"Demokratie ist nur ein Wort"

Der afghanische Journalist Sohrab Balkhi ist vor sechs Jahren nach Österreich geflohen. Fünf Tage hat er das WOCHE-Team begleitet | Foto: Glabutschnig
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  • Der afghanische Journalist Sohrab Balkhi ist vor sechs Jahren nach Österreich geflohen. Fünf Tage hat er das WOCHE-Team begleitet
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KLAGENFURT (vep). Praktika bei einer Zeitung absolvieren viele; einen internationalen Austausch hat es nun bei der WOCHE Kärnten gegeben: Der afghanische Journalist Sohrab Balkhi schaute der Redaktion eine Woche lang über die Schulter und erfuhr, wie man hierzulande Zeitung macht. Umgekehrt erhielt die Redaktion durch ihn Einblicke in ein Land, in dem Journalisten wie Sohrab verfolgt und gefoltert werden, obwohl die Islamische Republik als eine der demokratischsten Verfassungen der islamischen Welt gilt.
Aufgewachsen ist Sohrab während des Krieges in Masar-e Scharif, der viertgrößten Stadt Afghanistans, und hat Journalismus an der Universität studiert - zwei Jahre in Afghanistan, zwei in Indien. Vor sechs Jahren ist Sohrab nach Österreich geflüchtet und war zunächst in Traiskirchen, dann in einer Flüchtlingsunterkunft in Krumpendorf. Im Zuge einer AMS-Fachausbildung für Deutsch durfte das WOCHE-Team den Journalisten kennenlernen. Und Deutsch ist für Sohrab wichtig, denn: "In jedem Land ist die Sprache die Grundvoraussetzung, um arbeiten zu können." Dass er seinen Beruf hier ausüben kann, wird für Sohrab, so sagt er selbst, nur erschwert möglich sein, schließlich ist gerade die Sprache das tägliche Werkzeug des Journalisten.

TV-Produzent und Zeitungsherausgeber

In Afghanistan hat Sohrab für verschiedene Medien gearbeitet, unter anderem war er Produzent und Regisseur für das nationale politische TV-Programm. "Das Mediensystem in Afghanistan wird nicht von der Regierung kontrolliert. Jede Partei hat zwar auch ihr eigenes Medium, doch die anderen sind unabhängig", erzählt Sohrab.
Zwischen 2007 und 2010 gab er auch seine eigene Zeitung "view of point" heraus, in der er das politische System und die Korruption kritisch beleuchtete. Sohrab hat auch eine Organisation ins Leben gerufen, die sich für Menschlichkeit und Menschenrechte einsetzt. Frei übersetzt hieß sie "y workers for Afghanistan" und zählte laut Sohrabs Angaben knapp 14.000 Mitglieder. Das y steht für young. "Die säkulare Ideologie zu vertreten, ist in Afghanistan sehr gefährlich", sagt Sohrab. Das hat er dann auch am eigenen Leib erfahren.

"Demokratie ist nur ein Wort"

"2008 begannen die Angriffe auf mich", erzählt Sohrab. Denn offiziell herrscht in Afghanistan zwar Demokratie, "doch das ist nur ein Wort", sagt Sohrab, "in Wahrheit regiert die Religion." Vor allem die Mudschaheddin wurden Sohrab gefährlich. "Zwei Wochen lang war ich in einem privaten Gefägnis eingesperrt, wurde geschlagen und mit Elektroschocks gefoltert. Und vier mal haben sie versucht, mich zu erschießen." Einen Anschlag hat er sogar auf Video, da es während eines Reportage-Drehs in der Stadt geschah.
Geflohen ist Sohrab letztendlich in einer Nacht-und-Nebel-Aktion. "Als gegen Mitternacht plötzlich ein Polizeiauto vor meiner Tür stand, bin ich zum Nachbarn über die Mauer geklettert und der hat mich in eine andere Stadt gefahren."

Auf der Flucht versteckt

Danach begann für Sohrab eine einmonatige Flucht: Von der afghanischen Hauptstadt Kabul nach Indien, von dort in die Türkei, nach Griechenland, weiter nach Italien und schließlich mit dem Zug über die österreichische Grenze. "Das gefährlichste war der Weg von Griechenland nach Italien. Ich war in einem Sarg versteckt und habe keine Luft mehr bekommen. Sie mussten mich dann wiederbeleben", sagt Sohrab.

Der Traum, zurückzukehren

Natürlich sei es sein Traum, irgendwann wieder in sein Heimatland zurückkehren zu können. "Derzeit geht das nicht, sobald ich über die Grenze komme, würden sie mich verhaften", sagt Sohrab. Auch sein Bruder Farhad und seine Schwester Roya Mina haben das Land verlassen, seine Eltern sind in Afghanistan geblieben. Kontakt halten sie über die sozialen Medien. "Es ist für mich sehr schwierig, ich hatte mir ein gutes Leben aufgebaut. Ich vermisse alles, sogar das Wetter, obwohl es gleich ist wie hier, aber es ist eben nicht zuhause. Doch ich hatte keine Wahl, ich musste fliehen", sagt Sohrab.

Weniger anders, als gedacht

Dass er hier sein kann, dafür ist er dankbar. Auch wenn ihm manchmal die Skepsis und Ablehnung der Menschen auffällt. "Doch das respektiere ich, es ist ja nicht mein Land. Nur für die Zukunft Österreichs finde ich diese Haltung gefährlich." Am Schönsten ist für ihn der Friede und die Freiheit hier. Kulturelle Unterschiede fallen ihm kaum auf. "Ich dachte, es wird so sein, doch eigentlich sind wir alle gleich; wir sind die selben Menschen."
Völlig neu war für Sohrab nur das Wiener Schnitzel. "Und was ich hier nie verstehen werde, ist die extreme Bürokratie. Ich habe schon vier riesige Stapel Papier zuhause und weiß nicht recht, wozu", schmunzelt er. Wie seine Zukunft hier aussieht, weiß er noch nicht. "Meine derzeitige Perspektive hier ist Tellerwäscher, aber ich habe studiert und will natürlich mehr erreichen." Die WOCHE wünscht ihm dafür alles erdenklich Gute!

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