„Es fährt kein Zug nach irgendwo“
Am Abstellgleis

Es fährt kein Zug nach Irgendwo. Bahnhofs-Komödie in drei Akten von Winnie Abel – gesellschaftskritisch inszeniert durch den Theaterverein Gnadenwald. | Foto: Theatervereins Gnadenwald
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  • Es fährt kein Zug nach Irgendwo. Bahnhofs-Komödie in drei Akten von Winnie Abel – gesellschaftskritisch inszeniert durch den Theaterverein Gnadenwald.
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Fulminantes Bahn-Abenteuer als flotte, witzige, aber auch nachdenkliche Komödie des Theatervereins Gnadenwald mit „Es fährt kein Zug nach irgendwo“

Der ICE 6948 legt einen „außerplanmäßigen Halt“ ein im trostlosen Provinzbahnhof „Einöd“, die Fahrgäste wollen alle nach Köln, haben aber keinen Handyempfang für weitere Infos oder für einen Taxiruf, es gibt keine Toilette und keine Aussicht, hier schnell wegzukommen. Außerdem erklärt ihnen eine hinzugekommene Polizeikommissarin, dass sich unter den Fahrgästen womöglich eine gesuchte Psychoperson befinden sollte, was dem Befinden der genervten Reisenden nicht gerade zuträglich ist. Soweit die Story der deutschen Autorin Winnie Abel, umgesetzt mit originellen Ideen des Spielleiters Günter Pellin, der an die sieben Damen und zwei Herren des sichtlich spielbegeisterten Laienensembles mit Gespür die richtigen Rollen verteilt hatte. Nach dem 1. Akt erfolgte eine längere Pause, und erst vor Beginn des zweiten Aktes kündigte die Regie das weiter Folgende an und bedankte sich bei allen beteiligten Personen und Institutionen – eine elegante Zäsur im Spielablauf.

Karin Kaiser durchstreifte mit professionellem Auftritt als Bahnhostesse die Publikumsräume, Melina Pellin als Larissa und Michaele Rittler als Thea verkörperten witzig das optische Duo der Kegelschwestern mit dem sanguinischen Hang, der prekären Situation mit reichlich Alkohol zu trotzen, Daniel Franzelin glänzte wortreich als Hubert, der Verschwörungstheoretiker, ein in Gedankenblasen Gefangener, wie man solche ja derzeit vermehrt registriert. Monika Pellin setzt die Rolle der Kommissarin Karoline Konrad recht kantig um, Maria Platter mimt überzeugend ängstlich die Figur der Psychopatientin Ilse, Vanessa Schennach kann der geltungssüchtigen Motivationstrainerin Sieglinde Sieg facettenreich Stimme und Gestalt leihen. Besonders eindrucksvoll schlüpft Johann Schiestl in die Figur des Landstreichers Reinhold, der von der vorerst unbedeutenden Nebenfigur des Unterstandslosen zur zentralen lebensweisen Person mutiert, sympathisch und musikalisch einfühlend und damit der gestressten Businessfrau Victoria (ideenreich und temperamentvoll von Lisa Bösch in Szene gesetzt) eine philosophische Sicht des Lebens vermittelt. Die regiemäßige Idee der Kleidungsvereinheitlichung in Akt zwei und drei mag verwirrend sein, ist aber eine Kunstgriffmetapher, welche durch die tolle Lichtregie (Magdalena Pellin, Hannah Fintl) noch wirkungsvoller gesteigert wird. Das Bühnenbild mit den verständlichen Ortszitaten eines abgenudelten Provinzbahnhofs und die Durchsagen in bestem sächsischem Zungenschlag transportieren ein glaubwürdiges Bild der Kehrseite der Hochglanz-PR-Maschinerie DEUTSCHE BAHN. Fazit: Die erfreuliche Abkehr einer Dorfbühne vom abgelutschten Bauernschwank und Hinwendung zur neuen Bühnenvielfalt, die in vorliegendem Fall auch eine lebensfrohe Botschaft vermitteln konnte.


Eine Theaterkritik von Peter Teyml


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