sollen folgen. Begleitende Informationstafeln geben Auskunft über das Schicksal der einzelnen Vertriebenen.
Am Gedenkakt nahmen Vertreter von SPÖ, ÖVP, Grünen, FPÖ und katholischer Kirche teil, aber auch die Leiter der Güssinger Schulen. Gymnasium, HBLA und Mittelschule waren an den Vorarbeiten zur Erinnerungsaktion intensiv beteiligt.
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