Camping in Hinterstoder
Gemeinde Hinterstoder lud zum "Faktencheck"

Entfernungen vom Areal der Villa Peham zur Wildfütterung und zum Schiederweiher. | Foto: Gemeinde Hinterstoder
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  • Entfernungen vom Areal der Villa Peham zur Wildfütterung und zum Schiederweiher.
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In den vergangenen Wochen und Monaten gab es im Bezirk Kirchdorf kaum ein heftiger diskutiertes gemeindepolitisches Thema als „Camping in Hinterstoder“.

HINTERSTODER. Unter anderem war vom "Opfern der Naturschönheiten des Stodertals auf dem Altar touristischen Profitstrebens" die Rede. Bürgermeister Helmut Wallner will das so nicht stehenlassen. In der aufgeheizten Stimmung gehe der Blick für eine seit drei Jahrzehnten forcierte nachhaltige, mehrfach ausgezeichnete Entwicklung Hinterstoders verloren.

Zahl der Hauptwohnsitze stark gesunken

Der Bürgermeister macht auf die Entwicklung der Einwohnerzahlen in den vergangenen Jahrzehnten aufmerksam. Die Zahl der Hauptwohnsitze in der Stodertal-Gemeinde ist von über 1.024 im Jahr 1961 auf aktuell 924 gefallen. "Da läuten für eine Gemeinde die Alarmglocken. Hier muss man dagegenwirken. Das ist seit Jahren eine Aufgabe, der wir uns stellen." Man könne auch nicht "die ganze Zeit als Abgangsgemeinde herumkrebsen", spricht der Bürgermeister die finanzielle Situation der Gemeinde an. "Das war ein Ziel, das wir uns im Gemeinderat gestellt haben." Es gehe darum, Nächtigungsanreize zu schaffen. "Ohne Betriebe wird ein Ort nicht reüssieren können. Wir müssen schauen, dass wir etwas weiterbringen. Hinterstoder ist vom Tourismus abhängig. Schon vor Jahren haben wir uns dazu bekannt, den Tourismus nur unter größtmöglicher Schonung der Naturressourcen zu betreiben. Wir können aber nicht zulassen, dass über das Stodertal der Glassturz gestülpt und der Gemeinde jede Möglichkeit genommen wird, eine prosperierende Entwicklung anzustreben.“

Foto: Gemeinde Hinterstoder

Touristische Nutzung für Areal Peham-Villa seit 1982

Bereits 1982 beschloss der Gemeinderat in Hinterstoder für das Areal um das einstige Landeserholungsheim Peham-Villa einstimmig eine Flächenwidmung Bauland / touristische Nutzung. Nach dem Brandanschlag auf die Peham-Villa und deren Abriss beschloss die Gemeinde, das Areal zu veräußern. Am 28. Jänner 2021 beschloss der Gemeinderat einstimmig einen Bebauungsplan für das ehemalige Peham-Areal. Der Bebauungsplan präzisiert die Kriterien, nach denen auf diesem Grundstück gebaut werden darf. Ob die vom Betreiber ins Rennen geschickten Bildwelten den Kriterien des Bebauungsplans entsprechen, könne derzeit nicht seriös beurteilt werden.

Gemeinde-Anwalt Berthold Lindner erklärt: "Die Gemeinde hat nun dafür zu sorgen, dass die notwendigen Verfahren in den unterschiedlichen Rechtsmaterien korrekt abgewickelt werden. Noch ist keines der Verfahren, in denen die Experten der Bezirks- und Landesbehörden ihre Expertise einbringen, abgeschlossen.“

Bringt ein Campingplatz Wertschöpfung?

Eine Studie der „ift Freizeit- und Tourismusberatung GmbH“ im Auftrag der Industrie- und Handelskammer Oldenburg hat die Geldflüsse im Campingtourismus genauer analysiert. Ihr Fazit: Auf jeden einzelnen Euro, den der Campinggast für die Unterkunft, also an den Betreiber der Campinganlage zahlt, kommen vier Euro, die vor Ort ausgegeben werden. Damit sei widerlegt, dass die Bürger und Gewerbetreibenden in Hinterstoder nichts davon hätten.

Beeinträchtigt das Camping-Areal das Naturerlebnis?

Die Luftlinie zwischen dem geplanten Camping-Standort und dem Schiederweiher beträgt, so geht aus den Unterlagen der Gemeinde hervor, rund 1.200 Meter. Dazwischen liegt aber ein knapp 800 Meter hoher Hügel. Die Distanz zur Wildfütterung auf Württembergischen Grund beläuft sich auf 670 Meter inklusive Waldzone. Da sich im Winter keine Camping-, sondern nur Hausgäste im Resort befinden, könne die Wildfütterung unbeeinträchtigt stattfinden.

Zum Umgang mit der Brandruine Villa Peham

Im Zuge der Diskussion über das geplante Camping-Resort wurde der Gemeinde Hinterstoder, insbesondere dem Bürgermeister, der Umgang mit den Überresten der Peham-Villa angekreidet.
2007 hatte die gemeindeeigene „Freizeiteinrichtungen Hinterstoder GmbH“ die denkmalgeschützte Villa und das dazugehörige Grundstück vom Land OÖ erworben. Im September 2015 brannte das Gebäude ab. Bereits während der Löscharbeiten wurden seitens der Feuerwehr Gebäudeteile abgetragen. Angesichts der vielen Spaziergänger, darunter viele Kinder, schien die Bedrohung zu groß, dass unbefugtes Betreten der Ruine zu fatalen Folgen führen könnte. Die Gemeindeverantwortlichen erkannten Gefahr im Verzug und veranlassten den Abbruch des Gebäudes – ohne zuvor die Einwilligung des Bundesdenkmalamts zu erwirken. Rechtsanwalt Berthold Lindner räumt ein: "Es ist richtig, dass das Denkmalschutzgesetz nicht eingehalten wurde. Es wäre aber für Amtsträger weder rechtlich noch moralisch zu verantworten, dass spielende Kinder von herabfallenden Balken erschlagen werden, deshalb ihr rasches Handeln.“

Projektträger und Gegner an einen Tisch holen

In der nächsten Gemeinderatssitzung, für die es aufgrund der steigenden Covid-Zahlen derzeit keinen konkreten Termin gibt, wird auf jeden Fall die Petition "Rettet das Hintere Stodertal" diskutiert. Wallner will in weiterer Folge Projektträger und -gegner des Campingresorts an einen Tisch bringen. „Wir haben in den vergangenen Jahrzehnten bewiesen, dass Hinterstoder Bürgerbeteiligung nicht nur kann, sondern vorausschauend praktiziert. Unsere lokalen Agenda-Prozesse haben alle Interessierten involviert und wesentlich dazu beigetragen, dass wir die gemeinsam erarbeiteten Visionen und Ziele auch gemeinsam erreichen konnten“, erläutert Wallner.

„Ich bin ein Mensch, der für Verbindung steht. Das Bild, das jetzt gezeichnet wurde, ist falsch. Es berücksichtigt die vielen Jahre unserer Arbeit nicht, sondern ist nur eine Momentaufnahme. Ich bin gerne bereit, einen Gruppenprozess mit externer Mediation zu initiieren, an dem alle gemeinsam an der Balance zwischen sanft-touristischer Weiterentwicklung und dem Schutz unserer Naturressourcen arbeiten. Das ist sicher kein einfacher Prozess, aber ein notwendiger, wenn wir die Gemeinde nicht in feindliche Lager spalten wollen. Ich werde mich im Gemeinderat dafür starkmachen, dass wir die Organisation und Finanzierung dieses Mediationsverfahrens rasch zustande bringen.“
Bürgermeister Helmut Wallner

"Wenn ich Politik betreibe, muss ich für etwas sein. Man kann nicht alles nur negativ sehen. Man muss für etwas eintreten, nur dann gibt es Fortschritt. Und den Fortschritt für Hinterstoder brauchen wir", so der Ortschef.

"Ehrlich miteinander umgehen"

Ein faires, ehrliches Miteinander fordert auch Markus Pernkopf von der Herzog von Württembergischen Forstverwaltung. Unter anderem spricht er die angeblichen Distanzen des Areals bei der Villa Peham zur Wildfütterung  und zum Schiederweiher an. Die Angaben zu den Entfernungen entsprächen nicht der Realität, die Entfernung zur Wildfütterung etwa betrage keine 300 Meter. Auch die Luftlinie zum Schiederweiher sei kürzer. "Es ist nicht richtig, falsche Zahlen weiterzugeben, weil dann wieder Emotionen hochleben", so Pernkopf.

Hinsichtlich "Gefahr in Verzug" bei der Peham-Villa sagt er: "Mit den heutigen Absperrgittern, die über zwei Meter hoch sind, hätte man Kinder dort schon fernhalten können." Er stellt auch die Größendarstellung der Peham-Villa mit "80 Gästebetten" infrage, tatsächlich seien es seiner Information nach 47 gewesen. Pernkopf macht außerdem auf die nachhaltige Waldbewirtschaftung seitens der Forstverwaltung aufmerksam. "Es geht uns um keinen Profit. Ginge es uns darum, würde die Natur nicht so ausschauen, wie sie jetzt ausschaut. Wir haben auch den Schiederweiher so erhalten, wie er ist, und keinen Tourismus irgendwo hergezogen. Wir hätten das vor 60 Jahren schon verscherbeln können, dann gäbe es eventuell heute schon einen Campingplatz. Das haben wir alles zurückgehalten." Der offene Brief des Herzogs, so Pernkopf, "hat einmal sein müssen". Seine Bitte an den Bürgermeister: "Nicht sauer sein, wenn sich der Grundnachbar, der sehr viel für die Gemeinde getan hat, zu Wort meldet. Das ist kein faires Miteinander."

"Flächenwidmung für Parkplatz nicht zwingend benötigt"

Zum Problem der fehlenden Flächenwidmung bei den Parkplätzen sagt der Rechtsanwalt: "Die Forderung, das man für einen Parkplatz zwingend eine Flächenwidmung benötigt, ist so nicht richtig. Wenn man in andere Gemeinden schaut, bin ich mir ziemlich sicher, dass nur sehr wenige Parkplätze tatsächlich gewidmet sind, weil das rechtlich in dieser Form nicht notwendig ist."

Weiterführende Infos zum geplanten Campingresort:
Internetauftritt Campingresort Hinterstoder
"Lassen wir die Kirche im Dorf"
Volle Aufklärung in Hinterstoder gefordert

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