Vom bissigen Moderator zum Solokünstler
Dirk Stermann mit neuem Programm „Zusammenbraut“ in Imst

Dirk Stermann füllte die Stadtbühne auf Solopfaden als Brautvater.
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IMST(alra). Als Moderator von "Willkommen Österreich" ist Dirk Stermann an der Seite von Christoph Grissemann ein bekanntes Gesicht in Österreichs Wohnzimmern. Das Duo kommentiert bissig politische und gesellschaftliche Ereignisse und entlarvt den Alltagswahnsinn. Mit seinem ersten Soloprogramm „Zusammenbraut“ zeigte der Kabarettist und Autor auf Einladung des ArtClub in der Stadtbühne Imst eine weitere Facette. Über knapp zwei Stunden gab er sich als wortreich reflektierender, melancholisch-verklärter Brautvater. Tiefer und hinter die schnellen Witze geblickt durchaus ein Auftritt, der Stoff zum Nachzudenken über Scheitern, Versäumnis und Reue bot.

Anlässlich der Hochzeit seiner Tochter Kina zieht Stermann in seiner Rolle als Brautvater persönliche Zwischenbilanz. Die Pointen kommen quer durch alle Themen, der Humor überschreitet da und dort die Schmerzgrenze, ist laut eigenen Aussagen primitiv, dafür wird mit Selbstironie nicht gespart. Im Stile einer „fiktiven“ Brautrede holt Dirk Stermann zum ausschweifenden Lebensrückblick aus, der stets an den wenig prickelnden Momenten hängen bleibt. Etwa in Geschichten über seine Eltern, frustrierte Metzgereibesitzer im trostlosen Duisburg oder über die Großeltern, Opas Blasenproblem und Omas fragwürdige Bestattungszeremonien. Das Lebensprojekt Familie scheint generationenübergreifend nicht optimal funktioniert zu haben. Aber auch über Veganer, Nussallergiker, Punkmusiker, Impfgegner, Andreas Gabalier und Peter Handke weiß der Mann im günstig bei der Volkshilfe erstandenen Anzug Amüsant-Ironisches zu lästern. Selbstverständlich wird auch Dauerpartner Grissemann samt „Imschter“ Wurzeln vorgeführt. Gekonnt holte Dirk Stermann das heimische Publikum als Einheit ab: „Mein Kollege Grissemann – ein Mann von ihrem Blut.“ Kurze Dialog mit Christian De-Lellis, dem Mann für Licht und Ton, spicken das Programm.

Hochzeit ohne Feier

Das Bühnenbild zeigt eine opulente Hochzeitstafel. Unübersehbar ist die Tatsache, dass Gäste und Brautpaar durch Abwesenheit glänzen. In Stermanns Geist regt sich nachvollziehbar wenig Feierliches. Die paar gemeinsamen Erinnerungen, die dem sentimentalen Anlass geschuldet auftauchen, sind eher zum Vergessen. Ein kopfloses Vater-Tochter-Foto, sozialistische Arbeiterlieder beim Wickeln, skurrile selbstgemalte (Akt)Bilder – all dies passt zum eigenwilligen Elternpart, den Stermann vorwiegend in Abwesenheit verkörperte. Durchaus folgenschwer auch für das Verhältnis zur Kindesmutter. Hier kommen die leisen Töne: „Der Sommer der Trennung war eine schiache grausame Zeit.“ Beziehungen scheinen generell schwierig – auch zum Schwiegersohn in spe, einem Jazzer aus L.A. lässt sich kaum Nächstenliebe erkennen. Sogar das unschuldige Blasinstrument, das er spielt, gerät in die Schusslinie: „Klarinette nennt man bei uns zu Hause Krisenstab!“ Sich selbst sieht der Protagonist zwischendurch recht verklärt – als übersozialen Menschenfreund, wahnsinnig erotischen Mann, einstigen Klettergott und talentierten Orgelspieler mit Gänsehaut-Faible für „Procol Harums“ größten Hit. Die Sache mit dem Vatersein möchte er zukünftig besser hinkriegen – so der Plan für das Second-Chance-Kind – den Nachzügler Hermann.

Laute Gags und leise Zwischentöne

Dirk Stermann lässt wie erwartet lockere Sprüche raus und bringt was andere vorsichtig runterschlucken – brachiale Gags, tabubefreit. Jeder kriegt was ab – Arme, Kinder, Kranke. Doch unter der humorigen Oberfläche braut sich auch etwas Ernstes und Tiefes zusammen – eine Stille, gewissermaßen die von ihm erläuterte „Prophylaktische Einsamkeit“ wird spürbar. Die Handlung ist da und dort subtil von Melancholie durchzogen, die vielleicht jene überraschen mag, die nur zum Lachen gekommen sind. Prägnant etwa der Moment, in dem Vater Stermann erfährt, dass seine Tochter ohne ihn heiraten wird. Es offenbart sich doch etwas unerwartet eine emotionale Ebene als der in die Jahre gekommene Mann, angetrunken mit dem Teddybären seiner Tochter und nicht wie geplant mit ihr selbst tanzt.

Das Stück jongliert mit Komik und  einer Portion Tragik. Beinahe kommt ein Hauch Mitleid für die vom (Raben)Vater selbst verschuldete Schieflage auf. Final gibt es Bühnennebel, bunte Lichter, einen Italo-Schmachtfetzen und – eine egozentrisch verkrachte Vaterfigur – Stermann ganz einsam. Jedoch nur auf der Bühne, im randvoll gefüllten Saal wurde ausgiebig applaudiert und womöglich fühlten sich die Zuschauer*innen nicht nur zum Lachen, sondern auch zum Nachdenken angeregt.

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