Die zweite Chance für den Abfall
Abfall eignet sich nicht nur zum Dämmen und Heizen. Bis es so weit ist, kann man damit viel Zeit vertreiben.
Wir verarbeiten alle Materialien“, lässt mich Chef Peter Seppele wissen, bevor er mich auf seine Abfallwirtschaft loslässt. Noch bevor meine rege Fantasie wilde Blüten treiben kann, schränkt er ein: „Außer Tierkadaver, Sprengstoff und radioaktive Stoffe.“ – Ganz ehrlich: Ein bisschen beruhigen mich diese Tatsachen schon.
Meine Entspannung währt nicht lange. Ein überdimensionierter Kinderspielplatz ist sein 65.000 m2 großes Areal in Feistritz auch ohne Dynamit nicht. Gut, dass Fuhrpark- und Werkstättenleiter Josef Podesser ein wachsames Auge auf mich hat. Vor 32 Jahren war er einer von sieben Mitarbeitern der Abfallwirtschaft Seppele in Feistritz an der Drau. Heute arbeiten 190 Menschen im Familienunternehmen. Ich darf einmal dabei sein.
Überall lauern Gefahren. Vor allem die Schrotthalle treibt meinen Blutdruck in luftige Höhen. Ein Greifbagger lässt eine „Handvoll Müll“ aus geschätzten drei Metern auf den Boden fallen, und sofort macht sich Markus Steiner an seine Arbeit. Händisch sortiert er reines Metall aus dem undefinierbaren Haufen und lässt den Rest für die Presse liegen. Ein Magnet in der Hosentasche hilft ihm zu unterscheiden. „500 Kubikmeter sortiere ich jeden Tag“, lässt Markus wissen.
Ich scheue mich nicht vor der Arbeit, warte aber lieber, bis sich der Bagger aus meinem Blickfeld verdrückt hat. „Wir sind eingespielt“, rechtfertigt Markus das blinde Vertrauen in Baggerfahrer Gerhard Unterrieder. Aus sicherer Entfernung scheint mir das durchaus berechtigt: Millimetergenau steuert Gerhard Motormonster und Greifarm. „Hier arbeiten nur Leute, die wissen, wie sich der jeweils andere bewegt“, erklärt Josef. Im Klartext: Wer blöd in der Gegend herumsteht, lebt gefährlich.
Fehlerquote: vier Prozent
Ich bewege mich also weiter und lande in der Sortieranlage. Auf einem Förderband schippern verschiedenste Kunststoffe vorbei. Jeder Mitarbeiter sucht Teile nach bestimmten Kriterien heraus und lässt sie in entsprechende Tonnen verschwinden. Liegen bleiben darf nur, was einen hohen Brennwert hat. Maximal erlaubte Fehlerquote: vier Prozent. Dieser Kunststoff, der sich am Ende des Förderbands sammelt, wird bei Firmen wie Funder oder Wietersdorfer verwertet.
Georg Wimmler ist am Förderband für die Hohlkörper zuständig. Nun soll ich meine flinken Finger unter Beweis stellen und scheitere kläglich an meinem wissenschaftlichen Zugang. Während ich mir in Ruhe überlege, ob der Körper in meiner Hand tatsächlich richtig hohl ist, versenkt Georg mindestens fünf Stück in der Tonne. – Mein Zögern hebt die Fehlerquote.
Leichter fällt es mir am Förderband vor der Sortieranlage, wo Plastiksackerl herausgefischt werden. – Hier kann ich das Band anhalten. Dass ich damit den gesamten Betrieb aufhalte, kommt mir nicht in den Sinn. In aller Seelenruhe stochere ich im vorbeifahrenden Plastik herum, um endlich einen dieser widerspenstigen Fetzen zu ergattern – schlussendlich mit Erfolg.
Josef gönnt ihn mir und führt mich durch den Betrieb. 30.000 Tonnen Müll werden von Seppele pro Jahr abgeholt, verarbeitet und der Wiederverwertung zugeführt. Pellets stellt das Unternehmen selbst her. „Die Nachfrage ist enorm gestiegen – wir produzieren rund um die Uhr.“ Der ökologische Dämmstoff aus Papier wird in 22 Länder exportiert.
Gerd Leitner
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