Crowdinvesting: Was lange währt, wird endlich gut

Wolfgang Pröglhöf, Christof Kastner, Werner Groiß | Foto: Wirtschaftsforum Waldviertel
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Mit einem Jahr Verzögerung schafft das geplante Alternativfinanzierungsgesetz, kurz AltFG, einen Rechtsrahmen für die Anlage- bzw. Finanzierungsform Crowdinvesting und eröffnet damit neue Perspektiven für Kleinanleger und Unternehmen auf der Suche nach Finanzierungen für Projekte.

Gars am Kamp. Eine einfache Möglichkeit, als KMU Geldmittel direkt von der Bevölkerung einzuloben, ist zwar naheliegend, war im bisherigen Rechtsrahmen nicht möglich. Gerade im Waldviertel, der Heimat besonders kreativer Querdenker, wurden Lösungen entwickelt und entweder "mit dem Kopf durch die Wand" oder durch Exploration eines schmalen Pfads durch einen wahren Dschungel an Regulatorien umgesetzt. Bis zum Inkrafttreten des AltFG ist Crowdinvesting eine Querschnittsmaterie, bis dato stellen 22 österreichische Gesetze - von A - wie Aktiengesetz bis Z - wie Zahlungsdienstegesetz - sowie 4 EU-Richtlinien den gültigen Rechtsrahmen dar (Listung unter https://www.regionalfunding.at/links-richtlinien). Kein Wunder also, dass es bisher nur wenigen gelungen ist, "legales" Crowdinvesting zu ermöglichen - das Waldviertel ist hier Vorreiter.

"Mit dem AltFG ist der Regierung ein 'großer Wurf' gelungen!", freut sich Wolfgang Pröglhöf, (Mit‑)Gründer und Geschäftsführer der Regional Funding-Waldviertel GmbH und der Crowdinvesting-Plattform www.regionalfunding.at.

Impulsgeber für Wirtschaft und Banken

Immer wieder wird Crowdinvesting als "Alternative zu Bankkrediten" bezeichnet, diese Sichtweise greift aber bei weitem zu kurz. Der Flaschenhals von durch Bankregulatorien (Basel III et alii) ausgelösten Kreditrestriktionen kann durch Crowdinvesting überwunden werden. Daraus resultiert nicht nur ein nachhaltiges Wachstumspotenzial für Unternehmen sondern auch für Banken - und zwar in allen Unternehmensphasen.

Unternehmensgründung

In der Gründungsphase von Unternehmen besteht in der Regel Bedarf an ausreichend Eigenkapital bzw. Risikokapital, um anfallende Anlaufverluste zu tragen sowie darüber hinaus einen zusätzlichen Sicherheitspuffer zu bilden, erst dann besteht die Möglichkeit anschließender Kreditfinanzierungen.

Lösungsangebot statt Frustration
Bei vielen Start-ups gibt es zwar tolle Geschäftsideen, die aber mangels ausreichendem Eigenkapital nicht umgesetzt werden können. Das ist für potenzielle Firmenkunden und die betreuenden Bankmitarbeiter aber auch aus Sicht des öffentlichen Interesses frustrierend, zumal zusätzliche Einnahmen aus dem Aktivgeschäft für Banken und zusätzliche Beschäftigung für die gesamte Volkswirtschaft äußerst wünschenswert wären. Crowdinvesting kann hier Abhilfe schaffen, die Kooperation von Plattformen mit Banken eine Win-Win-Win-Win-Situation - für UnternehmerInnen, Banken, Crowdinvesting-Plattformen und Volkswirtschaft - ergeben. Statt mit einem "schnellen Nein" auf (Kredit-)Finanzierungsanfragen können zukünftige UnternehmerInnen mit umsetzbaren Lösungsansätzen aus Bankgesprächen gehen.

Mobilisierung zusätzlicher Mittel
Crowdinvesting, bspw. das Wertpapier-Genussrechtsmodell "Regional Funding", ist nicht nur ein ideales Mittel, um diese Eigenkapitallücke zu schließen, es bildet auf Grund seiner besonderen Ausgestaltung die Basis für Förderungen - bspw. "double equity" der AWS - und kann damit erheblich mehr als das eingelobte Kapital mobilisieren.

Seriosität und Nachhaltigkeit in der Planungsphase
UnternehmerInnen sind gefordert, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die positive Resonanz am freien Markt finden - sowohl bei Anlegern als auch bei Kunden - und müssen in weiterer Folge ihre Geschäftsmodelle in solide Businesspläne und langfristige Finanzpläne übersetzen - das trennt die Spreu vom Weizen.

Disziplin in der Umsetzungsphase
Da UnternehmerInnen gegenüber Anlegern rechenschaftspflichtig (Jahresabschluss, ad hoc-Meldungen bei wesentlichen Ereignissen) sind, lassen sich in der Regel höheres Risiko- und Kostenbewusstsein erwarten, wichtige Grundlagen für zukünftige Unternehmenserfolge.

Finanzierung bestehender Unternehmen

Bei bestehenden Unternehmen herrscht in der Regel Bedarf an zusätzlichem Eigenkapital, entweder um organisches Wachstum und damit verbundene "Investitionen, die nicht in der Bilanz aktivierbar sind" (bspw. Forschung und Entwicklung, Markterschließung) zu finanzieren, oder durch M&A-Aktivitäten eingegangene höhere Risiken abzudecken, oder in der Vergangenheit erodiertes Eigenkapital, das nicht kurzfristig aus Innenfinanzierung geschaffen werden kann, wieder zu ergänzen.

Für Crowdinvesting erscheinen folgende Finanzierungsanlässe als sinnvoll:
Innovation
Expansion (organisches Wachstum oder Akquisition)
Unternehmensübergabe, Betriebsübernahme aus Liquidation
Turnaround-Projekte (in Krisenfrühphase)
Sanierungsverfahren (im Rahmen eines Insolvenzverfahrens – „Quotenfinanzierung“)

Die beim Punkt "Unternehmensgründung" angeführten Argumente gelten gleichermaßen, insbesondere die erforderliche Seriosität und Nachhaltigkeit bei der Planung und Disziplin bei der Umsetzung sollte UnternehmerInnen, die in diesen Punkten bisher Defizite aufgewiesen haben, zu einem Umdenken führen - ansonsten geht's eben nicht...

Crowdinvesting als Insolvenzprophylaxe

Grundsätzlich ist Crowdinvesting eine Anlageform mit hohem Risiko, bei einer Insolvenz des Unternehmens, in das investiert wurde ist das Geld weg! Daran ist nicht zu rütteln!

Öffentliche Angebote, die von den Betreibern der Crowdinvesting-Plattformen vor Ankündigung bzw. Freischaltung auf Vollständigkeit, Kohärenz und Verständlichkeit geprüft werden, bewirken hohe Qualitätsstandards in der Projektvorbereitung und in der laufenden Berichterstattung.

In der Insolvenzstatistik 2013 des KSV 1870 werden folgende Punkte als Hauptursachen für Insolvenzen angeführt:

1.
Fehlen des unbedingt notwendigen kaufmännischen Weitblicks, der rationellen Planung, Absatzschwierigkeiten
36%
2.
Geänderte Marktlage, ausländische bzw. inländische Konkurrenzsituation, Kreditrestrik-tionen, Lohn- und Steuererhöhungen usw.
14%
3.
Das im Unternehmen vorhandene Eigenkapital ist für Art und Umfang des Betriebes zu gering
10%
4.
Unvermögen der differenzierten Beurteilung der Wirtschaftsvorgänge, Gründungsfehler, Unerfahrenheit
9%
5.
Ungenügende Kenntnis des praktischen Wirtschaftslebens, mangelnde Branchenkenntnis, Fehlen einer ausreichenden Buchführung
7%
6.
Mangelnde Beobachtung der Vorkommnisse in der Wirtschaft, Angebot-Nachfrage, Zinsen- und Kostensteigerungen, Umstrukturierungen, Differenzen in der Geschäftsführung usw.
6%

Die solide Vorbereitung der Projekte für Crowdinvesting-Finanzierungen sowie die Informationspflicht gegenüber Anlegern führen zur strategischen Planung und zur regelmäßigen kritischen Auseinandersetzung der UnternehmerInnen mit sich selbst sowie der Innen- und Außenwelt ihrer Unternehmen. Diese Maßnahmen setzen exakt bei den Hauptursachen von Insolvenzen an und erhöhen damit nachhaltig die Erfolgswahrscheinlichkeit mittels Crowdinvesting finanzierter Unternehmen - völlige Sicherheit gibt es dennoch nicht.

Nicht nur für die Start up-Phase und für Kleinunternehmen

Ist die - mit hohen Kosten verbundene - Erstellung von Kapitalmarktprospekten für Beträge ab € 250.000 obligat, wird für Beträge zwischen € 100.000 und € 1,5 Mio ein Informationsblatt ausreichen, für Beträge über € 1,5 Mio wird die Einführung eines vereinfachten Prospekts vorgesehen, erst ab € 5 Mio wird die volle Prospektpflicht wie gehabt gelten, die Zwölfmonatsregel für Kumulierungen wird jedoch für alle Betragsgrenzen aufrecht bleiben.

Damit wird sich für neugegründete Unternehmen der Finanzierungshorizont bis weit in die Wachstumsphasen hinein erweitern, aber auch für mittelgroße Unternehmen und für Unternehmensübergaben wird Crowdinvesting zu einer adäquaten Finanzierungskomponente. Bei entsprechender Gestaltung, wie bspw. das Wertpapier-Genussrechtsmodell "Regional Funding", wäre auch die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung für Mitarbeiterbeteiligungsmodelle (§ 3 Abs 1 Z 15 lit b & c - analog zu Aktienprogrammen von Aktiengesellschaften) ins Auge zu fassen. Dadurch würde auch die Erhöhung des Freibetrages von € 1.460 auf € 3.000 im Zuge der Steuerreform zusätzlich an Attraktivität gewinnen.

Risikobegrenzung und Informationspflichten tragen dem Anlegerschutz Rechnung

Für Anleger wird eine automatische Risikobegrenzung vorgesehen, da in ein Projekt maximal € 5.000 investiert werden dürfen. Höhere Beträge werden nur zugelassen, soferne sie ein durchschnittliches halbes Monatsgehalt oder 10 % des Finanzvermögens des jeweiligen Anlegers nicht übersteigen. Professionelle Investoren werden von dieser Regelung ausgenommen.

Anlegern wird ein besonderes Rücktrittsrecht bei Unterlassung vollständiger Information im Zuge der Investition eingeräumt. Die Unternehmen werden dazu verpflichtet, über die Crowdinvesting-Plattformen ihre Anleger regelmäßig (Jahresabschluss) und bei wesentlichen Ereignissen (ad hoc-Meldung) zu informieren.

Fazit

Im internationalen Vergleich mit anderen Gesetzgebern war es klug, nichts zu überstürzen und dafür nun eine sehr gut ausbalancierte Regelung in petto zu haben. Im AltFG steckt ungeheures Potenzial, wie ein Defibrillator das Wirtschaftswachstum in Österreich wieder zum Leben zu erwecken. Dazu bedarf es einer Neusortierung der Denkmuster von vielen. Es liegt daher an allen Beteiligten - Politik, Finanz- und Realwirtschaft aber auch der Vielzahl an Kleinanlegern - durch ethisch korrekte Nutzung von Crowdinvesting dieses Potenzial für Österreich auszuschöpfen und unser Land vom Krisenmodus wieder in internationale Spitzenpositionen, die wir vor nicht allzu langer Zeit innehatten, zurückzubringen.

Wolfgang Pröglhöf (office@regionalfunding.at)

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