Giftmorde: 90 % bleiben verborgen

- Hofrat Dr. Wilhelm Saurma, Chefarzt der Bundespolizeidirektion Wien. Er hat ein Wochenendhaus in der Nähe von Horn.
- hochgeladen von H. Schwameis
Bald steht eine Frau wegen Mordverdachts vor Gericht. Fast wäre die Justiz ohne Auftrag geblieben
BEZIRK. Morden mit Gift ist „völlig aus der Mode“ gekommen, seit Gerichtsmediziner und Chemiker toxikologische und körperfremde Substanzen durch chemische Analysen auch noch nach langer Zeit nachweisen können. Aber was, wenn der „süße Tod“ nicht als Resultat von Giftmischerei entdeckt wird?
„Wenn am Zentralfriedhof für jede unentdeckte Giftleiche ein Kerzerl brennen würde, bräuchte man in Wien keinen Strom einschalten“, antwortet darauf schmunzelnd der neue Chefarzt (seit 1. Oktober im Amt) der Polizeidirektion Wien, Hofrat Wilhelm Saurma. Erschreckende Tatsache: Hätten Verwandte der beiden „gepflegten“ Herren Herbert Ableidinger (68) und Alois P. (62) nicht hartnäckig via TV um eine Mord-Untersuchung gekämpft, hätte der Weg vor den Richter keineswegs stattgefunden.
Beängstigende Zahlen
Angeblich bleiben 70 % der Giftmorde unentdeckt. „Ich glaube, dass die Zahl zu gering ist, ich glaube, dass 80 oder fast 90 % nicht entdeckt werden. Wenn wir Unter- und Überdosierung von Medikamenten auch Giftmord nennen, nehm ich an, dass wir bei 80, 90 % sind“, nennt Saurma erschreckende Zahlen.
Warum werden Giftmorde so selten entdeckt?
„Zumeist betrifft es ältere Personen. Gift hat fast immer krankheitsähnliche Erscheinungen, es ist ja nicht so, dass jemandem Gift in den Becher gegeben wird und er ist zwei Minuten später tot. Wenn es wie beim Bürgermeister von Spitz ist, der schluckt das Mon Chérie und Stunden später ist er todkrank, ist es natürlich offensichtlich. Aber wenn ich einen älteren ohnedies bettlägrigen Menschen hab, der von einer Person seines Vertrauens versorgt wird, da denk ich, wenn es dem immer schlechter geht, nicht gleich an Mord.“ Das ist das Heimtückische. Erbschleicher wie Blauensteiner & Co sind zu ihren auserkorenen Erblassern anfänglich geradezu entzückend, sonst würde ihnen keiner ihr Hab und Gut vermachen, nur dann wollen sie das alles schnell zu Barem machen.Beste Zeit zum Morden
„Wenn wir eine bessere Aufklärung wollen, müssen wir jeden Todesfall genau analysieren.“ Aber dazu fehlen natürlich personelle und finanzielle Ressourcen.
„Man muss auch unterscheiden zwischen Stadt und Land. Als Polizeiamtsarzt muss man fast paranoid sein, hinter jedem Toten vermuten, da könnt was sein. Ein Gemeindearzt am Land ist heilend tätig, sieht nicht hinter jedem Toten ein Verbrechen. Auch Gerichtsmediziner gibt es nicht mehr in dem Ausmaß wie früher.“
Skurriles Fazit: Beste Zeit zum Morden.


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