Hallstatt: Kirchentür verriegelt, Friedhof gesperrt – wegen asiatischer Touristen

Wenn der Totengräber zum Türsteher wird: Nicht ungewöhnlich derzeit in Hallstatt. Bei Begräbnissen "bewacht" teilweise der Bestatter die Kirchentür und wimmelt interessierte Touristen ab. | Foto: Frühauf, panthermedia/XiXinXing (Montage: BRS)
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  • Wenn der Totengräber zum Türsteher wird: Nicht ungewöhnlich derzeit in Hallstatt. Bei Begräbnissen "bewacht" teilweise der Bestatter die Kirchentür und wimmelt interessierte Touristen ab.
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HALLSTATT/OÖ (tk). „Bitte warten Sie kurz. Sobald die Kirche zugesperrt ist, können wir beginnen“: Diese recht ungewöhnliche Formulierung ist für die Gläubigen in Hallstatt mittlerweile Alltag. Seit mehreren Monaten muss die über 150 Jahre alte Evangelische Kirche (Bild) im Zentrum Hallstatts bei Messen, Konfirmationen und Begräbnissen zugesperrt – oder durch einen Türsteher bewacht – werden. Der Grund: Massentourismus.
Asiatische Touristen mit Kameras, Selfie-Sticks und Handys störten wiederholt die Gottesdienste. Sie fotografieren während der Messen in der Kirche und knipsten Trauernde, die Abschied nahmen sowie Menschen im Gebet.

„Zugesperrt oder Türsteher“
Diese Maßlosigkeit der Touristenmassen stieß vielen Gläubigen in der 500-köpfigen Pfarrgemeinde sauer auf und war Anlass dieser „Tür zu-Initiative“. „Es bleibt entweder die Haupttür geschlossen oder jemand steht an der Tür“, sagt Pfarrer Dankfried Kirsch auf Anfrage der BezirksRundschau. Bei Beerdigungen werde zumeist der Totengräber als Türsteher eingeteilt, heißt es. Seine Aufgabe ist es, neugierige Chinesen von der Trauergemeinde – und dem Sarg, wenn dieser die Kirche verlässt – fernzuhalten.

„Freilich ist die Kirche außerhalb der Messen weiterhin offen“, betont Pfarrer Kirsch. Man habe mittlerweile sogar Beschriftungen und Infoblätter auf Chinesisch und zahlreichen anderen Sprache aufliegen. Der Geistliche ortet diesbezüglich eine Dankbarkeit bei den Gästen aus Asien: „Sie freuen sich, wenn Sie etwas verstehen. Denn viele, die nach Hallstatt kommen, können ja kaum Englisch“, so Kirsch. Ironie der Geschichte: Die Evangelische Kirche ist genau jenes Gotteshaus, das die Chinesen in ihrer Hallstatt-Kopie in der Stadt Boluo (Provinz Guandong/Südchina) nachbauten.

Die gleiche Tür-zu-Politik pflegt man übrigens auch bei den katholischen Kollegen in der Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt, die sich über Hallstatt thronend an den Berg schmiegt. „Die Gottesdienste sollen in Ruhe und ohne Störung erfolgen“, sagt Pfarrer Richard Czurylo.

„Friedhofssperre“ in Hallstatt
Wie die BezirksRundschau aus Hallstatt erfuhr, sorgte erst kürzlich, zu Allerheiligen, ein weiterer Vorfall für Unmut gegenüber den Touristen aus Asien. Während die Gläubigen am Friedhof ihrer Verstorbenen gedachten, wuselten asiatische Gäste munter zwischen den Gräberreihen umher und schwenkte den Fotoapparat. Als eine ziemliche Pietät- und Respektlosigkeit empfanden das die Hallstätter. Nur konsequent ist es da, dass seit dem Vorjahr auch der Friedhof bei Trauerfeiern oder Totengedenken zur „Touristen-Sperrzone“ erklärt wurde.

„Wir sperren dann die Haupteingänge ab“, sagt der Obmann des Pfarrgemeinderats, Reinhard Kerschbaumer. Und selbstkritisch ergänzt er: „Wir sollten manchmal mehr Zivilcourage haben und uns etwas sagen trauen und nicht nur hintennach murren“. Dann bräuchte man solche Absperrungen vielleicht gar nicht, meint der Hall-stätter.

Zur Sache: 600.000 Gäste pro Jahr

80 Prozent der Hallstätter leben direkt oder indirekt vom Tourismus. Schätzungen zufolge pilgern etwa 600.000 Gäste in den kleinen 750-Einwohner-Ort – pro Jahr. Hinzu kommen noch Zigtausende Nächtigungen. Viel zu tun für das kleine Dorf.
Um diesen gewaltigen Touristenstrom etwas besser zu lenken, investiert das Tourismusbüro Inneres Salzkammergut heuer 47.000 Euro in eine Erweiterung der Postbus-Fahrten. Ab Mai verkehrt das öffentliche Verkehrsmittel dann bis zehn Uhr abends im Inneren Salzkammergut. „Wir müssen die Touristenströme lenken. Eine Maßnahme ist die Ausweitung der Busfahrten“, sagt Tourismus-Geschäftsführerin Pamela Binder. Dadurch soll der Zustrom auf der Straße nach Hallstatt etwas abgebremst werden.

Wenn der Totengräber zum Türsteher wird: Nicht ungewöhnlich derzeit in Hallstatt. Bei Begräbnissen "bewacht" teilweise der Bestatter die Kirchentür und wimmelt interessierte Touristen ab. | Foto: Frühauf, panthermedia/XiXinXing (Montage: BRS)
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