Interview
Wenn Schöffen sich ihrer Aufgabe bewusst werden

Schöffen helfen dem Gericht bei der Wahrheitsfindung. | Foto: Symbolbild
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Ob schuldig oder unschuldig? Mit diesen Fragen müssen sich Schöffen am Gericht auseinandersetzen. Dabei unterstützen sie als Laien die Berufsrichter am Amts- oder Landesgericht. Die BEZIRKSBLÄTTER haben vor Kurzem eine Schöffin zum Interview geladen und so einiges über die Tätigkeit erfahren.


BEZIKRSBLÄTTER: Wie wird man eigentlich zum Schöffen berufen?

Schöffin: Die Gemeinden entscheiden nach dem Zufallsprinzip, wer die kommenden (höchstens) zwei Jahre als Schöffe (das sind Laienrichter) berufen werden kann. Wurde man ausgewählt, steht man auf der Schöffenliste. Man kann mit einem triftigen Grund dagegen Einspruch erheben

Als Sie davon erfahren haben, dass Sie ausgewählt wurden, wie war Ihre Reaktion darauf?

Ich wurde im Herbst durch die Gemeinde verständigt, dass ich ab Jänner auf der Schöffenliste stehe. Ich hab mich sehr gefreut, dass ich auf der Liste stehe. Ob man dann tatsächlich auch zu einer Verhandlung berufen wird, ist aber auch noch nicht fix. Also habe ich auch nicht damit gerechnet, überhaupt berufen zu werden bzw. habe ich gehofft, dass ich dann auch zu einem spannenden Verfahren geladen werde. Als ich dann tatsächlich das Schreiben bekommen habe, dass ich geladen werde, war ich schon sehr aufgeregt. Schöffe wird man ja nicht jeden Tag. Schöffen kommen zu jenen Verfahren, wo das Strafmaß bei über 5 Jahren liegt.

Wie bereitet man sich auf die Verfahren vor? Wie ist der Ablauf?

Ich habe ungefähr 2 Wochen vor dem Verfahren vom Gericht ein 84seitiges Dokument bekommen, wo genau erklärt ist, was meine Aufgabe sein wird - allerdings stand nur darauf, dass das Verfahren gegen unbekannte Täter sein wird. Das heißt, die Vorbereitung bestand darin, kurz beim Gericht zu bestätigen, dass ich die Unterlagen habe und dass ich zum entsprechenden Termin erscheinen werde. Mir wurde dann am Telefon gesagt, dass ich Ersatzschöffe sei - das heißt, ich muss kommen der Verhandlung beiwohnen, kann aber bei der Beratung zwischen Richter und den beiden Hauptschöffen nicht mitentscheiden.
Man erscheint kurz vor der Verhandlung bei Gericht und bekommt noch Anweisungen vom Richter, der kurz den Fall geschildert hat. Dann wohnt man der Verhandlung bei und am Ende der Verhandlung entscheiden Richter und Schöffen über den Schuldspruch und das Strafmaß. Zur Zwischenberatung können sich Schöffen und Richter auch ins Richterzimmer zurückziehen und beispielsweise über Anträge entscheiden.

Schöffen helfen dem Gericht bei der Wahrheitsfindung. | Foto: Symbolbild
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Was wäre die Konsequenz, wenn Sie es nicht gemacht hätten?

Das Amt des Schöffen ist Staatsbürgerpflicht. Hat man nicht gegen die Berufung Einspruch erhoben bzw. wurde der Berufungsgrund nicht akzeptiert, muss man erscheinen. Macht man das nicht, kann eine Ordnungsstrafe bis zu 1000 Euro verhängt werden. Weiters können auch noch anfallende Kosten verrechnet werden, falls dadurch die Verhandlung nicht stattfinden konnte oder ergebnislos verlaufen ist.

Bekommt man als Schöffe auch eine Entschädigung für den Aufwand?
Man bekommt nur eine Entschädigung von tatsächlich entstandenen Kosten in einer bestimmten Höhe, beispielsweise, wenn man mit den Öffis anreisen muss oder übernachten muss.

Dürfen Sie den Lesern kurz von dem zu behandelnden Fall erzählen?
Grundsätzlich gilt als Schöffe die Verschwiegenheitspflicht, vor allem in Bezug auf das, was in den Beratungen besprochen wird. Über die Verhandlung selbst, darf man erzählen. Ich hatte großes Glück, die Verhandlung, der ich beiwohnen durfte, war wirklich spannend: Es ging um einen Dopingfall im Radsport. Ursprünglich war der erste Verhandlungstag schon vor einem Jahr, wurde aber vertagt. Bei der Verhandlung wurde der Angeklagte noch einmal befragt, der vom Doping erzählte, beispielsweise bei welchen Rennen er gedopt war und bei welchen nicht, welche Art des Dopings zur Anwendung kam. Als einziger Zeuge wurde an diesem Tag (die anderen waren wohl vor einem Jahr dran), sein ehemaliger Teamchef des Radteams, bei dem er verpflichtet war, befragt. Dazu wurde eine Videokonferenz in die Schweiz geschalten. Eine Dolmetscherin hat übersetzt, da der Teamchef nur Französisch sprach. Am Ende der Befragungen haben der Staatsanwalt und die beiden Verteidiger des Angeklagten ihre Plädoyers gehalten. Danach wurde ich entlassen und eine Pause einberaumt. Während der Pause haben dann der Richter und die beiden Hauptschöffen über den Fall beraten.

Was hat ihnen an der Arbeit gut gefallen?
Ich fand die Arbeit als Schöffe sehr spannend. Es war aber auch ein Fall und Thema für den ich mich schon unabhängig von der Verhandlung interessiert habe. Natürlich ist es auch spannend einer Verhandlung beizuwohnen und das dort Gesagte zu bewerten - ohne dabei zu berücksichtigen, was man schon vorher über den Fall gehört hatte bzw. welche Meinung man ganz allgemein zu dem Thema hat. Gerade Doping ist ja ein viel diskutiertes Thema.

Kann eigentlich jeder Schöffe bei Gericht werden?
Schöffen müssen österr. Staatsbürger sein und zwischen 25 und 65 Jahre sein, man muss geistig und körperlich in der Lage sein, die Aufgaben des Laienrichters auch zu erfüllen. Man darf nicht selbst gerade als Beschuldigter in einem Strafverfahren angeklagt sein und man darf nicht verurteilt sein. Und dann gibt es noch weitere Ausnahmen, beispielsweise dürfen der Bundespräsident, Mitglieder der Bundesregierung, Anwälte oder Polizisten nicht als Schöffen tätig werden,

Wie läuft das mit dem Arbeitgeber? Wird man freigestellt?

Das Amt als Schöffe ist verpflichtend, daher wird man vom Arbeitgeber für dieses Amt freigestellt. Man muss also nicht Urlaub nehmen.

Was ist der Unterschied zwischen Geschworenen und Schöffen?
Bei einer Verhandlung mit einem Schöffen gibt es zwei Haupt- und einen Ersatzschöffen. Die beiden Schöffen entscheiden gemeinsam mit einem Berufsrichter. Wichtig ist hier, dass sie das gemeinsam machen: gemeinsam wird über den Schuldspruch entschieden. Bei diesen Straftataten liegt eine mögliche Freiheitsstrafe zwischen fünf und 10 Jahren.
Bei Geschworenengerichten sind die Straftaten schwerer als bei Schöffengerichten. Es gibt hier drei Berufsrichter und acht Geschworene. Hier liegt eine mögliche Freiheitsstrafe bei über 10 Jahren
Bei einer Verhandlung mit Geschworenen entscheidet jeder Geschworene für sich. Kommt es bei der Abstimmung beispielsweise zu einem Gleichstand, wird zugunsten des Angeklagten entschieden.

Wer entscheidet über das Urteil?
Über das Urteil entscheiden die beiden Hauptschöffen und der Richter gemeinsam.

Was ist ihr Fazit?
Ich würde mich freuen, wenn ich noch einmal berufen werden würde. Es ist eine spannende Aufgabe und man hat hier wirklich die Möglichkeit, einmal hinter die Kulissen eines Verfahrens zu blicken.

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