Busunternehmen in der Krise
100 Prozent Umsatzrückgang

Josef Weiermair, Sprecher für 220 Branchenkollegen | Foto: Christoph Weiermair
  • Josef Weiermair, Sprecher für 220 Branchenkollegen
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Die Erfolgsgeschichte von Weiermair-Reisen startete Josef Weiermair senior 1972 mit der Schülerfreifahrt für die Oberschlierbacher Kinder. Aus dem Familienbetrieb wurde in fast 50 Jahren das heutige Reisebüro Weiermair GmbH, welches Josef Weiermair (58) in zweiter Generation führt. Durch die Corona-Krise ist das Lebenswerk seines Vaters bedroht.

KIRCHDORF (sta). Josef Weiermair ist Fachgruppenobmann der oö. Autobus-, Luftfahrt- und Schifffahrtsunternehmen. Er vertritt als Sprecher mehr als 220 Busunternehmer in Oberösterreich.  In der Garage des Unternehmens stehen moderne, klassifizierte 4*- und 5*-Reisebusse und drei Kleinbusse. Unter dem Motto „Mit Abstand besser reisen“ wird seit vielen Jahren großen Wert auf Qualität gelegt. "Deshalb haben wir uns auch dazu entschlossen, die Busse von der Gütegemeinschaft Buskomfort überprüfen und kontrollieren zu lassen. Das machen 500 Firmen in Deutschland und der Schweiz, in Österreich sind wir bisher die einzige Firma," so der Firmenchef.

350 Reisen, 12.000 Kunden

25 Mitarbeiter kümmern sich darum, dass Kunden einen unvergesslichen Urlaub erleben können. Pro Jahr organisieren sie etwa 350 Reisen, die von etwa 12.000 Kunden gebucht werden. Weitere rund 8000 Kunden reisen mit fixen Gruppen in den Bussen, die etwa 500.000 Kilometer auf Europas Straßen zurücklegen. "Die Vorausbuchungen waren so gut wie noch nie und wir alle freuten uns auf eine fantastische Reisesaison – bis Corona kam." Der Reiseunternehmer spricht im BezirksRundschau Interview über die Zukunft seines Unternehmens.

BezirksRundschau: Herr Weiermair, wie schwer trifft Sie die Kriese?
Weiermair: "Seit Beginn der Corona-Krise stehen alle Fahrzeuge abgemeldet in der Garage. Das bedeutet einen Umsatzrückgang von 100 Prozent. Derzeit sind alle Reisen bis Mitte Juni abgesagt, da wir mindestens vier Wochen vor Abreise die Entscheidung bezüglich der Durchführung treffen müssen. Momentan sind mehr als 50 Prozent der Reisen storniert. Wir arbeiteten seit März 2019 an den Reisen für 2020. Das sind mehr als 1000 Arbeitsstunden, tausende Telefonate und Emails, Druckkosten, Werbung, Versand und vor allem auch tausende Beratungen und Buchungen. Diese Arbeit wurde mit einem Schlag vernichtet. Ein großes Problem ist, dass wir für die gebuchten Gruppen hohe Anzahlungsbeträge ins Ausland überwiesen haben. Laut Gesetz wären die Hotels, Agenturen und Fluggesellschaften verpflichtet, die Beträge zurück zu zahlen. Allerdings haben einige Länder das EU-Pauschalreiserecht ohne Zustimmung der EU abgeändert und bieten uns Gutscheine an. Unsere Kunden haben aber das Recht auf Erstattung der Anzahlungen. Zum Glück haben wir sehr viele und sehr treue Stammkunden, die ihre gebuchten Reisen auf einen späteren Zeitpunkt umbuchen oder Reisegutscheine akzeptieren. Manche Kunden kaufen sich jetzt Reisegutscheine, um uns zu unterstützen. So sehr uns dieser Virus auch getroffen hat, die vielen positiven und solidarischen Briefe, Telefonate und Emails unserer „Reisefamilie“ geben uns den nötigen Rückhalt in dieser Krise."

Was raten Sie ihren Kunden und warum soll man in einem Reisebüro buchen?
"Besonders in Krisenzeiten können sich Urlauber glücklich schätzen, wenn sie ihre Reise in einem Reisebüro gebucht haben. Unsere Mitarbeiter haben sich seit Ausbruch von Covit 19 mit vollstem Einsatz darum gekümmert, alle Kunden sicher nach Hause zu bringen. Das ist nur einer der großen Vorteile gegenüber einer Internetbuchung. Leider mussten schon dutzende Reisen abgesagt werden und die Buchungen storniert oder umgebucht werden. Bei gebuchten Reisen im Sommer und Herbst raten wir unseren Kunden, mit der Stornierung zuzuwarten, um nicht unnötige Stornogebühren zu riskieren. Wird die Reise abgesagt, weil die Durchführung nicht möglich ist, verständigen wir die Kunden rechtzeitig, damit keine Kosten entstehen."

Welche Maßnahmen wünschen Sie sich von der Regierung?
"Der Schaden im Tourismus ist so groß, dass kein Reisebüro oder Reiseveranstalter ohne staatliche Förderprogramme in eine sichere Zukunft blicken kann. Es trifft nicht nur die großen „Player“ wie die TUI, die Lufthansa oder die AUA, sondern auch tausende kleinere, familiengeführte Reiseunternehmen. Das können aber nicht nur Überbrückungskredite sein, sondern echte Zuschüsse. Ich gehe davon aus, dass in Österreich nicht nur die Austrian Airlines gerettet werden soll, sondern auch die kleinen Reiseunternehmen, die insgesamt wesentlich mehr Mitarbeiter beschäftigen. Sich eine Airline ohne Reisebüros zu leisten, wäre ungefähr so, als wenn man sich einen teuren Computer kaufen würde, dann aber kein Geld mehr für das Betriebssystem zu haben...Unser Staat hat am 30. April verordnet, dass wir ab 1. Mai wieder mit den Bussen fahren dürften. Diese kurzfristige Entscheidung hilft uns sehr wenig, wenn bereits alle Reisen bis Mitte Juni storniert worden sind. Außerdem wissen wir noch nicht, wann die Grenzen zumindest zu einen Nachbarländern wie z.B. Deutschland, Tschechien, Südtirol oder Kroatien geöffnet werden. Wir sind in ständigem Kontakt mit unseren Agenturen in unseren Zielländern, um auch sicher sein zu können, dass die Sicherheit und Gesundheit unserer Reisegäste gewährleistet werden kann. Es wird notwendig sein, dass Österreich bilaterale Abkommen diesbezüglich abschließen wird. Die Regierung hat empfohlen, heuer den Urlaub in Österreich zu verbringen. Wir werden auch einige neue Reisen innerhalb Österreichs anbieten, allerdings können wir damit nur ungefähr 10 Prozent des Umsatzentfalls kompensieren. Alle für uns wichtigen Veranstaltungen wie z.B. die Seefestspiele Mörbisch oder die Oper im Steinbruch St. Margarethen sind abgesagt. Außerdem sind Schulausflüge bis Ende des Jahres untersagt worden."

Was bringt die Zukunft?, wie soll es weitergehen?
"Unsere Verkehrsministerin hat verlautbart, dass beim Wiederaufbau des Tourismus auch ökologische Aspekte eine Rolle spielen werden. Das stimmt mich sehr zuversichtlich, die notwendige Unterstützung zu bekommen, da es keine umweltfreundlichere Möglichkeit gibt, als mit dem Bus zu verreisen. Natürlich hoffen wir, dass bald eine geeignete Medizin gefunden wird, um erkrankte Menschen heilen zu können. Glücklicherweise gibt es in den meisten Ländern einen starken Rückgang bei den Infektionen und die Aussicht auf eine geeignete Medizin ist groß. Das gibt uns die Hoffnung, dass im Sommer und Herbst wieder gereist werden kann. Trotzdem planen wir derzeit einige neue Reisen innerhalb Österreichs. Vor allem Rad- und Wanderreisen werden gefragt sein, denn wir glauben, dass sich unsere Kunden nach den vielen Wochen in den eigenen vier Wänden wieder auf Bewegung in frischer Luft freuen werden. Jede Krise birgt auch eine Chance: ich bin mir sicher, dass in Zukunft das Reisen wieder eine andere Wertigkeit bekommen wird. Die Reisefreiheit werden wir wieder mehr schätzen und auch auf die Umwelt werden wir mehr Rücksicht nehmen (müssen). Der Regionalität wird wieder mehr Bedeutung zukommen. Das gilt auch für Reisebüros. Mehr Service und Beratung zum gleichen Reisepreis. Außerdem bleibt so die Wertschöpfung in Österreich und geht nicht zu den Konzernen im Ausland. Unsere Busfahrer und Reiseleiter können es gar nicht mehr erwarten, endlich wieder mit netten Gästen auf Reise gehen zu können. Gemeinsam mit unseren verlässlichen Mitarbeitern und treuen Stammkunden werden wir es schaffen und ich freue mich schon auf unser 50-jähriges Jubiläum, das wir 2022 feiern werden."

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