Sommergespräch 2022
Geier (JVP): "Als Politiker tut man sich aktuell schwer"

Im Juli und August finden traditionell politische Sommergespräche statt. Wir haben in diesem Jahr auch die jeweiligen Jugend-Vorsitzenden der Kärnten Parteien zu einem solchen in Form eines Video-Interviews geladen. Diesmal ist Julian Geier von der Jungen ÖVP dran.

KÄRNTEN. Wir treffen Julian Geier an einem seiner Lieblingsplätze und zwar in der Klagenfurter Ostbucht mit Blick auf den Wörthersee - und er spart nicht mit einer wahren Liebeserklärung an den Ort.

Wir befinden uns hier in der Ostbucht in Klagenfurt. Kannst du ganz kurz erklären, warum das so ein besonderer Ort für dich ist?
Ich glaube generell, wer als Klagenfurter im Sommer nicht gerne am Wörthersee ist, der hat nicht verstanden, dass wir eigentlich an einem der schönsten Plätze dieser Welt sitzen. Und heute ist das Wetter zwar nicht ganz perfekt, aber wenn wir da rausschauen, und das Türkis aus dem Wörthersee heraus leuchtet, dann kann man sich hier gerade als Jung-Schwarzer sehr wohlfühlen.

Du hast eine fast klassische Karriere als Jungpolitiker hingelegt, bist als Schulsprecher eingestiegen. Möchtest du vielleicht ganz kurz skizzieren, wie du deine Anfänge bestritten hast?
Schulsprecher war einfach etwas, das mich damals interessiert hat. Ich bin dann klassisch über den Schulsprecher zur Schülerunion gekommen und dann von der Schülerunion in die Junge ÖVP. Was mich heute wirklich antreibt ist, dass wir gerade in Zeiten wie diesen extrem laute Stimmen für die junge Generation brauchen.

Was hat damals den Ausschlag gegeben dafür, dass du in der Früh aufgestanden bist und gesagt hast: So, ich will etwas bewegen und ich werde Schulsprecher?
Eines der brennendsten Themen war damals, dass wir keinen Schulball hatten - das war damals das größte Ziel, das ich als Schülervertreter schaffen wollte.

 Du bist jetzt langjährig führend in der JVP tätig. Die JVP hat für mich aber immer ein bisschen den Anschein einer sektenartigen Vereinigung. Die Rhetorik ist bei den meisten ähnlich, der Speech ist sehr ähnlich - was würdest du dem entgegnen?
Also ich glaube, da muss man schon ein bisschen aufpassen. Wenn du zu einer Partei dazu gehst, hast du immer ein ähnliches Wertegerüst. Das mit dem Speech kann ich nicht zu 100 Prozent unterstreichen, die JVP ist sehr vielseitig. Wir sind trotzdem, und das beanspruche ich für mich, die größte politische Jugendorganisation in diesem Land, aber auch in dieser Republik. Wir sind in den Tälern, wir sind in den Dörfern, wir sind aber auch in den Städten verbreitet.

Du bist auch bei einer zweiten Organisation, beim Kartellverband. Da gibt es immer wieder die etwas despektierlichen Meinungen, es sei nicht mehr zeitgemäß: Warum bist du dort eigentlich Mitglied?
Das ist tatsächlich damals im gleichen Zeitraum passiert, wie mit der Jungen ÖVP passiert. Man muss da ganz klar unterscheiden zwischen den klassischen Burschenschaften und uns, den katholischen Studentenverbindungen. Ich bin tatsächlich bekennender Katholik, aber auch da war tatsächlich das Netzwerk und die freundschaftliche Geschichte entscheidend. Aber ich bin gerne im CV und im MKV und ich bin auch gerne auf den Veranstaltungen.

Du hast ja mittlerweile schon einige Funktionen und Positionen innerhalb der ÖVP inne. Siehst du dich überhaupt noch als Jungpolitiker?
Ich sehe mich grundsätzlich ungern als Politiker, muss mir aber mittlerweile eingestehen, dass ich einer bin. Aber natürlich fühle ich mich mit der jungen Generation weiterhin verbunden. Ich glaube, die dringendsten Themen, die wir vor uns haben, werden ganz große Generationen-Themen sein. Und da braucht es eben, wie ich schon früher gesagt habe, laute Stimmen von uns. Wenn wir nicht die Themen anpacken, die die Zukunft betreffen, wer wird sie sonst anpacken?

Wie lange willst du die Position des JVP-Landesobmanns noch ausfüllen?
Die JVP zeichnet aus, dass es viele gibt, die gerne Obmann oder Obfrau sein wollen. Wenn niemand mehr da ist, der dein Nachfolger werden möchte, dann hast du deinen Job als Obmann falsch gemacht oder nicht gut genug ausgelebt. Ich will jetzt aber zu meinem Zeithorizont in der Jungen ÖVP trotzdem nichts sagen. Ich bin letztes Jahr wieder gewählt worden, offiziell läuft meine Periode noch zwei Jahre.

Du warst sehr begeistert von Sebastian Kurz – wie siehst du ihn heute?
Sebastian Kurz hat es geschafft, junge Leute wieder für Politik zu begeistern. Er hat die Perspektiven, die wir brauchen, gegeben. Was die letzten Monate passiert ist, würde ich nicht nur auf Sebastian Kurz zurückführen, sondern da geht es viel mehr um die zweite und dritte Reihe, die Fehler gemacht hat. Da braucht es von uns ein klares Bekenntnis dazu, dass wir einen Schnitt brauchen und, dass wir dort weitermachen, wo wir und Sebastian Kurz aufgehört haben. Wir haben mittlerweile eine dramatische Politikverdrossenheit, die mir im Herzen brennt. Egal, welches Colour: Du tust dir als Politiker aktuell echt schwer. Ich bin relativ klar bei dem, was passiert ist: Das ist nicht schön zu reden und das gehört auch nicht verteidigt – gewisse Dinge tut man nicht und als Politiker erst recht nicht. Es ist unser Job, ein Vorbild zu sein und dieses Vorbild sollten wir auch leben.

Wann ist der richtige Zeitpunkt für den Wechsel von Martin Gruber zu Landesrat Schuschnig an der Spitze der Kärntner ÖVP?

Welchen Wechsel? Markus Gruber ist unser Parteiobmann, er ist eindrucksvoll am Parteitag bestätigt worden. Er genießt meine vollste Unterstützung, aber genauso genießt auch Sebastian Schuschnig meine vollste Unterstützung. Ich habe total viel von Schusche (Anm.: Sebastian Schuschnig) lernen dürfen – er war ja mein Vorgänger als Obmann. Ich glaube, dass wir mit beiden Köpfen vieles in Kärnten abdecken können. Martin Gruber wird ein guter Spitzenkandidat bei der Landtagswahl sein.

Wirst du Jugend-Spitzenkandidat werden?

Das Geheimnis können wir lüften: Aus meiner Perspektive derzeit nicht, weil ich für mich persönlich politisch einen anderen Fokus gesetzt habe. Wir werden aber jemanden ins Rennen schicken und ich werde definitiv Martin Grubers Wahlkämpfer Nummer eins sein.

Wer ist dein aktuelles politisches Vorbild und wer war es in deiner frühesten Jugend?
Aus meiner Jugend gibt es einige Beispiele von Personen, die mich in der JVP geprägt haben. Einer der Gründe, wegen denen ich heute hier sitze, ist sicher Stephan Tauschitz. Jemand, der mich sehr faszinierte, war Wolfgang Schüssel – er war für mich, neben Sebastian Kurz, der Politiker, der Österreich ganz massiv geprägt und mich damals beeindruckt hat. Ein Politiker, der mich auch immer fasziniert hat, ist Barack Obama. Er ist einer der charismatischsten Menschen auf diesem Planeten und wenn jeder nur einen Prozent seines Charismas hätte, könnten wir enorm viel bewegen.

Wenn wir auf die thematische Ebene kommen: Wo drückt der Jugend in Kärnten am meisten der Schuh?
Mit dem Ende der Pandemie haben wir sicher ein großes Thema, das kommt jetzt wieder ins Laufen. Es ist auch die bereits angesprochene Politikverdrossenheit – wir müssen den Glauben an die Politik wieder zurückgewinnen. Und wo wir ansetzen müssen: Wir müssen anderen jungen Menschen Perspektiven geben. Die Teuerung tut jedem weh, vor allem den Jungen. Aber auch das Thema Wohnen wird immer akuter. Man muss den jungen Menschen die Motivation geben aufzustehen, zur Arbeit zu gehen und sich dann irgendwann die eigenen vier Wände leisten zu können. Ich halte auch nichts davon, junge Menschen in Mietwohnungen zu treiben – das Ziel sollte es schon sein, Eigentum zu schaffen. Da gehört an vielen Stellschrauben geschraubt.

Ein Punkt der Pandemie ist auch das Impfen – persönliche Frage: Bist du geimpft?
Ich bin geimpft, aber ich glaube, wir müssen bei einem anderen Punkt ansetzen: Ich habe die Diskussion um die Impfpflicht nicht gescheit gefunden. Es ist nicht der richtige Weg, wenn wir Menschen dazu zwingen müssen, dass sie geimpft werden. Was mir aber Sorgen macht, ist die Wissenschaftsfeindlichkeit – da müssen wir nachlegen und im Bildungssystem ansetzen. Wir sollten eigentlich froh sein, dass wir in einer Generation leben, wo wir so schnell einen Impfstoff zustande brachte. Hier werden wir gesellschaftlich ansetzen müssen und das Vereinen sollte das größte Ziel sein.

Also: Nein zur Impfpflicht?

Ich halte sie nicht für den richtigen Weg. Aber wir müssen die Wissenschaftsfeindlichkeit im Bildungssystem bekämpfen, da läuft einiges schief und da haben wir massiven Aufholbedarf.

Du hast vorhin selbstkritisch gemeint, dass auch die ÖVP in den vergangenen Monaten zur Politikverdrossenheit beigetragen hat. Wie willst du dagegen ankämpfen?

Hier muss ich noch klarstellen: Ich würde das nicht auf die ÖVP reduzieren. Ja, es ist vieles passiert, was nicht richtig war. Aber auch die anderen Fraktionen haben genug Dreck am Stecken. Es ist nur gerade unser Pech, dass sie etwas gefunden haben, aber ich bin mir sicher, dass man in jeder Fraktion etwas findet. Aber, um gegen die Politikverdrossenheit anzukämpfen, gibt es einen ganz leichten Weg: Wir sollten mit gutem Beispiel gesellschaftlich vorangehen.

Du hast auch das leistbare Wohnen angesprochen: Was kann man tun, um den Jungen das Wohnen wieder leistbar zu machen?
Ein Eigentumshaus in Klagenfurt kostet mindestens 600.000 Euro und mit 30 Jahren hat man nicht die nötigen 120.000 Euro, da man mittlerweile ja ein Fünftel an Eigenkapital vorweisen muss. Wir müssten auch die Wohnbauförderung im Land Kärnten überhaupt – hier brauche es zinsfreie oder zumindest sehr günstige Darlehen. Doch es sollte hier auch um´s Renovieren gehen, denn wir viel tolle Bausubstanz, die einfach gescheit hergerichtet werden müsste. Es ist kein Zukunftskonzept, weiter auf Flächenverbauung zu setzen. Wir sollten auch offen sein für eine Leerstandsabgabe, auch wenn die Idee in meiner Partie vielleicht unüblich ist. Man könnte auch die staatlichen Nebenkosten bei neuen Eigenheimen auf null setzen. Mit einem vernünftigen Maßnahmen-Mix hätte man dann schon wieder Perspektive.

Wäre in diesen schweren Zeiten nicht auch eine Reichensteuer anzudenken?

Davon halte ich nichts und zwar aus einem einfachen Grund: Wir leben in einer liberalen Demokratie und jeder Mensch sollte die Möglichkeit haben, an Ziele zu streben. Ich bin eher der Meinung, dass wir es anderen Menschen ermöglichen sollten, reich zu werden bzw. mehr verdienen zu können – ich habe dafür aber keine Lösung.

Die Abwanderung betrifft uns in Kärnten ganz enorm, besonders im ländlichen Raum. Wie sollte man dem Herr werden?

In Kärnten verlassen uns aktuell 13 junge Kärntnerinnen und Kärntner tagtäglich, acht davon kommen nie wieder zurück. Maßnahme Nummer eins ist es, die Vereine zu stärken. Und wir brauchen eine Kärntner Botschaft in Wien, um Lebensläufe gezielt an junge Menschen zu bringen – so sollten sie den Anschluss an Kärnten nicht verlieren. Viele Junge haben auch die Angst, dass sie etwas versäumen, wenn sie hier bleiben. Dass wir das Beachvolleyball-Turnier verloren haben, ist eine Dramatik für Kärnten – es war das Feigenblatt, das gezeigt hat, dass für junge Leute in Kärnten etwas geht.

Die ÖVP ist eigentlich eine konservative Partei: Wie stehst du zur Legalisierung von Cannabis?
Ich bin mir sicher, dass das früher oder später ein großes Thema wird – ich halte es aktuell aber nicht für gescheit. Aber das betrifft auch den Alkohol: Man muss jungen Leuten einfach beibringen, wie man Dinge konsumiert. Ich finde es schon sehr positiv, dass das Rauchen bei jungen Leuten in den letzten Jahren zurückgegangen ist und ich finde es nicht notwendig, dass man mehr Schadstoffe in den Körper bringt.

Wohin willst du in der Politik am Höhepunkt deiner Karriere kommen?

Vor zwei Jahren hätte ich noch anders geantwortet. Aber wenn man lernt, dass Politik anders funktioniert, dann ist es nicht gescheit, sich ein Ziel zu setzen – das wäre auch die falsche Motivation.

Ich versuche es noch einmal anders, was klingt für dich besser: Bürgermeister Geier, Landeshauptmann Geier oder Minister Geier?
Das Mittlere fast am wenigsten. Bürgermeister ist sicher einer der schönsten Berufe dieser Welt, weil man sehr nahe am Bürger ist. Wenn aber der Anruf aus Wien jemals kommen würde, ob ich Minister werden würde, bin ich mir nicht sicher, ob ich ja sagen würde.

Julian, ich sage herzlichen Dank für deine Zeit und die ehrlichen Worte. Alles Gute und schönen Sommer.

Danke, ebenso. Ich wünsche euch allen einen schönen Sommer und nächstes Jahr nicht vergessen, bei den Landtagswahlen das Richtige zu wählen.

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