Filmland Kärnten 2019
‚Rio Rios‘, ‚Ron Bop‘ & das Kino. Nachruf auf den Wiener Universalkünstler Martin Witzmann und zwei vergesse Filme aus Ktn.

Musiker, Schauspieler, Schriftsteller, Journalist, Universalkünstler: Martin Witzmann | Foto: © Bertram Könighofer 2012, Skug.at
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  • Musiker, Schauspieler, Schriftsteller, Journalist, Universalkünstler: Martin Witzmann
  • Foto: © Bertram Könighofer 2012, Skug.at
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Eine Meldung und eine Geschichte. Auf dem Überflug von Paris nach Los Angeles lese ich online auf der Seite des österreichischen Musikmagazins „Skug.at“ einen Nachruf auf den Erfinder der ungewöhnlichen Musikrichtung des „Mongokubismus“ dem Musiker, Schriftsteller, Journalisten und Schauspieler Martin Witzmann, der am 19. August 2019 im Alter von nur 42 Jahren in Wien verstorben ist.
(Martin Witzmann und "Ron Bop" sind hier zu sehen und zu hören: siehe Link)



Sehr vereinfacht handelt es sich beim „Mongokubismus“ um eine Mischung aus den Musikrichtungen „Freestyle-Noise-Jazz-Pop“. Richtig geraten! Wir befinden uns in der Welt des „Camp“, der Anfang der Nullerjahre des 21. Jahrhunderts in der westlichen Kunstwelt gehypt wurde, in der man/frau noch hip war, wenn man das Wort „Alternativ“ unnütz im Munde führte und, so weiß die Elterngeneration zu berichten, in finsteren Spelunken gutgelaunt dem Avantgarde-Trash-Hype gelauscht wurde.
Kennen Sie sich noch aus? Wenn nicht: macht nichts! Wenn doch: macht auch nichts!
Doch was hat dieses lustvoll dekadente Treiben aus den Schatten vergessener Ahnen mit dem staubtrockenen, wertkonservativen, völlig unbekannten Filmschaffen der Nullerjahre im 21. Jahrhundert des Filmlandes Kärnten, zu tun, einem Land, das damals noch nicht einmal in den kühnsten Träumen geahnt hat, je zum Filmland aufzusteigen?



Weiter unten im Text des Wiener Musikjournalisten Stefan Koroschetz wird es interessant: Mr. Martin Witzmann, Frontmann des Trios „Ron Bop“ haben im Jahr 2000/2001 den Soundtrack zu der Horrorkomödie „Terror am Strand“ (ein Film aus dem Subgenre des „Strandschlitzerfilms“), Regie: Elmar Weihsmann & Stefan Peczelt beigesteuert, schlimmer noch, die Band ist damals bei der Premiere des Films im Wiener Filmcasino, 1050 Wien, live aufgetreten, dieses Konzert gilt als „legendär“ für die Wiener Avantgardemusikszene jener Jahre. (z.B. Walter Malli)



Im heimatlichen Los Angeles, einer Stadt, die an Pulp-Kultur á la Quentin Tarantino reich gesegnet ist, angekommen, mache ich mich auf die Suche nach den Spuren, dieses (vergessenen) Meisterwerks aus der Off-Off-Horrorecke mit dem Kärnten-Faktor. Tatsächlich, im Büro von Filmmakers Company findet sich ein Schuhkarton mit dreißig selbstgebrannten DVDs des Films, so gut wie alles Belegexemplaren von Raubkopien aus so exotischen Staaten wie Pakistan, Indien, Thailand, Vietnam, aber natürlich auch aus England und den USA, sowie von dubiosen, längst eingegangenen Mailorderversandläden aus Berlin, uralten Filmprogrammen aus Deutschland, Italien, Frankreich, Griechenland und Russland.
Von den 30 DVDs -/+ laufen in meinem Laufwerk nur 2, alle anderen Codecs sind antik und werden nicht mehr erkannt, alles scheint aus einer Zeit vor mp2 zu sein, immerhin finde ich im Netz die Version aus Pakistan, in der das „Verbrennen der US-Flagge über einem Leichenberg“ gleich zweimal montiert wurde, einmal zu Beginn und einmal am Ende des Films, wozu das gut sein soll bleibt unbekannt, am Schluss beider Fassungen ist jeweils die Band „Ron Bob“ bei einem Live-Auftritt in einem mir unbekannten Konzertsaal, der laut eingeblendeten Credits als „B72“in Wien, betitelt ist.
Die Musik ist ohrenbetäubend, der Soundtrack insgesamt ist ohrenbetäubend und der Inhalt, der leichenreichen Moritat, reizt bereits nach wenigen Minuten die Hemmschwelle leidlich aus auf den „Aus-Knopf“ zu drücken.



Was ist das? Schund total? Trash total? Pulp-Fiction aus der Wiener Subkultur? Denn sehr schnell zeigt sich, dass dieser Film mit dem Filmschaffen aus Kärnten so gut wie nichts zu tun hat. Natürlich sind Teile des Filmes in Kärnten gedreht worden und auch ein Teil von Cast und eventuell Crew dürften dem „Sound“ nach Kärntner gewesen sein, aber sehr schnell entsteht der Eindruck, dass die Zielrichtung dieses Trashfilms niemals das „konventionelle Kino“ jener Jahre und schon gar nicht des „Kinos in Kärnten“ gewesen sein kann, sondern immer auf die Subsubkultur in Großstädten abgezielt hat, obwohl der Film in den Startlisten von so honorigen Kinoseiten wie „Skip.at“, „Film.at“ usw. auftaucht, offensichtlich hat es damals im Jahr 2001 einen offiziellen Kinostart des Films in Österreich, aber auch in Deutschland gegeben.



Während gerüttelt 97 Minuten über den kleinen Bildschirm plätschern, der Ton ist inzwischen auf ein Minimum reduziert, stapeln sich die analogen Leichenberge, am Ende des Films werden es 50 Dahingeraffte sein, die in einem Tohuwabohu aus Gewalt, Dilettantismus, grenzwertiger Genialität, lustvoller Provokation, Voyeurismus, abgefahrener Spaßkultur, comicartigen Aktionen und allem was der Liebegott aus dem Bundesministerium für Unterricht und Kunst verboten hat daherkommt, das aber niemals langweilig ist. Der Kunstgott „Dada“ wäre entzückt.



Immerhin, so einen Mist zu drehen, muss man/frau sich erst einmal trauen! Mit dem skurrilen Charme eines Ed Wood-Movies hat dieser Film auch fast 20 Jahre nach seinem Entstehen absolut nichts zu tun, eher ist er, wenn überhaupt im Umfeld der Billighorrormovies von New York bis Tokio jener Jahre einzuordnen. (z.B. Street-Trash, R.: James M. Muro, USA 1987, Brain Damage, R.: Frank Henenlotter, USA 1988, Hiruko the Goblin, R.: Shin’va Tsukamot, Japan 1991), Filme, die hier an der Westküste der USA kultisch verehrt werden und neben dem abgefahrenen Inhalt auch mit einem ausgefallenen Soundtrack aufwarten können, kein Wunder also, dass „Ron Bob“ mit Martin Witzmann, Robert Renher, Markus Krispel und Elmar Weihsmann & Stefan Peczelt damals Anfang der Nullerjahre zusammengefunden haben, um ihrer Trash-Granate noch musikalisch „einen draufzusetzen“.



Doch die Zusammenarbeit mit „Ron Bob“ (Martin Witzmann, Robert Renher und Markus Krispel) sowie Tigerline (Elmar Weihsmann / Stefan Peczelt) war damit nicht zu Ende. Beide Seiten haben sich für den Gangsterfilm „Kugel ins Genick“ (Aut 2000/2003) noch einmal zusammengefunden und einen zwar ausgefallenen, aber bei weitem „solideren“ Film gemacht, was, hat man die seltene Gelegenheit beide Filme zu sehen, durchaus einem „gewissen künstlerischen Gespür“ zu verdanken ist, da es wahrscheinlich unmöglich erscheint, den Trash-Faktor von „Terror am Strand“ zu übertreffen.



In der Gangsterballade „Kugel ins Genick“ spielt der begnadete Martin Witzmann, charismatisch, den Gangsterboss „Rio Rios“, der zwei Auftragskiller anheuert, (Elmar Weihsmann/Stefan Peczelt) um im wahrsten Sinn des Wortes alles auszulöschen, was irgendwie im Verdacht steht „Rio Rios“-Geld gestohlen zu haben, denn auf diesen Diebstahl steht die „Todesstrafe“.
Auch dieser Film ist, besonders der erste Teil, in Kärnten entstanden, der zweite und dritte Teil sind in Wien gedreht, das schaurige Finale, das in einem großen Schlussmonolog mündet bevor alles in Flammen aufgeht, dürfte wieder am Land (wahrscheinlich Kärnten) gedreht worden sein, wirklichen Hinweis gibt es dazu allerdings keinen.



Zum Schluss bleiben 60 Leichen auf der Strecke (Laufzeit des Films: 133 Minuten) unterlegt von einem Soundtreck von „Ron Bop“, die hier zeigen, wie vielfältig ihre ausgefallen Musikrichtung sein konnte und zwei Gangster, die einfach weitermachen, so als wäre es „das Normalste“ in Aut. als Auftragskiller sein „Täglich Brot“ zu verdienen.



Überraschender Weise ist „Kugel ins Genick“ ein „Schauspielerfilm“ in dem auch die Regie zeigt was sie draufhat. Ein entfesseltes Ensemble von Laien, ganz jungen Schauspielprofis, (z.B. der heutige TV-Star Angelika Niedetzky), der Kärntner Volksschauspieler Werner Wulz) und nicht zuletzt auch die Musiker von „Ron Bop“ (Martin Witzmann, Robert Rehner, Markus Krispel), die ausgeflippt genug sind, um den, für so eine Moritat, glaubwürdigen „Wahnsinn“ in den Film einzubringen, aber auch die ausgefeilte Kameraarbeit des Wiener Theater- und Filmregisseurs Martin Nechvatal, zeigen, dass dieser Film auch 20 Jahre später noch immer im besten Sinn nervenzerrend, weil unangenehm, dialogarm und spannend ist.



Auch „Kugel ins Genick“ ist ein Beispiel dafür, wie letztendlich „fragwürdig“ der Begriff „österreichischer Film“ oder „Kärntner Film“ als mögliche „Genre-Bezeichnung“ ist. Er ist genauso fragwürdig wie z.B. die Kategorisierung von Komödien als „Wörthersee-Filme“, nur um sie mit einem Drehort zu verorten.
Leider gibt es zu beiden Filmen keine Stellungnehmen, weder von der Regie noch von „Ron Bop“ und/oder Martin Witzmann, es gibt keine Interviews, nicht eine Filmkritik findet sich im Netz. Es finden sich nur Einträge auf IMDB und diversen Filmseiten (film.at, Skip.at usw.) Spuren auf Seiten von Musikmagazinen, geschlossenen Kinos (Eyszeitkino, Berlin) und mit etwas Glück und sehr viel Geduld findet man besonders „Terror am Strand“ auf den obskursten Webseiten im Fernen Osten. So bleibt eine ganz wesentliche Frage, nach der Motivation, wieso diese Filme gedreht wurden, unbeantwortet.



So sind diese beiden Filme von der Bildfläche verschwunden, so wie auch ihre Macher (Weihsmann/Peczelt), wie auch die Band „Ron Bop“ (Witzmann, Renher, Krispel) und der „Mongokubismus“, bis zu jenem 19. August 2019, an dem der Musiker, Schriftsteller, Schauspieler und Universalkünstler, Freund, Ex-Freund und künstlerischer Kompagnon der Autorin Stefanie Sargnagel, Martin Witzmann in Wien gestorben ist und mit einem Nachruf an ihn, an sein Werk und nicht zuletzt auch an „Terror am Strand“ erinnert wurde, um so dieses ausgefallene, wenig beachtete Kunstschaffen der Nullerjahre in Wien vielleicht zum letzten Mal vor dem Vergessen zu bewahren.

Es wird noch viele Geschichten über ungewöhnliche Beiträge zum Film- und Musikerbe in Österreich zu erzählen geben.

Musikfilme:
Ron Bob live in Soho
31.5.2002 – 23 min, 4:3, sw link zum Konzertmitschnitt
Besetzung:
Martin Witzmann (Stimme, Gitarre)
Robert Renher (Cello, Bass, Gitarre)
Markus Krispel (Gitarre, Keyboard, Sax, Schlagzeug)
Gäste:
Walter Malli (Sax. , Schlagzeug )
Cordula Bösze (Querflöte, Piccolo, Theremin)

Ron Bob Mantra
Ron Bob live im Fluc, Wien, Herbst 2003, 52 min, 4:3, Farbe
Uno, duo, trio, quadro – Ron Bob live in Wels, OÖ, 34 min, Farbe
Ron Bob live im B72, 41 min, Farbe
Alle genannten Filme: Regie: Elmar Weihsmann
Spielfilme:
Terror am Strand, Spielfilm, Soundtrack, Schlussszene Ausschnitt aus einem Liveauftritt der Band. 2001, Regie: Elmar Weihsmann/Stefan Peczelt, 97 min, 16:9, Farbe
Kugel ins Genick, Spielfilm 2003, Regie: Elmar Weihsmann/Stefan Peczelt, 133 min, 16:9, Farbe
Besetzung / Ron Bop:
Rio Rios – Martin Witzmann
Killer – Robert Renher
Killer – Martin Krispel
Soundtrack: Ron Bop

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