Entstehen Grenzen im Kopf?
Unsere Grenzen sind sowohl aus Unsicherheit als auch aus Vernunft errichtet. Wolfgang Almstädters Anliegen ist es, Zweifel abzubauen, Neugierde zu schaffen, Berührungen zu ermöglichen. Teil 2 der Geschichte um aktive Flüchtlingshilfe in Langenlois.
Egal, ob ein Besuch der Kremser Badearena, des Naschmarkts und Stephansdoms in Wien, eine Zugfahrt durch die Landschaften oder gemeinsames Kochen mit jungen Frauen aus Langenlois - all dies soll zu einem selbstverständlichen Neben- und Miteinander beitragen. Amin, Fahd, Muhammad, Favaz, Mähbob oder Obaidullah fühlen sich hier geborgen. Als ich sie frage, wie es ihnen hier geht, kommen ausschließlich positive Antworten: „Ich will hierbleiben“, „ich liebe Langenlois“, „Menschen nix hassen Ausländer, sind gut“, so ein kleiner Auszug. Die inneren und äußeren Wunden heilen langsam aber beständig, wenn man es zulässt.
Der Krieg im Heimatland hat jeden von ihnen verletzt. Irgendwie sind alle Freund und Feind, jederzeit und überall zum Abschuss freigegeben. Doch es gibt noch eine weitere Form der Gewalt, genauso grausam und subtil: Organisierte Banden. Mit Mafia-Methoden pressen sie Geld aus jenen, denen nur Angst und Familie geblieben sind. Der Preis ist hoch - wird nicht bezahlt, tötet man ein Familienmitglied nach dem anderen. Für uns Unvorstellbares gehört in Afghanistan zum Alltag. Die Folge: kollektive Flucht in unterschiedliche Richtungen: Während die Männer meist den Weg über das Mittelmeer einschlagen, versucht sich der Rest der Familie über direkte Landesgrenzen hinweg in Sicherheit zu bringen. „Irgendwann reißen die Kontakte ab, der Versuch, via Handy und Internet Kontakt aufzunehmen, verläuft im Sand“ weiß Almstädter; „von da an sind die meisten auf sich alleine gestellt, ihre Hoffnung ist auf ein Minimum reduziert“.
So darf es nicht verwundern, wenn die Langenloiser, speziell das Umfeld von Wolfgang Almstädter, für die jungen Männer zu einer Art neuer Familie werden. Einen großen Teil dieser Verantwortung tragen die „Deutschlehrerinnen“ Charlotte Ennser, Gerlinde Krasser-Weinberger und Waltraud Gamauf. Ihre Motive: „Gegen den Mainstream der allgemeinen Ablehnung“ (Ennser), „war selbst schon in diesen Länder und wollte deshalb sofort mithelfen“ (Krasser-Weinberger), „jetzt erst recht als Reaktion auf die vielen negativen Meinungen, ausprobieren und wagen“ (Gamauf). Ihr Einsatz ist gratis, aber - wie die Erfolge zeigen - nicht umsonst.
Aus Alt wird Neu
Doch auch in anderen Bereichen tut sich einiges. So gibt es neben den Lehrerinnen eine Gartengruppe, Ausflugsbegleiter und Organisatoren von allerlei Nützlichem. Ihnen ist es zu verdanken, dass die Flüchtlinge bei Almstädter nicht nur gebrauchte, reparierte Laptops bekommen haben, um mit der Welt in Kontakt zu bleiben. Auch für die Mobilität wurde gesorgt: Aus Teilen einiger „Fahrrad-Leichen“ vom Bauhof wurden gemeinsam neue Räder zusammengebastelt, sodass nun jeder einen fahrbaren Untersatz hat. Apropos Bauhof: Leiter Leopold Schiegl und Vize-Bürgermeister Leopold Groiß fassten kurzfristig den Entschluss, die Flüchtlinge beim Bau- und Wirtschaftshof mitarbeiten zu lassen. Die solcherart in Schwung gekommene positve Integration ist ebenfalls als Musterbeispiel zu betrachten.
Vielleicht ist sehr viel „Rosa Brille“ dabei, möglicher Weise auch Hoffnung. In jedem Fall zeigt sich am Beispiel Langenlois, dass in Sachen Integration einiges möglich ist, wenn man sich seines „Mensch-Seins“ bewusst wird. Die Kunst wird darin liegen, es nicht zu übertreiben, weder in die eine noch in die andere Richtung, und für Überschaubarkeit zu sorgen. Qualität statt Quantität könnte der Schlüssel für eine gerechte Verteilung sein. Wir sind Teil einer historischen Bewegung geworden, ob es uns passt oder nicht.
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