Jeder kennt Fati und Ardi

Zwei Brüder, die das touristische Geschehen rund um den Gartnerkofel engagiert mitgestalten
8Bilder
  • Zwei Brüder, die das touristische Geschehen rund um den Gartnerkofel engagiert mitgestalten
  • hochgeladen von Hans Jost

NASSFELD (jost). Fatlum und Ardit Kurtaj besser bekannt als „Fati“ und „Ardi“, sind seit bald 20 Jahren als gastronomische Tausendsassa und Hüttenwirte am Nassfeld allseits bestens bekannt und beliebt. Ob bei einem kurzen Einkehrschwung in Fati’s „Berghex“ mit tollem Bergpanorama oder bei kulinarischen Köstlichkeiten in Ardi’s gemütlich-sonnseitiger „Garnitzenalm“, überall kümmern sich die beiden Brüder mit ihren Teams täglich erfolgreich um Qualität, gute Stimmung und Wohlbefinden.
Ihr Arbeitgeber ist der Seilbahn-Unternehmer Klaus Herzog, zu dessen Firmenstruktur neben der Gartnerkofelbahn auch die beiden Garnitzenbahnen „La Prima“ und „La Perla“, die FIS-Bahn, der Watschiger Alm Lift sowie die fünf Gastronomiebetriebe „Almhotel Kärnten“, „Schneemann“, „Watschiger Alm“, „Berghex“ und „Garitzenalm“ gehören.
„Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dafür zu sorgen, dass alles rund läuft und dass unsere Gäste zufrieden sind; dann kommen sie auch gerne wieder“, stellt Fati an der Theke seiner an sonnigen Tagen offenen Schirm-Bar „Berghex“ klar. Und Ardit, der sich neben dem Hüttenbetrieb in der Garnitzenalm auch laufend um alle logistischen und personellen Belange in den anderen Gastro-Betrieben kümmert, ergänzt: „Wir sind leidenschaftlich gerne ein Teil des täglichen Skisport-Geschehens am Fuße des Gartnerkofels, das ist nicht Beruf, sondern Berufung.“
Nachdem die „Berghex“ auf 1.900 Meter Höhe sowie die „Garnitzenalm“ auf 1.700 Meter Höhe während der Ski-Saison nur mit Pistenbullys und mit Ski-Doos erreichbar sind, ist auch die tägliche Logistik eine Herausforderung, die viel Erfahrung und Vorausdenken erfordert. Ardi: „Wir leben und arbeiten im Gebirge, die Natur zeigt manchmal auch ihre Zähne, da geht’s halt ohne Improvisation nicht, aber wir sind ein unkompliziertes Team, das gehört einfach dazu.“

Schwieriger Anfang

Die WOCHE hat sich mit dem sympathischen Brüderpaar über ihre Vergangenheit unterhalten, und wie sich ihr Weg auf’s Nassfeld ergeben hat.
Fati (geboren 1974), mit 44 Jahren der ältere der beiden, erzählt: „1991 brodelte es am Balkan. Das kommunistische Regime in Albanien war nach über vier Jahrzehnten unter dem legendären Enver Hoxha am Zerbröseln, im März fanden die ersten demokratischen Wahlen statt. Ich war damals ein 17-jähriger Gymnasiast in unserer Heimatstadt Shkodra und habe unter den gegebenen Umständen für mein weiteres Leben in Albanien keine positiven Perspektiven erkannt. Die katastrophale Wirtschafts- u. Versorgungslage führte in dieser Zeit zu intensiven Fluchtbewegungen. Daher habe auch ich mich kurzerhand dazu entschlossen, meine Eltern, meine Schwester Ardiana (geb. 1979) und meinen Bruder Ardit (geboren 1981) zu verlassen und mein Lebensglück irgendwo in Zentraleuropa zu suchen.“
So machte sich der junge Fatlum Kurtaj im Frühsommer 1991 zu Fuss, ohne Geld und ohne konkretes Ziel auf, die etwa 15 Kilometer entfernte Staatsgrenze zum heutigen Montenegro unerkannt zu überschreiten. Doch wie man aus der jüngeren Geschichte weiss, war damals auch das gesamte Ex-Jugoslawien am Zerfallen. Fati: „Autostopp und Schwarzfahren in den Zügen gehörten damals zu meinem Alltag, genauso wie das Betteln um Essen und Trinken und häufiges Schlafen im Freien oder in irgendwelchen Hütten. Albanisch hat in Ex-Jugoslawien kaum jemand verstanden, und mit meinem bescheidenen Schul-Französisch konnte ich mich auch nicht wirklich gut verständigen. Erst nach vielen Wochen konnte ich mich erstmals telefonisch bei meiner Familie melden. Allerdings gab’s ja damals noch keine Handys, und meine Familie musste zu Hause zu nächtlicher Zeit auf’s Postamt, um einen Anruf von mir übernehmen zu können...“

1000 Kilometer Fluchtweg

Fati’s abenteuerliche Flucht vom Nordwesten Albaniens über Montenegro, Bosnien, Kroatien und Slowenien bis zum südoststeirischen Grenzübergang in Spielfeld dauerte über drei Monate. Jetzt galt es für den zielstrebigen Siebzehnjährigen, noch diese letzte Hürde zu bewältigen. Glücklicherweise gelang es ihm, im Schutze der Dunkelheit leise und unerkannt über die „Grüne Grenze“ zu huschen und mit seinen müden Beinen endlich angstfrei auf friedlichem Boden zu stehen. „Diesen Tag werde ich nie vergessen, es war wie eine Befreiung für mich“, erinnert sich Fati heute.
Ohne lang über das Geschehene nachzudenken, ging es per Anhalter nach Graz, wo er am Bahnhof zufällig ein paar Landsleute traf, die ihn darüber informierten, dass er sich schnellstmöglich im Flüchtlingslager Traiskirchen melden soll, damit alle Formalitäten ihren geordneten Weg nehmen können. So war es dann auch. „Am 7.September 1991 um 19 Uhr betrat ich das nach etwa 1.000 Kilometer Fluchtweg das Lager Traiskirchen. Völlig erschöpft, aber einfach glücklich, obwohl ich dort als Jugendlicher mit 40 anderen Flüchtlingen über vier Monate lang in einem Raum leben und warten musste.“

Integration und Beruf

Ab Jänner 1992 ging es endlich aufwärts. Nach einem dreimonatigen Deutsch-Intensivkurs begann Fati in einem Hotel am Neusiedlersee mit seiner dreijährigen Kellner-Lehre, die er schlussendlich mit Bestnoten abschliessen konnte. Die weiteren beruflichen Stationen waren Wien „Hilton“ und Ende 1995 sein erstmaliger Kontakt mit dem Wintertourismus in einem Hotel in Zürs am Arlberg. Der dortige Bar-Chef war damals ein Kärntner, der von Fati’s Können und Engagement beeindruckt war, und ihn im darauffolgenden Sommer 1996 erstmals nach Pörtschach an den Wörthersee gebracht hat, wo sich der ehemalige Albanien-Flüchtling sowohl beruflich als auch gesellschaftlich beispielhaft etablieren konnte. So wurde schlussendlich Klagenfurt seine neue Heimat, wo er inzwischen auch mit seiner Frau Albana und den Kindern Flavio (10) und Laurent (8) wohnt. Auf der Suche nach einer geografisch näherliegenden Winter-Alternative zum Arlberg fand der Wahlkärntner im Jahre 2001 erstmals massgeschneidert passende Arbeit am Nassfeld, in Plattner’s Pavillon am Fusse des Gartnerkofels.
Und seit 2006, also seit nunmehr 12 Jahren, schaukelt Fati überaus erfolgreich und sprachgewandt (Deutsch, Italienisch, Englisch, Französich, Serbokroatisch) mit ansteckend positivem Engagement die bereits legendäre „Berghex“ – eine Panorama-Bar auf 1.900 Meter Seehöhe, an der kein Nassfeld-Skifahrer ohne Einkehrschwung vorbeikommt.
Fotografie und Reisen sind Fati’s bevorzugte Freizeit-Aktivitäten, wobei er mit Stolz auf seine Akkreditierung als Fotoreporter für die albanische Nationalmannschaft bei der Fussball-WM im Sommer 2016 in Frankreich ist.

Bruder-Hilfe

Fati’s jüngerer Bruder Ardit (geboren 1981) war zehn Jahre alt, als Fati seine Heimat Albanien (Shkodra) und die Familie verließ. Doch nach der Pflichtschule stand auch für ihn die Berufs-Entscheidung an. Vater Kurtaj, ein Agrar-Ingenieur, verfolgte inzwischen den Berufsweg seines ältesten Sohnes Fati in Österreich, sehr aufmerksam.
Die wirtschaftliche Situation in Albanien hat sich inzwischen kaum gebessert, daher fanden die beruflichen Fragen und Auswanderungs-Gedanken des 14-jährigen Ardit auch beim Vater Gehör. Schon etwas geordneter als bei Fati, wurde Ardit 1995 zu einem in Lecco am Como-See, nördlich von Mailand, lebenden Onkel geschickt, um sich dort vorerst beruflich ein wenig orientieren zu können. Durch den Aufenthalt am Como-See und den Besuch der Berufsschule in Sondrio erfuhr Ardit nicht nur eine fundierte berufliche Tourismus-Ausbildung, sondern auch sein Italienisch wurde in diesen drei Jahren perfektioniert. Nach dem Schulabschluss 1998 und im Zuge laufender Kontakte zu Bruder Fati, wuchs allerdings bei Ardit ebenfalls mehr und mehr der Wunsch nach einem Berufs-Einstieg in Österreich, geografisch möglichst nahe zum Bruder. Diese Möglichkeit bot sich ab Dezember 1998 fünf Winter lang bei Livio am Nassfeld, allerdings auf italienischem Staatsgebiet, was vor dem Schengen-Abkommen noch ein Thema war. In dieser Zeit lernte Ardit seine spätere Frau Christine kennen, die als Receptionistin im Hotel Plattner arbeitete. Inzwischen lebt Ardit mit Christine und den Kindern Julien (12), David (10) und Lorena (5) in Möderndorf bei Hermagor.
Als im Jahre 2003 Klaus Herzog die „Garitzenalm“ baute, öffnete sich für Ardit eine neue berufliche Möglichkeit, die er sofort nutzte. Inzwischen ist er dort seit 15 Jahren als „Hüttenwirt“ tätig, kümmert sich aber auch laufend um logistische und personelle Tages-Aufgaben in den anderen Betrieben (Almhotel, Watschiger Alm und Schneemann).
Inzwischen hat sich auch der touristische Sommerbetrieb rund um den Gartnerkofel soweit entwickelt, dass es für Ardit ein Ganzjahresberuf geworden ist. Der 37-Jährige freut sich über seine jetzt neue Heimat Hermagor/Nassfeld, und bilanziert nach vielen Wanderjahren: „Es ist wunderbar, hier zu arbeiten und zu leben. Für mich gibt es keinen besseren Flecken auf dieser Erde.“

Somit haben sich die beruflichen und privaten Wege der beiden albanischen Brüder aus Shkodra durch Mut, Zusammenhalt, Fleiss, klare Zielsetzungen und Zufriedenheit im Kärntnerland erfreulicherweise wieder gefunden. Ein beispielhafter Beweis, wie Flucht und Einwanderung optimal gelingen können.

Kommentare

?

Du möchtest kommentieren?

Du möchtest zur Diskussion beitragen? Melde Dich an, um Kommentare zu verfassen.

Du willst eigene Beiträge veröffentlichen?

Werde Regionaut!

Jetzt registrieren

Du möchtest selbst beitragen?

Melde dich jetzt kostenlos an, um selbst mit eigenen Inhalten beizutragen.