Mini Med Studium
Morbus Parkinson – die "Schüttellähmung" im Fokus

Isabella Binder (RMA Gesundheit), Dr. Martin Sawires und Waltraud Berger (Seniorenrat Kufstein, v.l.). | Foto: Noggler
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"Nicht jedes Zittern ist ein Parkinson und nicht jede Form von Parkinson führt zur Bettlägerigkeit", erklärte Dr. Martin Sawires, Oberarzt für Neurologie am Bezirkskrankenhaus Kufstein den rund 50 Interessierten beim jüngsten Mini Med Abend in der Festungsstadt. 

KUFSTEIN (nos). Die ersten Anzeichen werden oft verkannt, da sie recht allgemein und häufig sind, weiß Dr. Martin Sawires, Neurologe am Kufsteiner Bezirkskrankenhaus, "aber bei einem Dopaminmangel treten sie viel häufiger auf, als üblicherweise". Verstopfung, Riech- und Schlafstörungen, Depression, Rücken- und Schulterschmerzen – damit haben Viele zu tun. Doch wie auch eine Störung der Körperhaltung oder des Gangs, eine Ungeschicktheit der Hände bei feinmotorischen Handlungen, oder auch vermehrtes Stolpern können ein erster Hinweis auf eine "Morbus Parkinson"-Erkrankung sein, so der Oberarzt. Oft wenden sich Betroffene erst an einen Arzt, wenn etwa das bekannte Schütteln, das meist an einer Körperhälfte auftritt, schwerer wird oder wenn die Sturzneigung überhand nimmt. Dabei wäre eine frühere Konsultation oft mit einer höheren Treffsicherheit der Therapie verbunden.

"Gutartiges Alterszittern hat nichts mit Parkinson zu tun"

Dr. Martin Sawires, Oberarzt Neurologie BKH Kufstein

In der medizinischen Untersuchung zeigt sich, ob die Warnzeichen tatsächlich als klinische Symptome zu werten sind, oder ob es andere Gründe dafür geben kann. Die Begleitung durch Angehörige hält Dr. Sawires hier für besonders wichtig, da Betroffene oft über Dinge hinwegsehen, die für den Diagnostiker ausschlaggebend sein könnten.

Klinische Symptome

Als klinische Symptome bei "Morbus Parkinson" gelten etwa Bewegungsverlangsamung, Zittern im Ruhezustand, oder auch Muskelsteifigkeit. In der Bewegung von Betroffenen zeigt sich beispielsweise ein vermindertes Mitschwingen der Arme beim Gehen, eine gebeugte Haltung oder auch ein "maskenhaftes Gesicht", also verminderte Mimik. Auch Schmerzen und Gefühlsstörungen, einsetzende Demenz, und Kreislaufstörungen wie Impotenz, Inkontinenz oder Schwindel können hier auftreten. Manche Patienten bekommen Halluzinationen: "Die Betroffenen wissen oft auch, dass das eine Sinnesstörung ist, sie können das einordnen und ängstigen sich nicht davor. Es gibt aber leider auch andere", so der Neurologe. All diese Symptome werden auf einen verminderten Dopaminmangel zurückgeführt. Diagnostische Tests geben den Ärzten Aufschluss, ob ein solcher vorliegt, oder ob es andere Gründe für die Symptomatiken geben könnte.

Tests geben Aufschluss

Die Bewegungsverlangsamung, die oft bei Parkinson beobachtet wird, kann etwa auch nach einem Schlaganfall oder bei einem Tumor auftreten. Auch Entzündungen im Nervensystem, Vergiftungen, Medikamente, rheumatische oder orthopädische Störungen, oder eine Schilddrüsenunterfunktion können diese hervorrufen. "Es gibt auch Medikamente, die eine Parkinson-Erkrankung vortäuschen", weiß Dr. Sawires, "zur Abklärung macht der Neurologe immer ein CT- oder ein MRT-Bild vom Kopf." Oft wird auch ein "L-Dopa-Test" gemacht, also dem Betroffenen künstliches Dopamin in Tablettenform verabreicht. Flaut die Symptomatik dadurch ab, kann das ein Hinweis auf Parkinson sein.

Dopaminspiegel im Sinkflug

Vor über 200 Jahren wurde die "Schüttellähmung" von James Parkinson erstmals beschrieben, heute trägt sie seinen Namen. Etwa 60 bis 100 von 100.000 Personen leiden unter einer Form der Parkinsonerkrankung, in Tirol sind etwa 1.700 Menschen davon betroffen, so Dr. Sawires. Dass die Erkrankung in heutigen Zeiten vermehrter auftritt als früher, habe einen einfachen Grund: Wir werden immer älter und irgendwann kann der ständig sinkende Dopaminspiegel nicht mehr vom Körper ausgeglichen werden. Die Folge: eine mögliche Parkinson-Erkrankung. Bei etwa 4-5 Prozent der Erkrankten in Österreich gehen die Mediziner von einer erblichen Form aus. Welche Gründe sonst für eine Erkrankung ausschlaggebend sind, ist aktuell Gegenstand der Forschung, auch an der Universitätsklinik Innsbruck, und noch ungeklärt. "Die Behandlung schaut im Moment genau gleich aus."

Dopamin ist ein körpereigener Botenstoff, der zur Informationsübertragung im Nervensystem dient. Bis zu einer kritischen Schwelle kann der Körper einen Mangel daran ausgleichen. "Der Dopaminmangel schreitet immer weiter voran", weiß Dr. Sawires. Parkinsonpatienten werden darum oft mit künstlichem Dopamin medikamentös therapiert, die vom Arzt herangezogene Therapieform hat aber Auswahlgründe. "Abhängig vom beruflichen Alltag der Betroffenen wird die Therapieform eventuell anders gewählt", erklärt der Neurologe. Hierbei geht es primär um die Symptomkontrolle, eine Vermeidung motorischer Komplikationen und ein Abflachen des fortschreitenden Dopaminmangels, im späteren Stadium um die Behandlung der Komplikationen, denn "das beeinträchtigt die Lebensqualität enorm".

So kann Parkinson therapiert werden

"Das Positive ist, es gibt verschiedene Therapieoptionen, das ist bei anderen neurologischen Erkrankungen oft nicht so", weiß Oberarzt Dr. Martin Sawires, "das erste Standbein sind medikamentöse Therapien".

Hauptsächlich werden medikamentös entweder künstliches Dopamin ("L-Dopa") in Tabletten, Kapsel oder löslicher Form verwendet, oder sogenannte Dopamin-Agonisten, Stoffe, die dem Körper vorgaukeln Dopamin zu sein. Eine Dopamin-Ersatz-Therapie wird eher bei älteren Patienten eingeleitet, da eine langfristige Dopamingabe über Jahrzehnte mit Problemen verbunden sein kann.

"Das macht natürlich einen Unterschied, ob man im Alter von 30 Jahren erkrankt, oder im Alter von 70"

Dr. Sawires.

Jüngere Patienten müssen aufgrund der längeren Therapiedauer mit mehr Komplikationen rechnen, so der Neurologe, es drohe ein Langzeitsyndrom bei der Gabe von "L-Dopa". Zudem treten hier oft Psychosen oder Verwirrtheit auf, ebenso Übelkeit und Kreislaufprobleme. Zudem sollten solche Präparate in zeitlicher Entfernung zur Nahrungsaufnahme eingenommen werden.
Dopamin-Agonisten hingegen können auch zum Essen genommen werden, sie wirken ähnlich, aber schwächer als "L-Dopa", motorische Spätkomplikationen treten seltener auf. Solche Mittel gibt es auch als Pflaster. Allerdings haben auch die Agonisten eine Kehrseite: häufigere Psychose-Neigung, plötzliche Schlafattacken oder Impulskontrollstörungen. Auch Beinödeme können hier auftreten. "Es ist immer ein Abwägen zwischen zwei Hauptsubstanzen, die ähnlich gut wirken", weiß der Neurologe aus Erfahrung. Ein Behandlungseffekt zeige sich häufig erst nach einigen Wochen. In der Einstellungsphase werden Patienten daher regelmäßig zum Arzt pilgern müssen.
"Es gibt noch kein Medikament, das das Sinken des Dopaminspiegels stoppen kann", weiß Sawires. Hier liegt auch ein Grund für die Komplikationen. Durch die Dopamingabe kommt es zu einem ständigen Auf und Ab des Dopaminspiegels im Körper. 

Um diese "Pulsabilität" zu vermeiden, kann chirurgisch eine Dopaminpumpe eingesetzt werden, die eine ständig gleiche Versorgung mit dem Wirkstoff sicherstellt und das Mittel in den Dünndarm abgibt. Eine weitere chrirurgische Therapieform ist die "Tiefe Hirnstimulation". Hierbei werden dünne Elektroden ins Gehirn des Patienten implantiert, die per unter die Haut gelegtem Kabel mit einer "Fernbedienung" in der Brust verbunden ist, über die von Patienten kleine Strömstöße ausgelöst werden können, um das Hirn zu stimulieren und damit die "On-Off-Phasen" zu mindern. Allerdings dürfen Betroffene, um für diese Form in Frage zu kommen, keinerlei psychische Symptomatiken aufweisen, so Sawires. 

Eine dritte und oft auch von Ärzten eher vernachlässigte Therapieform ist die Rehabilitative durch verstärkte Ergo-, Physio- und Logopädie, deren Übungen in den täglichen Ablauf integriert werden müssten. Dadurch lassen sich viele Symptomatiken in den Griff bekommen und mindern.

"Parkinson-Erkrankte können bei Therapie eine ähnliche Lebenserwartung erreichen wie Nicht-Erkrankte. Dafür braucht es aber ein ganzes Therapiegerüst."

Dr. Martin Sawires


Zukunftsmusik

Aktuell gibt es, auch an der Uniklinik Innsbruck, umfangreiche Studien zu Morbus Parkinson, was immer mehr mögliche Therapieansätze mit sich bringt. Eine "ferne Zukunftsmusik", so Dr. Sawires, sei die Impfung zur Verlangsamung des Sinkens des Dopaminspiegels und damit zum Stopp der Progression der Symptome: "Es gibt noch kein Medikament, das das Fortschreiten des Dopaminmangels beeinflussen kann. Das Hinauszögern des Zitterns wäre eine Zukunftsmelodie."

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