Bischof Alois Schwarz: "Wir müssen die Menschen ermutigen"

Diözesanbischof Alois Schwarz: "Da Sprache Wirklichkeit schafft, würde ich das Wort Spaltung der Gesellschaft vermeiden." | Foto: Helge Bauer
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KÄRNTEN. Diözesanbischof Alois Schwarz im großen WOCHE-Interview zu Weihnachten: Über Spannungen in der Gesellschaft, die Bedeutung von Gemeinschaft und das Potenzial der Kärntner.

WOCHE: Die Gesellschaft ist angeblich gespalten. Wie kann Versöhnung gelingen?

BISCHOF SCHWARZ: Ich weiß nicht, ob Meinungsverschiedenheiten schon Spaltung sind. Das Wählerverhalten geht quer durch die Familien, und sie leben mit den verschiedenen Positionen weiter miteinander. Da Sprache Wirklichkeit schafft, würde ich das Wort Spaltung vermeiden, sondern von verschiedenen Denkweisen reden. Es gilt zu schauen, was hilft, dass Leben in diesem Land gut gelingt.

Sie gewinnen Meinungsverschiedenheit Schönes ab?

Ich kann ihr sehr viel abgewinnen, wenn sie Respekt hat vor der Würde und der Person des anderen.

Man hat den Eindruck, der Umgang wird rauer. Wie kann man damit umgehen?

Es braucht persönliche Begegnungen. Dann wird die Sprache auch eine andere sein, als z. B. in der anonymen Welt digitaler Medien, in der man - ohne sich zu deklarieren - einfach Dinge äußert, für die man nicht namentlich einstehen muss. Ich sehe die Chance dort, wo man Menschen in Augenhöhe begegnet.

Persönliche Begegnungen gibt es in den Gemeinschaften im Dorf, in den Pfarren. Welche Rolle spielen diese Zellen?

Diese Zellen werden immer wichtiger, weil es die Großfamilie immer weniger gibt. Da wird die nächste Einheit - die Dorfgemeinschaft, das Milieu der Arbeitswelt oder Freizeitgemeinschaft - ganz wichtig. Vor allem der Freundeskreis ist heute ganz entscheidend.

In Gemeinschaften braucht es Personen, die sie verantwortlich mitgestalten. Welche Bedeutung haben Pfarrgemeinderäte?

Sie sind die stabilen Verantwortungsträger vor Ort, die mit dem Pfarrer für die Gemeinde Aufgaben übernehmen, so dass das vielfältige Leben der Kirche gestaltet und strukturiert wird. Das ist eine ganz wichtige Aufgabe in unseren Dörfern. Vor allem in Dörfern, in denen der Pfarrer nicht vor Ort wohnt, übernehmen die Pfarrgemeinderäte eine Art Leitungsfunktion für das Gefüge der Kirche.

Soziales Gefüge braucht Solidarität. Sind Sie mit ihrem Ausmaß zufrieden? Hat sie gelitten?

Solidarität ist etwas, zu dem der Mensch immer wieder ermutigt und durch ethische Impulse hingeführt werden muss. Wer sich sozial engagiert, erfährt, dass ihn das selbst bereichert. Um diesen Schritt setzen zu können, braucht es manchmal eine Ermutigung oder jemand, der sagt: Bitte, hilf mir! Dazu braucht es eine neue Wachsamkeit, vielleicht einen neuen Diskurs über Solidarität und über die Frage: Wie kann der einzelne dazu ermutigt werden, sich dafür einzusetzen, dass das Sozialgefüge in der individualisierten Gesellschaft auch in Zukunft eine große Stütze bleibt?

Anonymisierung fußt auf der Digitalisierung und der steigenden Geschwindigkeiten. Was kann in dieser lauten Welt die Weihnachtsbotschaft sein? Wie kann Besinnlichkeit gelingen?

Zu Weihnachten geht es um die Menschwerdung unseres Gottes und darum, dass der Mensch sich als solcher wahrnimmt, und nicht bloß als Kostenfaktor, Arbeitnehmer oder Dienstleister. Oft wird der Mensch ja nur nach seinen Funktionen und Rollen befragt. Weihnachten sagt: Achte bewusst darauf, was dich als Mensch so kostbar macht. Weihnachten ist für viele emotional eine große Herausforderung, weil so viele Idealbilder für dieses Fest da sind. Dann braucht es sehr viel Energie, um eine Familie mit ihren verschiedenen Konstellationen zusammenzuhalten und Ansprüche nicht zu enttäuschen. Da ist manchmal schon sehr viel an Logistik im Vorfeld notwendig, dass das Fest auch emotional befriedigend gefeiert werden kann.

Idealbilder schrauben die Erwartungen zu hoch?

Die Erwartungen sind sehr hoch, vielleicht auch, weil man in der Geschäftigkeit des Alltags manchmal zu wenig darauf achtet, dass das Beziehungsgefüge im Miteinander Aufmerksamkeit braucht. Beziehungen, Familien brauchen Zeit, Einsatz, und vor allem Aufmerksamkeit. Im hohen Druck der Arbeitswelt kommen diese Aspekte manchmal zu kurz.

Vor dem Druck auf Personen, Gemeinschaften und auch das Land Kärnten: Was wünschen Sie sich für das Land?

Das Land braucht Menschen, die mit großer Zuversicht die Herausforderungen der heutigen Gesellschaft miteinander gestalten. Die Frage lautet: Was müssen wir tun, damit die Menschen in Kärnten ein gutes Leben haben? Was ist in den einzelnen Bereichen wie Arbeitswelt, Soziales, Gesundheit, Bildung und Kultur konkret zu tun? Und es kommt der Bereich dazu, in dem sich viele engagieren, wo sie arbeiten, um Geld zu sparen, wo sie selbst etwas machen, aufopfernd für andere.

Die Freiwilligkeit wird wichtiger, wo die öffentliche Hand nicht alles leisten kann.

Wenn die Menschen wissen, wofür sie sich einsetzen sollen, dann engagieren sie sich, ohne zu fragen: Was bringt mir das? Stattdessen fragen sie: Tut es diesem Land gut, indem wir viele Vorteile haben? Kärnten hat vieles schon gut und gemeinsam bewältigt.

Wir müssen uns unserer Stärken bewusst werden?

Es gilt, die vorhandenen Potenziale im Land zu heben und zu nutzen.

Diözesanbischof Alois Schwarz: "Da Sprache Wirklichkeit schafft, würde ich das Wort Spaltung der Gesellschaft vermeiden." | Foto: Helge Bauer
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